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Ausgabe:

1949 Nr. 7

Spalte:

404-405

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

La Baume, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Die Bedeutung der ostgermanischen Gesichtsurnen 1949

Rezensent:

Tackenberg, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 7

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den Gehalt der kleinsten, ursprünglichen Einheiten zu erheben
? Wenn v. H. selbst anderenorts feststellt, daß harmonisierende
Hände in der Uberlieferung an der Arbeit sind, dürfte
er S. 14 nicht sagen: ,, . . . enthält eine Variante des Mythus
. . ., die von Unebenheiten frei ist und deshalb älter sein
muß".

Heidelberg Heinrich Oreeven

Butschkus, Horst, Dr. phil: Luthers Religion und ihre Entsprechung
im japanischen Amida-Buddhismus. Emstetten: Lechte 1940. m,

92 S. 8" - Universitas-Archiv. Philos. Abt. Bd. 17. DM 4.50.

Diese Bonner Dissertation füllt eine spürbare Lücke aus.
Wer immer den japanischen Amida-Buddhismus zu Gesicht
bekam, hatte das Empfinden: was ich hier sehe und erlebe,
ähnelt auffällig dem lutherischen Christentum. Horst Butschkus
untersucht die möglichen Ähnlichkeiten und findet folgendes
: r. Beide Religionen stehen im Gegensatz zur Werkfrömmigkeit
, sind gegen Rationalismus und Scholastizismus.
2. Beide Religionen bieten einen Weg zum Heil an, der sich
auf die Formel bringen läßt „allein durch den Glauben". Davon
handeln die beiden ersten Teile. Ein kürzerer dritter Teil
spricht von den ,,Störungen" des „Glaubens" und ein vierter
noch kürzerer Teil von der „Aufhebung" des „Glaubens",
d. h. von dem Erreichen des Ziels.

Der Leser ist oftmals überrascht, wie ähnlich, ja gleichlautend
die Grundaussagen in beiden Religionen gemacht
werden: „By . . . faith alone . . . we . . . may enter into the
Eternal kingdom" (S. 9). Aber was heißt das: faith ? Glaube ?
Könnte nicht sein, daß die Ubersetzungen aus dem Japanischen
ins Englische oder Deutsche sich eines christlichen
Wortes bedienen, um etwas wiederzugeben, was in einer
christlich gewordenen Sprache schlechterdings überhaupt
nicht auszusprechen ist ? Könnte nicht sein: obwohl beide das
gleiche, das entsprechende Wort gebrauchen, meinen sie etwas
ganz anderes ?

Horst Butschkus muß bei seiner Untersuchung vergleichen
und im Vergleich feststellen, worin sich diese beiden
Religionen unterscheiden. So findet er: „es besteht doch ein
gewaltiger Unterschied zwischen beiden" (S. 15): Nach Luther
kann kein Mensch aus eigener Kraft zu Gott kommen, im
Amida-Buddhismus mag es einem unter vielen gelingen, das
Ziel zu erreichen. Hier wird der Glaubensweg nur denen angeboten
, die es aus eigener Kraft nicht schaffen. Die Amida-
Buddhisten „do not deny that salvation through one's own
strength is possible" (S. 17). Bei ihnen geht es auch um keine
Sündenverfehlung, sondern nur um ein Nicht-Vermögefl des
Menschen. Der Verf. stellt deutlich heraus, was beide Religionen
endgültig trennt: bei Luther geht es um eine Person-
Beziehung; im Buddhismus, auch im Amida-Buddhismus, geht
es darum, daß zwei Substanzen zueinander finden. Die
letzte Wirklichkeit ist hier nicht Person.

Die Darstellung der Aussagen aus den Quellen geschieht
sauber und gründlich. Aber es erhebt sich die Frage: sollte
solche Vergleichung nicht so geschehen, daß zunächst einmal
die Eigenart einer jeden Religion dargestellt wird ? Dann würde
beim Amida-Buddhismus eine Seins-Ordnung sichtbar werden,
angesichts derer wir erkennen: hier sind alle Wörter auf eine
Mitte und Ordnung bezogen, die ist so grundverschieden von
der Luthers, daß wir überhaupt keinen Vergleich durchführen
können. Und hier erweitert sich unsere Frage zu einer kritischen
Frage an die Vergleichende Religionswissenschaft überhaupt
: Sollte nicht eine jede solche vergleichende Arbeit aus
der Ursprache der Quellen allein geschrieben werden ? Sollte bei
Ubersetzungen nicht beachtet werden, daß christliche oder
christianisierte Wörter wie „faith, incarnation" usw. nicht gebraucht
werden dürfen, um etwas Buddhistisches wiederzugeben
?

Deshalb machen wir hinter das Wort „Entsprechung" im
Titel ein Fragezeichen. Was einander zu entsprechen scheint,
sind äußerlich psychologische Dinge — im Wesen aber herrscht
ausschließender Gegensatz. Deshalb können wir auch diese
beiden Religionen nicht unter den gemeinsamen Titel der
„Glaubensreligionen" bringen (wie S. 46 geschieht). Der Verf.
ist nahe an diese Erkenntnis herangekommen, indem er
wiederholt die Unterschiede aufzeigt. Noch einen Schritt
weiter, und er wird unserem Einwand zustimmen. Dann
können wir natürlich keine Vergleichung mehr unternehmen,
wohl aber eine echte Begegnung vollziehen. Aber vielleicht
muß man zunächst einmal mit einer solchen Vergleichung beginnen
, um zur Erkenntnis des Nicht-Vergleichen-Könnens
zu kommen und für echte Begegnung vorbereitet zu werden ?

Adelberg Friso Melzer

La Baume, w.: Die Bedeutung der ostgermanischen Gesichtsurnen.

Königsberg: Kanter 1944. 34 S., 16 Taf. gr. 8» = Der Forschungskreis H. 5.

DM 1.50.

Der Verf. hat sich seit Jahren mit der ostgermanischen
Gesichtsurnenkultur beschäftigt. Die vorliegende Untersuchung
bildet einen Abschnitt einer umfangreichen, druckfertig
vorliegenden Monographie über das gleiche Thema, die
leider nicht so bald erscheinen dürfte. — Um zu einem Verständnis
des gesamten Fragenkomplexes zu gelangen, ist Voraussetzung
, die Zeitstellung der Gesichtsuruen genau zu
fixieren. Ohne jetzt auf Beweise einzugehen, datiert La
Baume im Gegensatz zur üblichen Meinung den Beginn des
Erscheinens der Gesichtsurnen herab, worin ich ihm nur beistimmen
kann. In Hallstatt C = 776. Jahrhundert v.Ch.Geb.
fange ihr Auftreten an, in Hallstatt D = 675.Jh. v.Ch.Geb.
erreiche die Entwicklung den Höhepunkt, in Latene A—B =
4-/3. Jh. v.Ch.Geb. höre die Sitte auf. — In der ersten Stufe
zeigen sich auf Urnen des ostgermanischen Weichselmündungs-
gebietes Augen eingeritzt. Sie lassen sich ohne weiteres mit
Augendarstellungen auf mitteldeutschen, westgermanischen
und auf skandinavischen, nordgermanischen Grabgefäßen vergleichen
. Von Wichtigkeit ist, daß der Verf. die drei Bezirke
des Vorkommens nicht in ein zeitliches Nacheinander oder Ab-
leitungsschema bringt, sondern die Erscheinungen paralleli-
siert und für gleichzeitig erklärt. Daß die Sitte, die Urnen
mit Augenzeichnungen zu versehen, „spontan entstanden" sei,
will mir weniger einleuchten; ich möchte eher dafür eintreten,
daß Beeinflussung aus dem Mittelmeergebiet stattgefunden
hat. Mit guten Gründen unterbaut La Baume die Ansicht,
daß die Augenanbringung auf den Urnen dazu diente, ihren
Inhalt, die Beigaben und den Leichenbrand, vor feindlichen
Mächten zu schützen.

Die Abwehrkraft der Augen — oft aus der Antike bis in
die Neuzeit zu belegen — im Totenkult angewendet findet der
Verf. auch bei den mit den Gesichtsurnen gleichzeitigen
Speicherurnen Mitteldeutschlands, wo bisweilen Augen neben
oder über der Tür eingeritzt erscheinen. Wie die Speicher der
Lebenden die Vorräte und das Wesentlichste an Hab und Gut
bargen, wurden Leichenbrand und Beigaben in tönernen
Wiedergaben der Speicher beigesetzt, um damit zu dokumentieren
, daß es sich um Kostbarkeiten handelte, die man zu
schützen die Pflicht hatte. Die Augen auf ihnen sind ein
weiterer Beleg für diese Auffassung: Sie sollten helfen, das
Böse fernzuhalten. Rückschließend kann gefolgert werden,
daß auch die Holzspeicher der Lebenden mit Abwehnnerk-
malen ausgestattet gewesen sind. Analog den Urnen in
Speicherform werden die Urnen der Ostgermanen, die Augen
zeigen, Vorratsbehälter nachahmen sollen — dafür spricht ihr
fester, sonst nicht zu beobachtender Verschluß in Form von
Kappen-, Falz- und Stöpseldeckeln — und wird den Augen
dieselbe Bedeutung zuerkannt werden müssen, wie im Bereich
der Speicherurnen.

Bei den Ostgermanen wurden dann auf den Urnen zu de»
Augen Nase, Mund und Ohren hinzugefügt. Der Grundgedanke
, der für diese Erweiterung, die Anbringung des ganzen
Gesichtes maßgebend war, ist offensichtlich der gleiche geblieben
, ein Apotropaion zu schaffen. Man sieht es schon
daran, daß Augenurnen daneben weiter hergestellt worden
sind. Daß das Gesicht am Urnenraude als Mittel zur Abwehr
aufgefaßt wurde, erhellt auch daraus, daß man es gelegentlich
absichtlich verzerrte und man Fratzen bildete oder die Zunge
herausgestreckt wiedergab.

Im Laufe der Entwicklung (in Stufe Hallstatt D) stellt
La Baume ein gewisses Abweichen von der Ursprungsidee fest.
Man hat in dieser Epoche versucht, das Gesicht menschlicher
zu gestalten, man hat bisweilen* Arme oder Hände an die
Wandung des Gefäßes angesetzt oder Schmuck und Waffen,
Jagdszenen, Menschen, Pferde, Hunde und Wagen eingezeichnet
. Auf Grund der einzelnen Einritzungen ist es sogar möglich
, zwischen den Gesichtsurnen zu scheiden, die männlichen,
und denen, die weiblichen Leichenbrand enthalten. Es hat
sich also eine Art „Porträtgedanke" eingestellt. Die alte Ab*
sieht, die man mit dem Anbringen des Gesichtes verfolgte,
kann aber nur etwas zurückgedrängt worden sein, weil nebeö
den spezialisierten Gesichtsurnen „einfache" weiter in tief
gleichen Epoche zu finden sind und sie in der Endstufe wiedef
überwiegen.

Die Abfolge: Gesichtsanbringung — körperliche Gestaltung
der Urnen, die im ostgermanischen Bereich faßbar wird,
belegt la Baume als üblich mit vielen anderen Beispielen. Ei"1'
drucksvoll sind als Analogien die etruskischen Kanopeu und
die früharchaischen menschengestaltigen Vasen des ostmitte/'
meerischen Raumes, deren Herstellung und Verwendung "I