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Ausgabe: | 1948 Nr. 2 |
Spalte: | 100 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Wegmann, Hans |
Titel/Untertitel: | Gottes Werk und Mitarbeiter 1948 |
Rezensent: | Uckeley, Alfred |
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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 2
100
fünfte Kapitel: „Die christliche Botschaft an den Menschen
des Säkularismus" gibt „Umrisse einer neuen Predigtgestalt".
Eine Kulturanalyse, von einem systematischen Theologen
geschrieben, läuft also in homiletische Grundfragen aus! Es
ist undenkbar, daß ein Systematiker der vorigen Generation
eine Kulturkritik in Grundsätzen zur Predigtgestalt hätte
gipfeln lassen können. Dabei gehört dies letzte Kapitel — das
spürt der Leser — durchaus organisch zum ganzen Geiste
dieses Buches, und ist ihm nicht künstlich angehängt. An
diesem Aufbau sieht man schlaglichtartig die gegenwärtige
theologische Situation. Es geht der evangelischen Theologie
nicht um kulturethische Spekulationen oder kulturphilosophische
Erkenntnisse, was vor fünfzig Jahren noch das wichtigste
Anliegen einer solchen Untersuchung gewesen wäre. Es
geht ihr in allen Fragen um ihren Auftjäft-zur Verkündigung
im hic et nunc der geschichtlichen Lage.
Wie gesagt, das fünfte Kapitel gehört zum ganzen Buche
und darum ist auch in den ersten Kapiteln eben dieses entscheidend
: Die einzelnen Phänomene in ihrer konkreten Wirkung
auf den Menschen in seiner Auseinandersetzung mit der
viva vox evangelii zu zeichnen und zu werten. —
Die Methode im einzelnen beruht, wie es Thielickes Stärke
ist, darin, nicht umfassende Synthesen zu konstruieren, sondern
treffende Momentbilder zu skizzieren, aus deren Mosaik
sich ein Gesamtbild ergibt, das darum so anregend und aufregend
ist, weil dem Leser überlassen ist, die ihm darüber
hinaus bekannten Einzelerscheinungen selbst einzustellen und
mit erleuchten zu lassen. Sodann ist auch dies Buch Thielickes
dadurch ausgezeichnet, daß es sich nicht in ausgefahrenen
Geleisen bewegt, wozu die Kennzeichnving des Säkularismus
ja reichlich Gelegenheit geboten hätte. Verf. versucht, gleichsam
phänomenologisch, die Welt zu zeichnen, wie sie ihm zur
Zeit der Abfassung (1943) erschien. Erstaunlich zu sehen, wie
die auf jene Welt bezogenen „Skizzen" heute noch ihre volle
Lebensaktualität besitzen. —
Besonders klar und gut gelungen scheinen die Abschnitte über die Psychotherapie
(als Exkurs zum 2. Kap. S. 103—116 und S. 222ff.) sowie das
das 3. Kapitel über die Technik zu sein. Diese beiden Stücke sind deshalb
so wichtig, weil sie sicherstellen, daß es in allen diesen Dingen um den Menschen
geht. „Das Thema der Technik ist der Mensch" (S. 153). Der Aufweis dieser
These ist wertvoll, weil fast alle Behandlungen der Technik diese stets wie
ein überpersonales Faktum nehmen, das als solches ernst zu nehmen sei, und
daher stets bei der Drohfrage von O. Spenglers „Mensch und Technik" landen.
Diese Auffassung ist eben im Ansatz falsch und kann daher nur zu falschen
Ergebnissen führen. Thieleckes Auffassung erscheint als Durchbruch zur richtigen
Fragestellung. Dieses Kapitel ist um so spannender, als man zunächst
den Eindruck hat, Thielicke setze ebenso falsch an wie seine Vorgänger. Der
2. Abschnitt heißt nämlich: „Der Einbruch der Technik in die moderne Welt".
Darin steht der Satz: „Die Technik ist.. . nicht .gewachsen' .. ., sondern sie
ist .eingebrochen'." (S. 119.). Das sieht so aus wie eine transhumane Wertung
der Technik. Doch über eine Erfassung des Doppelgesichtes der Technik, die
durch engste Naturfühlung nur ermöglicht wird, und dennoch zur Entfremdung
von der Natur führt (S. 129); die durch die Beseitigung der äußerlichen Entfernungen
zum Entstehen der nationalistischen Abschnürungen führte (S. 130);
die große Menschenmassen ballte und darin doch eine Einsamkeit unerhörter
Tiefe herbeiführte (S. 131 f.). Durch diese und ähnliche Beobachtungen gelangt
der Verf. zum Eigentlichen: „Die Technik als Werk des Menschen".
Das ist auch der entscheidende Gesichtspunkt gegenüber der Psychotherapie
. Der Mensch muß als Mensch gesehen werden! Der moderne Versuch
, ihn jenseits des Personenhaften ernst zu nehmen, entmenscht ihn. Es ist
dabei nicht ganz einleuchtend, warum der l.ösungsweg über einen „objektiven
Schuldvorrat in der Welt", für den sensible Menschen besonders feines Gespür
besäßen, gewählt wird (S. 112). Dieser Weg verwirrt leicht, obwohl im
4. Kapitel ja mit befreiender Klarheit von der Personhaftigkeit des Bösen
gesprochen wird.
Zusammenfassend ist deutlich zu machen, daI3 mit dieser
Kulturkritik zwei Dinge erwiesen sind: 1. Es ist von der
modernen Kultur, Säkularisation und Technik nicht zu handeln
unter Ausschluß des Menschen wie von objektiven nach
eigenständigen Notwendigkeiten sich vollziehenden Größen.
Der Mensch ist in diesen Bezogenheiteu nicht bedauernswertes
Objekt, sondern zurechnungsfähiges Subjekt. 2. Diese Fragen
gehen die Theologie an im Zusammenhang mit ihrem Auftrag
, das Wort in der Welt zu verkündigen. Diese Zielsetzung
zerstört nicht die Wissenschaftlichkeit einer genau arbeitenden
Theologie, sondern sie sichert die Grundrichtung der Theologie
als einer Wissenschaft nicht an sich, sondern ad hominem.
Ein besonders leuchtendes Wort wünschte man als Charakterisierung
dem ganzen Buches vorangesetzt zu sehen:
„Gott wartet auf uns, darum leben wir noch!" (S. 160).
In dem Verlag von J. C. B. Mohr in Tübingen erschien jetzt eine deutsche
Ausgabe des Buches. In dieser Ausgabe ist der Untertitel in „Untersuchungen
zur geistigen und religiösen Krise des Abendlandes" geändert.
Außer einem Vorwort hat das erste Kapitel einen kurzen Exkurs über E.
Jüngers revidierte Haltung zum Christentum erhalten. Sonst sind kaum
Änderungen bemerkenswerter Art vorgenommen. Abgesehen von Wortumstellungen
findet sich nur eine größere Auslassung. Es ist der S. 59 der Oiku-
mene-Ausgabe stehende Abschnitt.
Münster Ratschow
Weg mann, Hans: Gottes Werk und Mitarbeiter. Eine christliche Glaubens
- und Lebenslehre. Bern: Paul Haupt [1944]. 125 S. 8».
Der Verf., ein Schweizer Pfarrer, steht in der Volkshochschul-
bewegung. Seine Überlegungen und Darbietungen wollen mehr
einem anregenden Gespräch, als der kirchlichen Verkündigung
dienen. Das rationale Moment drängt au vielen Stellen die
Bindung an biblische Uberzeugungen in den Hintergrund. Die
satisfaktorische Bedeutung des Sterbens Christi (S. 82) bleibt
unverwertet gegenüber dem „ergreifenden und erschütternden
Beweis für die Wahrheit seiner herrlichen Botschaft", den
Jesus auf Golgatha gegeben hat. Es trifft wohl auch kaum
die Linie biblischer Formulierung, wenn es von Jesus heißt:
„Er bekannte sich bewußt zu seiner edlen Herrschernatur . . .
Es war ihm sehr wichtig, vor dem Gericht des Höchsten zu
bestellen" (S. 53). — Hierhin gehört auch, daß der Verf. Bibelzitate
, die er als solche ausdrücklich bezeichnet (Römer 8, 28),
nach seinem Geschmack und Willen unbegründet umgestaltet
(S. 117). — Doch zur Hauptfrage: wen hat der Verf. als Leser
seines Buches im Auge ? Er deutet das S. 95 an, wenn er von
der Wichtigkeit der Zeit redet, wo wir die Führung unseres
Lebens selbst in die Hand nehmen, in der späteren Jugend.
Um dieser nahe zu kommen, stellt er als Symbol für das Verhältnis
des Menschen zu Gott neben die biblischen Formulierungen
: „Herr und Knecht" — „Vater und Kind" von sich
aus als Neues: „Wirker und Werk", und meint und betont
damit folgendes: „In jedem Geschöpf will der ewige Schöpfer
ein individuelles Urbild oder Ur verwirklichen, das in ihm
und zugleich im Wesensgruude der Kreatur west (S. 18). In
der fortschreitenden Verwirklichung des Urs wird sein
Schöpferdrang gestillt (S. 20). Dem Menschen schenkt Gott
als herrlichste und verhängnisvolle Gabe das Vermögen, sich
seinem Willen zu fügen oder zu widersetzen, an seinem
Schaffen bewußt teilzunehmen oder es zu hindern, mit ihm
an der Verwirklichung seines Urs zu arbeiten oder das heilige
Kunstwerk des Lebens zu vernichten (S. 30). Unser Dienst
bestellt, ganz allgemein gefaßt, darin, daß wir alles meiden,
was der Verwirklichung unseres Urs Eintrag tut, und alles
leisten, was wir zu seiner Gestaltung beitragen können (S. 36).
Denn die Seele west mit allein Reichtum, den sie einmal umschließt
, in unserem Ur und gestaltet sich aus der Kraft
Gottes im Lauf der Jahre und Jahrzehnte (S. 44)". — Daraus
folgert er dann abschließend (S. 123): „Wer Kranken zur Genesung
hilft, Verlassenen eine neue Heimat schafft, Wehrlose
beschützt, bedrohte Jugend rettet oder sich mit aller Kraft
um die schöpfungsgemäße Entfaltung seiner eigenen Gaben
bemüht, erfüllt Gottes Willen wahrer als der Christ, der von
der Sorge um seine ewige Seligkeit erfüllt und beherrscht ist.
Wirleben, um Gottzudienen, nicht, um nach dem Tode selig zu
^verden." Dem möchten wir entgegenhalten, daß, vom
Standort der Bibel angesehen, dies doch eine zum mindesten
stark mißverständliche Ausdrucksweise ist. Aber das ist nicht
etwa eine einmalige unglückliche Formulierung, sondern S. 95
lesen wir dasselbe: „Wir könnten die landläufige Ansicht gelten
lassen, wenn das entscheidende Problem unseres Daseins
lautete: Was muß ich tun, daß ich nach dem Tode vor Gott
bestehen kann und in die ewige Seligkeit eingehe ? Dies
Problem aber erkennen wir vielmehr in der richtigen Mitarbeit
am göttlichen Werk unseres und jeden fremden Lebens." —
Zusammenfassend sei gesagt, daß die Theologie, aus der die
Ausführungen dieses interessant und anregend geschriebenen
Buches gemacht sind, an vielen entscheidenden Stellen sich
weniger mit der der Reformatoren und des Urchristentums
berührt, als mit den Anschauungen, wie sie der deutsche
Idealismus unserer Klassiker bzw. der Neuhunianismus vertritt
. Wer dem zuneigt, wird an diesem Buche viel Freude und
manchen Gewinn haben können.
Marburg Alfred Uckeley
Holmström, 1 'olke: Metodiskinlednlngtillenkristensocialetik.(Mctho-
dische Einleitung zu einer christlichen Sozialethik.) Lund: C. W. K. Oleerup;
Leipzig: Harrassowitz [1943]. 333 S. gr. 8'= Lunds Universltets Arsskrlft-
N. F. l.Abt., Bd. 40, Nr. 2. skr. 10.—.
Das christliche Ethos in seiner ganzen Ausdehnung ist
der Gegenstand, den die theologische Ethik wissenschaftlich
zu erforschen hat. Holmström zeigt nun, daß die theologische