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Ausgabe:

1948

Spalte:

705-714

Autor/Hrsg.:

Althaus, Paul

Titel/Untertitel:

Martin Luther über die Kindertaufe Leipzig, 1948

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Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Unter Mitwirkung von Professor D. Ernst Sommerlath, Leipzig
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR LIC. KURT ALAND, HALLE-BERLIN

NUMMER 12 73. JAHRGANG DEZEMBER 1948

Spalte

Martin Luther über die Kindertaufe.

Von Paul Althaus.................... 705

Personale Geschichtsbetrachtung. Einleitende
Überlegungen zu einer Vorlesung
über Kirchengeschichte der

Neuzeit. Von Hanns Rückert......... 713

Erstes Gebot und Ehre Gottes als Mitte

von Luthers Theologie. Von Franz Lau 719

Zu Dostojewskljs Menschenbild, von

Martin Doerne....................... 729

Zu den Auferstehungs-Geschichten.

Von Johannes Leipoldt............... 737

Spalte

Noch einmal das Weib des Pilatus. Fragment
einer Dämonologie. Von Albrecht

Oepke .............................. 743

Die sozial-ethische Gedankenwelt in Jesu

Verkündigung. Von Johannes Herz... 747

Welche Forderungen ergeben sich aus
der Berücksichtigung unseres heutigen
Weltbildes für den Dogmatiker.

Von Theophil Steinmann............. 751

Die Überwindung des Nihilismus als
Aufgabe der Theologie. Von Hans

Köhler ............................. 755

Spalte

Die Begegnung des Menschen mit seinem

Schicksal. Von Fritz Schulze......... 737

Vom ökumenischen Sinn der Kirche.

Von Heinz Erich Ei sc n hu t Ii........... 759

Geschichte und Gegenwart in der Glaubenslehre
. Von Karl Hennig.......... 761

Von Personen:

Zum 75. Geburtstag von Horst Stephan.. 763
Bibliographie von Horst Stephan (Joachim
Schulze)............................ 766

Zum vorliegenden Heft................ 767

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Martin Luther über die Kindertaufe

Von Paul Althaus, Erlangen

Horst Stephan zum 75. Geburtstag zugeeignet
Kirchengeschichte noch ein zweites unverkennbares Ja zur

Vorbemerkung: Luthers Lehre von der Taufe im allgemeinen wird im

Folgenden vorausgesetzt und lediglich seine Begründung und Verteidigung

der Kindertaufe gegenüber dem Täufertum behandelt.
Quellen: hauptsächlich benutzt sind

die Predigt über Matth. 8, 1 ff. aus der Fastenpostille 1525, WA 17 II, besonders
S. 78 ff. ,

Von der Wiedertaufe, an zwei Pfarrherrn, 1528, WA 26, 144 ff.

Predigten über die Taufe aus dem Jahre 1528, WA 27, 32 ff., 49 ff.

Großer Katechismus, WA 30 I, 218 ff.

Predigten von der Hl. Taufe über Matth. 3,13—17,1535, EA 2. Aufl., besonders
S. 153 ff.

Die Ziffern der Quellennachweise beziehen sich auf die Weimarer Ausgabe
.

Abkürzung: KT = Kindertaufe.

I. Die Begründung des Rechtes der Kindertaufe.

Stark in den Vordergrund rückt Luther gegenüber den
täuferischen Neuerern das Zeugnis der gemeinchristlichen
Tradition; wir könnten im Stile der alten lutherischen Kirche
sagen: die „katholische" Wirklichkeit der Kindertaufe. Das
ist gewiß nicht sein letztes Wort zur Sache, aber sein erstes.

Die KT ist „von Anfang der Christenheit gewesen und
gehalten", sie „kommt von den Aposteln her und hat seit der
Apostel Zeiten gewährt" (26, 155. 167; vgl. 27, 52). Sie ist also
„katholisch", sowohl auf Zeit wie auf Raum gesehen; sie geht
durch alle Jahrhunderte und ist „bei allen Christen in aller
Welt angenommen". Schon durch diese ihre ebenso säkulare
wie ökumenische Geltung hat Gott ein Ja zur KT gesprochen.
Luther macht hier geschichtstheologisch geltend: was nicht
recht ist, das läßt Gott nicht so lange währen, vom Anfang an
bis heute hin; dem schafft er nicht Geltung bei allen Christen
in aller Welt. So hat er alle Ketzereien untergehen lassen, die
viel später aufgekommen sind als die Kindertaufe. Aber diese
hat er erhalten allezeit und überall — „solch Wunderwerk
Gottes zeiget an, daß die Kindertaufe muß recht sein" (26,
167. 168). Allerdings gilt dieses geschichtstheologische Argument
nur bedingt, nämlich nur da, wo die in Frage stehende
Institution nicht wider die Schrift ist. Aber wenn das zutrifft,
gilt das Argument (26, 168, 5 ff.). Die Erhaltung der KT
durch alle Jahrhunderte und in allen Teilen der Christenheit
ist ein Wunder, Gottes Werk. Wo man aber „Gottes Werk
siebet, muß mau ebensowohl weichen und glauben, als wo man
sein Wort höret, es sei denn, daß öffentliche Schrift solch
Werk uns anzeige zu meiden" (26, 168, 5 ff.). Gott hat in der

KT gesprochen, nämlich dadurch, daß er allezeit vielen, die
als Kinder getauft sind, offenkundig seinen Heiligen Geist
gegeben und sie geheiligt hat, bis auf den heutigen Tag.
Luther scheut sich nicht, hier auf die klare Erfahrung hinzuweisen
. Er ist offenbar der Meinung gewesen, daß die Gegenwart
des Heiligen Geistes in einem Menschen sich nicht verkennen
lasse. Der Geist ist kenntlich an seinen Gaben in Lehre
und Leben. Wo man die Schrift auszulegen, wo man Christum
zu erkennen vermag, wo „große Dinge in der Christenheit
" durch Menschen geschehen, da ist Gottes Geist am
Werke. Luther nennt beispielsweise St. Bernhard, Gerson,
Johann Hus; aber er bezieht auch seine Zeit ein: „und heutigs
Tages noch viel sind, an denen man spüret, daß sie den
Heiligen Geist haben, beide der Lehre und des Lebens halben,
als uns von Gottes Gnaden auch gegeben ist, daß wir können
die Schrift auslegen und Christum erkennen, welchs ohne
den Heiligen Geist nicht geschehen kann" (26, 168, 12 ff.;
30 1,218,6 ff.). Ferner ist zu sagen: wäre die KT falsch, wider
Gottes Willen, dann wäre mehr als 1000 Jahre keine rechte
Taufe und damit auch keine Christenheit gewesen, denn ohne
Taufe ist keine Christenheit. Dieser notwendige Schluß steht
aber in unversöhnlichem Widerspruch zu dem Artikel des
Glaubens „Ich glaube eine Heilige Christliche Kirche", zu der
Gewißheit des Glaubens, daß die Kirche nicht untergeht bis
ans Ende der Welt. Dauert demnach die Kirche an, so muß
auch die KT richtig sein. Denn die Kirche hat das wahre
Evangelium und die Sakramente. Wäre ihre einhellige und
ununterbrochene Übung der KT falsch, so würde sie entscheidend
irren und könnte damit nicht mehr die „heilige"
sein — kurz: es gäbe dann in Wahrheit keine Kirche mehr
seit über einem Jahrtausend — was doch angesichts des
Glaubensbekenntnisses unmöglich ist (26, 168 27 ff ■ 27 ««
15, ff.; 301,218, 17 ff.). ' ' '* 3 '

Indessen, wie schon gesagt, diese Argumentation ist im
Sinne Luthers nicht die unbedingte, letztgültige Begründung.
Im Blicke auf das seit den ersten Tagen der Kirche überkommene
ökumenische Erbe gilt: „Man soll nichts umstoßen
oder ändern, was man nicht mit heller Schrift kann umstoßen
oder ändern. Gott ist wunderlich in seinen Werken. Was er
nicht haben will, da zeuget er genugsam von in der Schrift.
Was er daselbst nicht zeuget, das laß man gehen als sein Werk:
wir sind entschuldigt; Er wird uns nicht verführen" (26, 167,
11 ff.). So werden wir von dem Zeugnis der einhelligen

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