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Ausgabe:

1948 Nr. 11

Spalte:

688

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Schrenk, Gottlob

Titel/Untertitel:

Geistliche Vollmacht heute 1948

Rezensent:

Fischer, Martin

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 11

688

etwas Berechtigtes. Durch die verschiedene Definition des ja
biblisch nicht zu belegenden Wortes „Sakrament" wird in der
Tat ein falscher Schein erweckt: es sieht so aus, als ob die
katholische Kirche der Ehe eine größere Würde gebe als die
evangelische, — und dabei hat doch gerade die Reformation
die Heiligkeit der Ehe als göttlicher Ordnung besonders ins
Licht gestellt. Trotzdem ist mir zweifelhaft, ob der vom Verf.
gewünschte Weg gangbar ist. Eine Erlösungsgnade von einer
Segensgnade zu unterscheiden erscheint mir unmöglich.
Gnade ist für den Sünder doch immer an das in Christus gekommene
Heil geknüpft, und in ihr gibt es keine Stufen,
Steigerungen oder Individuationen, sondern nur verschiedene
Auswirkungen. Man kann die Ehe kein Guadenmittel nennen,
wohl aber eine Stätte, an der sich Gottes uns zu teil werdende
Gnade reichlich auswirken kann. So wird man sich wohl damit
begnügen müssen, daß man die Ehe als „heiligen Ehestand"
bezeichnet, das Wort Sakrament aber für die eigentlichen
Gnadenmittel aufspart.

Mit anderen Gedanken bzw. Vorschlägen des Verf.s wird
man sich eher einverstanden erklären können. Z. B. damit,
daß er an die Kirche die Forderung stellt, daß sie den Paaren,
die sich trauen lassen wollen, einen regelrechten Eheunterricht
geben solle, damit sie wissen, was sie eigentlich vor dem Altar
mit ihrem „Ja" bestätigen sollen; die Traurede allein genüge
hier nicht, sondern es müsse doch vorher der Sinn der Ehe
nach ihren verschiedenen Seiten hin den Nupturienten klargelegt
werden. Dementsprechend will er aber für solche kirchlich
eingesegnete Paare (besser, wie es Verf. sehr richtig entwickelt
: von der Kirche unter Gottes Segen gestellte Paare)
auch in der Frage der Ehescheidung der Kirche ein gesondertes
Recht zugesprochen haben. Zweifellos hat ja hier die Kirche
nicht nur andere Maßstäbe als der Staat, sondern vor allem
kann sie auch zur Heilung zerbrochener Ehen noch andere
Möglichkeiten mobilisieren. — Was Verf. zur Frage der Abtreibung
sagt, scheint mir für deutsche Verhältnisse nicht ganz
zu genügen. Wir müssen neben der medizinischen und euge-
nischen Indikation doch heutzutage auch der sozialen Indikation
ein ganz anderes Gewicht geben. Auch ist es mir verwunderlich
, wie wenig in den Gedankengängen des Verf.s das
Argument der Heiligkeit des Lebens an sich eine Rolle spielt.
Dagegen kann man den Ausführungen über die Geburtenregelung
nur zustimmen. Verf. arbeitet überall in im Wesentlichen
zutreffender Weise den Unterschied der evangelischen
von der katholischen Betrachtungsweise heraus, ebenso wie er
die Eigenart einer evangelischen Beurteilungsweise gegenüber
einer weltlichen Verherrlichung verantwortungsscheuen sexuellen
Genusses oder Leidenschaft klar zur Geltung bringt.

Es wären im einzelnen noch manche Anmerkungen teils
zustimmender, teils kritischer Art zu machen. Z. B. fehlt er-
staunlicherweise eine eigentliche Geschichte der christlichen
Beurteilung der Ehe und deshalb auch eine klare Entfaltung
des Unterschieds z. B. zwischen der reformatorischen und der
romantischen Eheauffassuug, die ja doch durch ihre Ubersteigerung
psychischer Anforderungen an die Ehepartner den
modernen Ehezerfall mitverursacht hat. Als Ganzes — das
muß noch einmal unterstrichen werden — handelt es sich aber
um ein sachlich förderndes und wertvolles Buch, für das dem
Verf. Dank gebührt.

Eine ganz ausgezeichnete Ergänzung zu ihm bildet das
kleine Haugsche Schriftchen. Erstaunlich, was auf diesen
wenigen Seiten gesagt wird. Es hat einen völlig anderen Charakter
als das Leenhardtsche Buch. Während L. wesentlich
grundsätzlich klärend arbeitet, ist das Haugsche Büchlein
seelsorgerlich orientiert.

Es zerfällt in zwei Teile. Im 1. Teil wird nach der Ursache
der Ehenöte, wie sie in der Häufung der Ehescheidungen heutzutage
in Erscheinung treten, gefragt: dabei wird besonders
auf die unnormale Art des Eingehens der Ehe, dann aber auch
auf all die Erschwerungen, die (gerade heute gesteigert) den
Alltag der Ehe belasten, hingewiesen. Ein 2. Teil stellt die
Frage: Gibt es Möglichkeiten und Wege aus diesen Ehenöten
heraus ? Dabei wird die Ehescheidung als ein zu bequemer
Weg, als eine Flucht vor Gott, im wesentlichen abgewiesen.
In feiner seelsorgerlicher Weise werden hier zunächst einige
kleine Mittel empfohlen, um einem Auseinanderleben der Ehegatten
vorzubeugen, z. B. gegenseitige Aussprachen, zeitweilige
Trennung, feineres Eingehen auch gerade auf die
sexuelle Eigenart der Ehepartner, Ausschließung jedes Dritten
aus der Ehe. Vor allem aber wird zum Schluß auf die eine
große christliche Möglichkeit der Ehewiederherstellung, der
inneren Erneuerung der Ehe hingewiesen, die sogar unter Umständen
zu einer großen Vertiefung der ehelichen Gemeinschaft
führen kann, nämlich auf den Weg der gegenseitigen Vergebung
aus der Erkenntnis gemeinsamer Schuld. Daß eben,
wie jede Gemeinschaft auf Erden, im Grunde auch die eheliche
Gemeinschaft nur aus der Kraft des Glaubens zu bewältigen
ist, das arbeitet Haug klar heraus.

Jeder Pfarrer sollte sich von diesem Schriftchen einige
Exemplare anschaffen, um sie gegebenenfalls da, wo ihm
Opfer der heutigen Ehenot begegnen, verteilen zu können.
Gerade durch die rückhaltlose Offenheit seiner Sprache, das
feine Verständnis für die heutigen Nöte und die seelsorgerliche
Erfahrung, die hinter ihm steht, ist es für die pfarramtliche
Praxis sehr geeignet.

Heldelberg R. Hupfeld

Schrenk, Gottlob, Prof. D.: Geistliche Vollmacht heute. Basel: Heinrich
Majer [1946J. 32 S. kl. 8».

Eine Darlegung für die Schweizer Kirche, für „ein verschontes
Land inmitten grauenhafter europäischer Hungersnot
", geschrieben, gerade so auch deutschen Lesern wichtig-
Das Büchlein bietet ein durch viel Erfahrung angereichertes
Erwägen der biblischen Grundlage vollmächtigen Zeugnisses
für die Praxis.

Berlin-Zehlendorf Martin Fischer

BERICHTE UND MITTEILUNGEN

Zum Macariustext

In der Theologischen Literaturzeitung vom Juli 1947, Spalte 32, hatte
W. Völker bei der Besprechung meiner Untersuchung „Symeon und Macanus''
die Sorge ausgedrückt, die geplante neue Ausgabe der Texte könnte an der
Ungunst der Zeiten scheitern. Dazu darf ich nun heute berichten, daß wenigstens
zu einem ersten, die sog. Homillen des Macarius bringenden Bande die
Vorarbeiten abgeschlossen sind. Freilich, wie schnell es dann mit dem Setzen,
dem Korrigieren und dem Ausdrucken gehen wird, läßt sich noch nicht überblicken
. Deshalb habe ich es mit Dank angenommen, daß mir einstweilen hier
für einen Nachtrag zu meinem „Symeon und Macarius" der Platz eingeräumt
worden ist.

Meine genannte Untersuchung in den Abhandlungen der Preußischen
Akademie der Wissenschaften 1943, phil.-hist. Kl. Nr. II, hatte zum Ziel, das
Verhältnis der beiden auf uns gekommenen griechischen Überlieferungen festzustellen
, des Textes der Macariushomilien auf der einen und der von Dörries
ans Licht gezogenen Logoi Symeons auf der andern Seite. In bezug auf die
Macariushomilien war dort zunächst durch zahlreiche Belege das scharfe Urteil
Bardenhewers bestätigt worden: „Für die Korrektur des sehr verwah-losten
Textes der editio prineeps ist noch sehr wenig geschehen" (Geschichte der altkirchlichen
Literatur III, S. 89, Anm. 3). In der Tat leidet der gebräuchliche
Text, d. h. Floß' Abdruck von 1860 in Mignes PO 34, noch fast an all den
zahlreichen Fehlern jed«r Art, insbesondere auch an Auslassungen, mit denen
er bereits in der Erstausgabe des Johannes Picus 1599 (n) behaftet ist. Es
war sodann gezeigt worden, daß zum mindesten ein Teil jener Fehler einfach
unter Benutzung von vorhandenen alten Handschriften, einer in Berlin (F)

und einer In Moskau (M), zu beseitigen gewesen wäre. Daß Floß, der doch
selbst die vorher fehlenden Stücke von Homille 5, 6 und 50,4 nebst der
Epistola II aus der Berliner Handschrift hinzufügte, diese im übrigen nie"
zur Verbesserung des Textes benutzt hat, ist kaum begreiflich. Schließlie"
war in meiner Untersuchung an einer ganzen Reihe von Stellen, an denen sie
die Fehler der Erstausgabe ebenso schon in den Handschriften F und
finden, die Verbesserung aus der parallelen Symeonüberlleferung gewönne"
worden. Unberücksichtigt geblieben waren jedoch bei dem Ganzen alle
Fälle, in denen der gebräuchliche Macariustext zwar offensichtlich fehlerha
ist, aber nicht schon durch bessere eigene Handschriften oder auch durch das
Zeugnis der Symeonüberlieferung richtigzustellen war. Nach dieser Rieht""»
möchte ich hier also noch einen Nachtrag bringen.

Der Umstand, daß eine Textstelle uns heute von sämtlichen Zeuge"
übereinstimmend geboten wird, birgt in sich noch keine Gewähr dafür, °3
wir damit auch in jedem Punkte schon das Ursprüngliche besitzen. Auch eine'

einhellig überlieferten Text gegenüber werden die „geübten Organe" vo
Hebr. 5, 14 den Herausgeber gelegentlich Anstöße empfinden lassen, die 1
dann in logischer Folge zum Zweifel an der Richtigkeit des Überlieferten ""
welter zur vermutungsweisen Wiederherstellung dessen führen, was Ursprung
lieh „dagestanden" haben muß. Daß dies auch für den griechischen MacarW
text gilt, daß auch hier manches lediglich auf dem Wege der Vermutung,
durch eine glückliche Konjektur zu heilen Ist, mögen einige Beispiele erweise^
teils aus der Epistola II nach dem alleinigen Zeugen F, teils aus den 50 geis
liehen Homilien nach den Zeugen F M 7t.

Zunächst Beispiele aus der Epistola III: