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Ausgabe:

1949

Spalte:

229-232

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Auf dem Grunde der Apostel und Propheten 1949

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 4

230

FESTSCHRIFTEN

Auf dem Grunde der Apostel und Propheten. Festgabe für Landesbischof

D. Theophil Wurm zum 80. Geburtstag am 7. Dezember 1948 dargebracht
von Emil Brunner, Eugen Gerstenmaier, Albrecht Goes usw. Hrsg. von
Max Loeser. Stuttgart: Quellverlag der Evang. Gesellschaft 1948.. 359 S.,
1 Bild. gr. 8».

Drei Momente sind in dieser Festschrift von grundsätzlicher
Bedeutung für die Theologie. 1. Die Festschrift, einer
repräsentativen Bischofsgestalt gewidmet, enthält in überwiegendem
Maße theologische Aufsätze. Der Schluß ist erlaubt
: der gefeierte Bischof schätzt die Theologie als eine Mitarbeiterin
In seinem Amte (wie er denn 1938 selbst eine Schrift
über den „lutherischen Grundgedanken der württembergischen
Kirche" veröffentlichte, die in der ThLZ besprochen wurde).
Man wird aber auch schließen dürfen: nach dem Urteil des
Bischofs ist die theologische Arbeit ein „echtes Anliegen" der
Kirche. 2. Diese Festschrift läßt beide Methoden der heutigen
Theologie nebeneinander zu, sowohl die „deduktive"
als auch die „induktive". Die „Deduktiven" gehen von der
kirchlichen Verkündigung (nicht der kontingenten, sondern
der christusgewollten) aus und setzen die Kirche als die Ver-
künderin der Bibel theologisch an der Stelle an, wo etwa in
der Religionsphilosophie die Vernunft und ihre Methoden
instrumentale Alleinherrschaft ausüben; doch soll nach den
,,Deduktiven" die Kirche nicht ein Ersatz des Vernunftgebrauches
in der Theologie sein, sondern die Kirche soll den
(instrumentalen) Vernunftgebrauch in der Theologie mit der
Weisheit des Hl. Geistes salben. Die „Induktiven" steigen dagegen
von der mit geisteswissenschaftlichen Methoden betriebenen
Bibelwissenschaft, historischen, systematischen,
praktischen Theologie zu der Stelle hinan, wo die Kirche steht,
und legen der Verkünderin Kirche die theologische Arbeit vor.
Die „Induktiven" von heute entschlagen sich indes an keiner
Stelle der Führung der Kirche, des Bekenntnisses, des Kanons,
sie kümmern sich vielmehr vom Anfang bis zum Ende ihrer
Arbeit lebhaft darum — aber sie haben den größten Horror
vor dem möglichen Mißverständnis, als könnte die Kirche mit
Kanon und Bekenntnis über der Hl. Schrift zu stehen
kommen; darum arbeiten sie schlicht mit den geisteswissenschaftlichen
Methoden, aber in der Kirche und für die Kirche.
Doch sind auch die „Deduktiven" nicht gewillt, Kirche,
Kanon, Bekenntnis über die Schrift zu stellen; aber mit der
Leidenschaft der nochmal aus der Agonie zum Leben Geretteten
scheuen sie in der geisteswissenschaftlichen Methode
der Theologie das Gift, durch welches nach ihrer Ansicht eine
frühere Bibelwissenschaft, Historie, Systematik, praktische
Theologie eben jene Agonie herbeiführte, und suchen aus der
Verkündigungsdynamis der Kirche den evangeliumsgemäßen
Ersatz für die geisteswissenschaftliche Methode zu finden.
Beide Wege der Theologie haben also ihre gefährlichen Stellen.
Daß die Festschrift unter diesen Umständen den Benützern
so des „deduktiven" wie des „induktiven" Weges Raum gab,
zeugt von Weisheit, die Nachahmung verdient; wir bedürfen
heute Doktoren „utriusque theologiae". 3. Die Themen, die
' in der Festschrift behandelt wurden, sind zumeist den Erfordernissen
der Praxis entnommen worden; die Praxis stellte
hier der Theologie die Aufgaben. Ein preiswerter Gedanke!
Doch darf bei aller löblichen Praxisnähe keinesfalls übersehen
werden: die Theologie hat auch ihre „innertheologischen
" Probleme mit voller Hingabe zu bearbeiten — täte
sie das nicht oder nur so nebenbei, so verfiele sie bald einer
Lage, in welcher sie gerade die ihr von der Praxis gestellten
Aufgaben nicht mehr voll bewältigen könnte! (Die Festschrift
enthält demgemäß auch einige Aufsätze über solche „innertheologischen
" Probleme — gewiß nicht zum Schaden des
Festcharakters.) Man könnte die Aufsätze (es sind auch etliche
aus dem „Vorfeld" und dem „Umkreis" der Theologie dabei) so
klassifizieren: A. Direkt zur Theologie. — B. Direkt zur Theologie
, indirekt zur Praxis. — C. Indirekt zur Theologie, direkt
*ur Praxis. — D. Bloß zur Praxis mit einem Durchblick auf
°-ie Theologie. — Das Buch wurde auf diese Weise etwas wie
ein Durchschnitt durch die tatsächliche gegenwärtige württem-
hergische Theologie, charakteristisch auch für die Gesamttheologie
der Gegenwart in Deutschland. (Es fehlen ja etliche
Namen, denen man gerne begegnet wäre, aber der Grund wird
Sein, daß eine Festschrift, nicht eine Enzyklopädie entstehen
?°ilte.) In dieser Zeitschrift soll nun, dem Charakter der
ThLZ entsprechend, nach dem Bezug der Aufsätze auf die
Rheologie gefragt werden.

^ Karl Heim, „Glaube, Studium, Beruf", gibt speziell der
"astoraltheologic ein Beispiel, wie man das Theologiestudiuni
u"d den geistlichen Beruf in der Linie der durch die Existen-

zialphilosophie erhellten „zweiten Möglichkeit der irdischen
Existenz", nämlich des „Ergreifens unserer Eigentlichkeit",
sehen kann. „Der Theologe ist derjenige, der dieses letzte
Entweder — Oder des Menschen mit vollem Bewußtsein durchlebt
und bis zur letzten Konsequenz zu Ende denkt." „Es gibt
auch ein intellektuelles Gewissen, ein Ethos der Wahr-
heitsforschung." Der Pfarrer aber ist der Mann, der „die
Wahrheit der Botschaft Jesu praktisch ausprobiert", er und
seine Gemeinde mit ihm.

Helmut Lamparter, „Das theologische Gewicht des
Dekalogs", dient der neutestamentlichen, alttestamentlichen,
der Luther-Forschung und der Katechetik. Er behandelt die
Frage „Gesetz und Evangelium" von der Heilsökonomie
Gottes aus, also von der Harmonie aus, welche Gesetz und
Evangelium bei Gott haben müssen. So konstatiert er, daß
das Gesetz schon am Sinai von Gott auf das Evangelium „angelegt
" war — und zieht Konsequenzen für die kirchliche
Unterweisung. Damit wirft er Probleme auf, die von großen
Gefahren durchzogen sind (siehe dazu den unten zu besprechenden
Beitrag von Thielicke).

In Wilhelm Rudolphs Aufsatz „Was haben uns die
großen Propheten des Alten Testaments heute zu sagen?"
interessiert uns hier einmal die Zeichnung der Aufgabe der
Propheten in ihrem Volk und an ihrem Volk, aber auch in
und an der Welt, besonders die der prophetischen Sinndeutung
der Geschichte — sodann aber die für die Homiletik
beispielhafte „Anwendung" dieser Zeichnung auf unsere und
der Welt heutige Lage. Für das Kapitel „Politische Predigt"
wie *ür das Thema „Exegese und Anwendung" kann die
Homiletik von Rudolph lernen.

Gottlob Seh renk, „Urchristliche Missionspredigt im
1. Jahrhundert", ist ebenso ergiebig für die Exegese wie für
die Homiletik und die Missionswissenschaft. Es handelt sich
um die „stoischen Gedanken" in Apg. 17, 16 ff. und um die
Auseinandersetzung mit Martin Dibelius. Schrenk bejaht den
stoischen Einschuß (doch 17, 26: „jedes Menschenvolk"),
leitet aber aus der Untersuchung der lukanischen Missions-
predigt die Unmöglichkeit ab, daß Lukas (oder gar Paulus)
hier aus der Christuspredigt herausgefallen sei. Die Rede beschreitet
Gebiete, wo alttestamentliche und griechische
Geisteswelt Berührungen haben und sucht dabei oft in
stoischen Formen das Alttestamentliche dem Verständnis des
Hörers näher zu bringen. Die Rede gehört in die auch heute
aktuelle Kategorie „anbahnendes Missionswort", das in jedem
Falle ohne Christus so unmöglich ist.

Adolf Köberle, „Der asketische Klang in der urchrist-
lichen Botschaft", weist durch exegetische, historische, systematische
Untersuchung der evangelischen Askese ihren rechtmäßigen
Platz und Inhalt in der „Heiligung" zu. Die Reformation
setzte Askese und Tentatio gleich (für die Tage des Leides
— aber wo, fragt Köberle, bleibt die Askese in den „fetten
Zeiten"?). „Der heroische Gedanke ist vom Christentum unabtrennbar
... es gilt das Wesen des Heroischen zurückzuerobern
und zu bewahren in der Welt des Heiligen."

Otto Michel, „Grundfragen der Pastoralbriefe", sieht
das Problem der Past. nicht eigentlich in der Echtheitsfrage
, sondern in der Tatsache „Hellenisierung der Verkündigung
" und darin, daß neben hellenistischer Popularphilo-
sophie und dem orientalischen Hofstil spätjüdische, ja rabbi-
nische Voraussetzungen einzuschalten sind, wenn man den
Verfasser der Past. verstehen will. An Einzelbeispielen zeigt
Michel, wie der Verfasser der Past. dennoch den christlichen
Leitgedanken als das Ubergeordnete und allem anderen den
Sinn Gebende zu wahren weiß.

Wolfgang Metzger, „Das Zwischenreich. Ein Beitrag
zum exegetischen Gespräch der Kirche über den Chiliasmus",
leitet die Verdoppelung der eschatologischen Ereignisse Apc.
19. 17 ff-; 20, 7 iL; 20, 5. 11 ff.; 20, 4 ff.; 21, 1 ff. (zweifaches
Gericht — zweifache Auferstehung — zweifacher Heilszustand)
von Hesekiel ab, nicht aber aus der „jüdischen Apokalyptik".
Wie Hesekiel drei Stadien des Messiasreiches annimmt, so
auch die Apc, bloß daß der „priesterlich getönte Messianis-
mus" des Hesekiel in der Apc. m das „apokalyptische Äonendenken
" umgesetzt wird. In jedem Stadium handelt es sich
in der Apc. um das eine ewige Reich Gottes, nicht um ein
Zwischenreich, in dem sog. „tausendjährigen Reich" also um
das wirkliche Reich Gottes auf Erden.

Emil Brunn er, „Ich glaube an eine heilige allgemeine
apostolische Kirche", entfaltet eine Lehre von der Kirche als
der una, sancta, catholica, apostolica, indem er vor allem auf
die Mängel hinweist: allzu eifriges Streben nach einheitlicher
Organisation und Uniformität („nicht einmal eine gewisse Verschiedenheit
des Bekenntnisses muß eine Minderung der Einheit
bedeuten. Die Theologie des Matthaeus ist nicht die des