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Ausgabe:

1948 Nr. 3

Spalte:

155-156

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Herner, Sven

Titel/Untertitel:

Die Natur im Alten Testament 1948

Rezensent:

Galling, Kurt

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155

Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 3

156

Ursprung der Weisheitshypostase und nach auswärtigen Einflüssen
auf sie eingehend erörtert. Nach kürzerer Behandlung
anderer Hypostasen wie „Treue" und „Wahrheit" erfahren
„Wort" und, „Geist" wieder eine ausführlichere Darstellung.
Aus dem vorislamischen Arabien, in das Ringgren — anders
als Hai dar — auch die Südaraber einbezieht, werden als hypo-
stasierte Gottesgestalten Wadd „Liebe", liudä „Gnade", Sa'd
„Glück", Manät „Schicksal", Hukm „Weisheit" sowie andere
berücksichtigt und die Attribute Allahs daraufhin geprüft, ob
sie als Hypostasen oder als Eigenschaften aufzufassen seien.

Als Ergebnis der mit Umsicht und Besonnenheit angestellten
Untersuchung wird die Entstehung neuer Gottheitsgestalten
auf eine doppelte Ursache zurückgeführt: 1. „Göttliche
" Eigenschaften und Funktionen lösen sich von ihrem
Quellort los und entwickeln sich zu selbständigen Gottheiten;
2. Kultnamen eines Gottes oder einer Göttin werden im Laufe
der Zeit als besondere Gottheiten verstanden. Dieser Prozeß
wird vielfach dadurch beschleunigt, daß solche bis dahin ohne
feste Umrisse dastehende Hypostasierungen aus einem in der
betreffenden Religion beheimateten Mythos Leben und Farbe
erhalten oder auch durch die Mythologie einer anderen Religion
beeinflußt werden. Jedenfalls steht fest, daß derartige
Hypostasierungen göttlicher Eigenschaften und Funktionen
zu Entstellung und Wachstum des Polytheismus wesentlich
beigetragen haben.

Man wird diesem Ergebnis im allgemeinen zustimmen
müssen und sich auch in Einzelheiten dem Urteil des Verf.s
weithin anschließen können. So trifft es gewiß zu, daß die
Weisheits-Personifikation des Alten Testaments die Hypo-
stasierung einer göttlichen Eigenschaft darstellt (S.132L),
dann aber mythologische Züge aus der Umwelt des Alten
Testaments angenommen hat, wobei die „Weisheit", wie sie
das Buch Sirach beschreibt, etwa von der Isis-Propaganda
beeinflußt erscheint. Beachtung verdienen die anläßlich der
Erwähnung des südarabischen Gottes Wadd gemachten allgemeinen
Ausführungen über das semitische Pantheon, die an
Ditlef Nielsens Schema: Mond = Vater-Gott, Sonne =
Mutter-Göttin, Venus = Sohn-Gott Kritik üben und für den
nach Nielsen am Venusstern haftenden Sohn-Gott Attar
die Auffassung als Himmelsgott in Vorschlag bringen. Ringgren
hätte sich bei dieser Kritik an Nielsens Theorien auf
W.W. Graf Baudissin, Kyrios als Gottesname im Judentum
und seine Stelle in der Religionsgeschichte, III, 1929,
S. 377 u. ö. berufen können, wie dies — ihm offenbar unbekannt
gebliebene — Werk ihm auch sonst, etwa bei der Erörterung
von Kettu und Mesäru (S. 400—402), einiges hätte
geben können. Im übrigen verdient aber des Verf.s Vertrautheit
mit der für sein Thema in Betracht kommenden wissenschaftlichen
Literatur volle Anerkennung.

Die eben gewürdigten beiden Bücher, offenbar Erstlingsleistungen
, berechtigen zu der Hoffnung, daß ihre Verfasser
die Wissenschaft vom Alten Testament und vom Alten Orient
durch weitere gute Arbeiten bereichern werden. Von Haldar
ist, wie die Ringgrens Buch beige.r;ebene Bibliographie zeigt,
inzwischen bereits eine neue Schrill erschienen, nämlich Stu-
dies in the Book of Nahum (Uppsala universitets ärsskrift
1946. 7). Uppsala und Leipzig 1947.

Halle/S. Otto E iß fei dt

Herner, Sven: Die Natur im Alten Testament. Lund: Gieerup 1941.

II, 122S. gr. 8" = K. Humanistiska Vetenskapssamfundets i Lund ars-

berättelse 1940/41, II.

Diese anspruchslose Studie bietet in einem Umfang von
122 Seiten und in einer Sachordnung (Himmel, Erde, Pflanzen
und Tiere) die primären und sekundären Aussagen über die
Natur, soweit sie sich in den kanonischen Büchern des AT
finden. „Direkte Zitate sind im allgemeinen Kautzschs ,Die
heilige Schrift des Alten Testaments' entnommen" (S. 7).
Einen unmittelbar die Wissenschaft fördernden Wert kann
man der Arbeit nicht zuerkennen, zumal in deutscher Sprache
ja schon Wesentliches zu diesem Thema gesammelt und gesagt
worden ist. Man muß es bedauern, daß der Leser weder
von den älteren „Archäologien" noch von den einschlägigen
Arbeiten von Dalman, Low und Ludwig Köhler u. a. etwas
erfährt, und daß er durch den Verzicht auf exakte naturwissenschaftliche
Bezeichnungen in der Flora und Fauna um
eme konkrete Anschaulichkeit gebracht wird.

Ein paar Zitate mögen belegen, daß die Zusammenstellung
m der Art, wie sie vollzogen wird, ohne rechten Ertrag
bleibt. „Die Sonne bräunt zwar die Haut — Hohel. 1, 6 —,
aber es ist gut für die Augen, die Sonne sehen zu dürfen —
Pred. 11, 7- Ihre Hitze kann zwar ermatten — Jona 48—,
aber weder sie noch der Mond schaden dem Frommen —
Ps. 121, 6" (S. 16). „Ebenso wie das AT die Prophezeiungen

der Sterngucker verwirft — Jes. 47, 13 —, so sagt es auch,
daß ein Windspäher niemals säen darf und ein Wolkengucker
niemals ernten — Pred. 11, 4" (S. 27). Hier ist nicht mir die
Predigerstelle völlig mißverstanden, sondern auch die Vielfalt
der literarischen Gattungen des AT, ganz abgesehen von der
zeitlichen Gebundenheit des jeweils ausgewählten Textes,
übersehen.

Sub titulo „Steine" kommt der Verf. auch auf die heiligen
Steine zu sprechen, und dann sagt er abschließend: „Heilige
Steinhaufen werden sonst (d. h. außer in Gen 31, 46) nicht erwähnt
, doch kommen solche in Arabien vor, wenn auch nicht
an so vielen Stellen" (S. 42). Was heißt das? Und was soll
man hinter den „so vielen Stellen" ergänzen ? Aus Dtn 21, 18
und Lev. 10, 9 zu folgern, „das AT weise sogar einen Ansatz
zu einer Rauschtrankgesetzgebung auf" (S. 56), scheint mir
abwegig, wie auch die Zusammenstellung der beiden zum Beweis
herangezogenen Texte. Die „Bekehrung" der Tiere in der
Jonalegende wird rationalistisch sichergestellt: „Auch Judith
4, gf. wird erzählt, daß . . . ihr Vieh mit großein Eifer zu Gott
schrie, und auch von den Persern wird erzählt, daß sie einmal
Pferde und Lasttiere an den Trauerzeremoniell teilnehmen
ließen" (S. 84). Die Ezechiel zugeschriebene Tiersympathie
findet der Verf. durch Ez. 1, 10 belegt: „Die Tierköpfe der
Cherubim beweisen eine Wertschätzung der Tiere" (S. 88).
Darf man vermuten, daß der Prophet bei der Schilderung
der Cherubgestalten, von denen Herner selbst sagt, daß sie
aus dem Babylonischen herkommen, überhaupt vor der Frage
nach seiner Stellung zur Tierwelt gestanden hat ? Ich glaube
es nicht.

Da der Verf. einfach Bibelstellen aneinander reiht, kann
er die unmögliche Formulierung gebrauchen: „Wenn die
Mosebücher von Pferden sprechen, so . . ." (S. 99), und
etwas schwülstig scheint es mir zu sein, wenn der Verf. in
bezug auf den Adler sagt: „er gehört zu den Tieren, die gewürdigt
waren, von Hiob geschildert zu werden" (S. 112). Ich
breche ab. Und erwähne nur noch nebenbei, daß sich auch
sachliche Irrtümer an nicht wenigen Stellen finden. Brunnen
und Zisterne sind nicht unterschieden, Holzhäuser werden als
„sehr selten" angesetzt, während es sie schlechterdings nicht
gegeben hat u. a. m.

Mir scheint, daß die Zeit für solche allgemein gehaltenen
Zusammenfassungen vorbei ist. Ein Gewinn ergibt sich aus
lexikographischen und archäologischen bzw. botanisch-zoologischen
Arbeiten, die ein Spezialgebiet genau durchforschen
. Die Dissertation von A. E. Rüthy, Die Pflanze und
ihre Teile im biblisch-hebräischen Sprachgebrauch, 1942, mag
als Gegentypus genannt sein.

Mainz K. Galling

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Anrup, Nils Erik: Augustinus' lära om arvsynden. En dogmenhistorisk

Studie. (Augustins Erbsündenlehre. Eine dogmengeschichtliche Studie.)

Lund: C. W. K. Gleerups förlag [1943]. VIII, 242 S. 8°. Kr. 7.50.
Anrup bietet uns hier eine solide und besonnene Neti-
durchforschung der Erbsündenlehre Augustins, mit vollständigem
Quellenabdruck. (Seine Vorgänger waren: J. Tunnel
1900 und 1901; J. N. Espenbcrger 1905; E. Buonaiuti 1917;
F. Donan 1922; J. de Blic 1926/27; J. Mansbach 1929; N. Merlin
1931; A. Nygren 1939; dazu die Lehr- und Handbücher
der Dogmengeschichte.) Die Fragepunkte, um welche sich die
Augustinusforscher bemühen, betreffen in der Erbsünden-
lehre Augustins die Momente: a) Welches ist das Wesen der
Erbsünde bei Augustin ? b) Seit wann hat Augustin diese seine
„augustinische" Erbsündenlehre ? c) Woher nahm er sie ? Auf
die erste Frage antwortet Anrup auf Grund der Quellen: Das
Wesen der Erbsünde liegt nach Augustinus in der Schuld, die
wir alle, in Adams Lenden, mit den Stamtneltern durch
unseren damaligen Ungehorsam uns zuzogen. Die Folge dieser
Schuld war die Korruption des Menschen, und zu dieser Korruption
gehört die coneupiscentia und die ignorantia und die
daraus hervorgehenden aktuellen Sünden. Nicht die KoH-
kupiszenz ist also die Erbsünde, sondern die Konkupiszenz
ist die Folge der Erbsünde, die Folge also der Erbschuld -"
und die Erbschuld wird durch die Konkupiszenz fortgepflanzt,
vererbt. Die Erbschuld, welche auch jedes von Adam abstammende
Kind besitzt, wird durch die Taufe vergeben, aber
die Korruption, also auch die coneupiscentia, bleibt. — Au»
die zweite Frage antwortet Anrup: Augustinus hatte diese
Erbsündenlehre erst nach einer Zeit, da er den Menschen plii'°'
sophisch-optimistisch, später philosophisch-pessimistisch angesehen
hatte; durch den Rm. kam er zur ererbten Schuld,
zur massa luti, peccati, zum generale peccatum — und zwar