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Ausgabe:

1949 Nr. 5

Spalte:

293-294

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Geißendörfer, Theodor

Titel/Untertitel:

Briefe an August Hermann Francke 1949

Rezensent:

Kammel, Richard

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 5

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der Dogmatik neben Stattler, dem „Antikant". 1784—1794
war Sailer in Dillingen a. Donau Professor der Pastoraltheologie
und der Ethik. 1799—1800 mit demselben Lehrauftrag
Professorin Ingolstadt, 1800—1821 in Landshut, wohin die In-
golstädter Universität (die spätere Münchener) verlegt wurde.
Erst 1821 wurde er durch die königliche Initiative Ludwigs I.
Weihbischof und 1829 Bischof von Regensburg. Sailers Glanzzeit
war, unbeschadet der reichen Wirksamkeit in Landshut, die
Dillinger Zeit, da er dort eine redliche Lern- und Examensschule
zu einer Hochschule der geistlichen Bildung und christlichen
Weisheit umschuf. Sehr zum Ärger der „Gewesenen", die
seine Entlassung von Dillingen erkämpften, ihn aber nicht für
alle Zeit fällen konnten. Jedoch ging auf diese Weise der
akademische, der klerikale, der gouvernementale, auch der
römische Klatsch mit Sailer durch das Leben, überall Hemmnisse
aufrichtend und Leid stiftend. Und doch tritt so Sailers
Bild als des „Heiligen einer Zeitwende" noch heller hervor.
Interessant für die Beurteilung des Jesuitenordens ist es, daß
Sailer die Grundlegung seiner geistlichen Haltung eindeutig
auf die zwei Jahre seines Noviziates bei den Jesuiten in Landsberg
a. Lech zurückführt (also bei den „alten" Jesuiten vor
der 1773 erfolgten Aufhebung des Ordens, die auch Sailers
Jesuitenzeit beendete). Als Theologe war Sailer nicht das,
was man heute einen „Forscher" nennt. Vielmehr wirkte er
als eine hervorragende Umschlagstelle der Forschungsresultate
(hier hauptsächlich der philosophischen und patristischen)
für die Darstellung, Verteidigung und Ausübung des Christentums
. Sailer als Theologe wäre eine ökumenische Studie wert.
Einen besonderen Nachdruck wird man für seine Schriftauslegung
bereithalten müssen. Auch der Prediger Sailer ist
einer eingehenden Würdigung zuzuführen. Persönlich war er
ein Meister der Freundschaft in der Zeit, wo die Freundschaft
zur Kultur gehörte — und er hatte Humor.

Bloß am Rande sei notiert, daß die Schielschen Dokumente
recht ergiebig sind für die Geschichte der Universitäten
Dillingen, Ingolstadt und Landshut; für die Kulturpolitik der
fürstbischöflichen und kurfürstlichen Ämter in Augsburg und
München, sowie die der Nuntiaturen; für die Weite der damaligen
königlich-preußischen Universitäts- und Bischofs-
Diplomatie; für die ehrliche und sachliche Art König Ludwigs
I. von Bayern. Aber zuerst und zuletzt sind sie ein Stück
Frömmigkeitsgeschichte von großer Eindringlichkeit, und das
im guten wie im schlimmen Sinn.

Wertingen Leonhard Fendt

Geißendörfer, Theodor: Briefe an August Hermann Francke mit Einleitungen
und Erläuterungen. Urbana: The University of Illinois Press 1939.
223 S. 8» - Illinois studles in language and literature. Vol. XXV.$ 2.50.
Wenn aus Amerika — durch den Krieg leider etwas verspätet
— ein deutsches theologisches Buch den Weg zu uns
findet, das deutsche kirchengeschichtliche Quellen uns erschließt
, so erweckt das unsere Aufmerksamkeit, besonders
Wenn es sich um unveröffentlichte Briefe an A. H. Francke
handelt, die von Halle über Spandau mit der wertvollen
Bücherei des Pädagogen und Bibliographen Professors Richard
Aron 1913 in den Besitz der Universität Illinois gelangt sind:
habent sua fata libelli. Dazu gehören 21 Briefe der Mutter
Franckes, Anna Francke, geborene Gloxin, an ihren berühmten
Sohn, die zusammen mit 3s weiteren solchen Briefen
aus der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin und 15 aus der
Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen abgedruckt
sind, so daß wir hier 70 „Mutterbriefe" zusammen haben. Inhaltlich
bieten diese Briefe für die Kirchengeschichte nicht viel
Neues. Sie beleuchten das gute Einvernehmen zwischen Mutter
und Sohn auf dem gemeinsamen Boden pietistischer Frömmigkeit
, sowie die Verbundenheit mit eben solchen Gesinnungsfreunden
; sie werfen Streiflichter auch auf kulturgeschichtliche
Verhältnisse und zeitgeschichtliche Ereignisse, die ständige
Furcht vor drohenden Kriegsgefahren, die mit dem nordischen
Krieg zusammenhingen.

■54 weitere Briefe haben Johann Michael Hempel zum Verfasser
, den verdienten Leiter der Lateinschule des Halleschen
Waisenhauses und späteren Professor am Gymnasium in El-
hing, Briefe, die in unterrichtliche und erzieherische Fragen,
in kirchliche und kulturelle Verhältnisse interessante Einblicke
gewähren. Nur 5 Briefe lesen wir von Heinrich Julius West-
Phal, von denen dieser Franckefrcund 3 aus Stockholm geschrieben
hat, mit wertvollen Berichten über den Pietismus
"1 Schweden.

Michael Alberti, der berühmte Mediziner der Universität
Walle, schreibt seinem Kollegen und Gesinnungsgenossen
Francke 14 Briefe meist über Hallesche Universitätsangelegenheiten
. Dazu kommen noch verschiedene Brief Schreiber, auch

A. H. Franckes Sohn Gotthilf August Francke, deren Briefe
die verschiedensten Gegenstände zum Inhalt haben.

Geschichtlich am interessantesten sind Briefe und Tagebuchblätter
von Christof Friedrich Mickwitz aus Petersburg,
der Hausgeistlicher des Obersten von Campenhausen war und
über dessen Unterhaltungen mit dem Zaren, Peter dem Großen,
allerlei zu berichten weiß. Das Wichtigste daraus habe ich bereits
im Septemberheft 1938 der „Evangelischen Diaspora"
mit Genehmigung von Professor Geißendörfer veröffentlicht.
Peter der Große hat mit Interesse die Entwicklung der
Franckeschen Stiftungen verfolgt, trug sich mit Gedanken
über einen russischen Bibeldruck in Holland oder in Halle
und allerlei anderen Reformplänen. „Das Oberhaupt erkennt
mit einigen wenigen, so halb und halb, daß eine rechtschaffene
Kirchenreformation not sei, aber hatte keine Gehilfen."
Darum steht Mickwitz ebenso wie andere Franckeschüler in
Petersburg einer „Hoffnung besserer Zeiten in Rußland"
skeptisch gegenüber. *

Geißendörfer begnügt sich nicht mit dem an sich schon
verdienstlichen Abdruck der für die deutsche Öffentlichkeit bis?
her verschollenen Briefe an Francke in philologischer Akribie.'
Er schreibt Einleitungen und Erläuterungen in zahlreichen
Anmerkungen dazu, die sich vor allem mit den vielen in den
Briefen genannten Personen beschäftigen. Besonders mit
Hilfe des verdienten Bibliothekars der Halleschen Hauptbibliothek
, Professors Karl Weiske, hat der Verf. viel biographische
Daten über führende Männer und Frauen aus der
Zeit des Pietismus zusammengetragen, geschichtliches Material
, das durch ein „Register der Personen" leicht zugänglich
ist. Gelegentliche Wiederholungen stören nicht; Irrtümer sind
selten. Die Anmerkungen über die Frauen Gotthilf August
Franckes (S. 80 u. 156) und Johann Michael Hempels (S. 119
u. 134) finden sich zweimal. Uber den Halleschen Schreib-
meister Gottfried Rost geben drei Anmerkungen Auskunft
(S. 88, 115 u. 123). Der spätere Breslauer Kriegsrat Anhard
Adlung, der auch von Venedig, Adrianopel, Konstantinopel,
Tripolis und Smyrna an Francke schreibt, wird zweimal (S. 103
u. 204) versehentlich gleichgesetzt mit dem Franckefreund
Johann Paul Adlung, der in Warschau Preußischer Gesandtschaftsprediger
war.

Geißendörfer kennt und verwertet die alte deuische
Franckeliteratur, auch außerdeutsche Neuerscheinungen:
Hilding Pleijel, „Der Schwedische Pietismus in seinen Beziehungen
zu Deutschland", Lund 1935, und Ilmari Salomies,
„Der Hallesche Pietismus in Rußland zur Zeit Peters des
Großen", Helsinki 1936. Dagegen haben die meisten grundlegenden
Aufsätze über den Pietismus von Theodor Wotschke,
dem Altmeister der Franckeforschung, den Weg über den
Ozean nicht gefunden, wohl weil sie an etwas abgelegener
Stelle, meist in provinziellen kirchengeschichtlichen Bättern
erschienen sind. Ebenso haben meine 1939 Professor Geißendörfer
zugesandten Schriften den Empfänger infolge des Weltkrieges
nicht mehr erreicht: „A. H. Franckes Tätigkeit für die
Diaspora des Ostens", Leipzig 1938, und ,,A- H. Franckes Auslandsarbeit
in Südosteuropa", München 1939. Auch der Aufsatz
von Ernst Benz, „August Hermann Francke und die
Deutsche Evangelische Kirche in Rußland", in dem Schubert-
schen Jahrbuch „Auslandsdeutschtum und Evangelische
Kirche", 1936, scheint Geißendörfer nicht bekannt gewesen
zu sein.

Berlin Richard Kammel

Hasler, Theodor, Pfr.: Johann Caspar Lavater. Der Hirte seiner Gemeinde
. Zürich: Schultheß 1942. 31 S., mehr. Taf. 8". DM—.90; Fr. 1.50.

Anläßlich des 200. Geburtstages von J. C. Lavater fand
am Sonntag, den 16. Nov. 1941, in der Kirche St. Peter zu
Zürich eine Gedächtnisfeier statt. Das angezeigte Heft enthält
einen Vortrag, den bei diesem Anlaß der dortige Pfarrer
hielt. Er ist keine ausführliche Biographie, sondern will hauptsächlich
das Wirken des Seelsorgers Lavater in seiner dortigen
Gemeinde schildern. Die Studie gründet sich im besonderen
auf Lavaters Schriften; außerdem konnten zeitgenössische
Protokolle und Akten aus dem Kirchenarchiv von St. Peter
verwertet werden. Das anspruchslose Heft gibt ein anschauliches
und ergreifendes Bild von dem „Hirten seiner Gemeinde
" und ist außerdem mit sehr hübschen Bildern (Wiedergaben
von zeitgenössischen Stichen, Zeichnungen und Gemälden
) ausgestattet.

Erlangen W. v. Loewenich

Rhine, Maria: Peter Rosegger. Die Heimat auf Erden und die Heimat Im
Licht. Hamburg: Reich <S Heidrich [1947]. 51 S. kl. 8«.

Die Neuauflage einer hübschen, gefühlvollen Darstellung Roseggers oder
vielmehr des Eindrucks, den er auf die Verfasserin gemacht hat, — wohl ge-