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Ausgabe:

1948 Nr. 1

Spalte:

672-673

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Fridrichsen, Anton

Titel/Untertitel:

Coniectanea Neotestamentica 1948

Rezensent:

Klostermann, Erich

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 11

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dieser Deutung der Sinn des fivorripiov v.ß. verstanden sein
wird, so wenig überzeugt mich die ungewöhnliche Fassung von
TtapaßoXai und das Gesamtverständnis von 4, 11 b. Die Parallelität
von ScSorai und yipetai (vgl. auch Joh. r, 17!) zeigt,
daß es beidemal um eine göttliche Zueignung, ein Zuteil -
werden geht {yiveo&cu. also nicht = Avau; gegen Jeremias), iv
naqaßoXais bezieht sich also, wie besonders Mt. 13, 10 ganz
richtig verdeutlicht, auf die parabolische Lehrweise und darf
nur im Sinne der Verstockungstheorie verstanden werden, der,
wie der Verf. weiterhin zeigt, Markus im Unterschied zu den
andern Evangelisten auch im folgenden treu bleibt.

Richtig scheint mir die Feststellung, daß die Deutung der
Parabel (4, 12 ff.) ursprünglich mit der Verstockungstheorie
nichts zu tun gehabt hat, daß 4, 10 eine ältere Einleitung

(etwa: xai iqcl)Xiav avrbv oi Tteql atrdv xrjv TtaQaßoXtjV), die sich

auf die Zuhörerschaft Jesu bezog und in 4, 13 ihre Fortsetzung
hat, durch eine neue Einleitung, die im Blick auf v 11—12
formuliert ist und die Zwölf herausstellt, überlagert ist, daß
aber auch diese Deutung erst der Urkirche angehört, wie der
absolute Gebrauch von b Xöyoz und die christliche Terminologie
im einzelnen zeigt. (Vollständige Nachweise auch bei
Jeremias, a. a. O. S. 49 ff.) Dagegen wird man fragen müssen,
ob der vom Verf. angegebene Scopus der Sämannsparabel,
nämlich der Gedanke, daß so, wie die Ernte von der Beschaffenheit
des Bodens abhängt, auch die Wirkung der Worte
Jesu von der Verfassung derer abhängt, die ihn hören (S. 39),
nicht der psychologisierenden Tendenz der Deutung erlegen
ist. Jeremias scheint mir den ursprünglichen Sinn der Parabel
richtiger erfaßt zu haben. Die Parabel steht wie die andern
Gleichnisse von c. 4 unter dem Kontrastgedanken: trotz des
Mißerfolges der Aussaat kommt die Ernte mit überschwäng-
licher Fülle.

Die folgenden, wiederum ursprünglich selbständigen Bildworte
und Sprüche (4, 21—25) hat Markus ebenfalls auf „das
Wort" bezogen, das, wenn es recht, d. h. im Glauben gehört
wird, an den Hörenden seine erhellende, offenbarende, beschenkende
Funktion vollbringt. Die Gleichnisse von der
Saat (4, 26—29) und vom Senfkorn (4,30—32) haben auch nach
der Auslegung des Verf .s ihre gemeinsame Pointe in dem Kontrast
zwischen dem unscheinbaren Anfang und dem gewissen,
herrlichen Ende des Gottesreiches (nicht im Sinne der Entwicklung
, sonders des Wunders), sie beziehen sich also nicht
nur auf das Wort, sondern auf die ßaoiltia, von der das Wort
Kunde gibt. Aussaat und Ernte sind aber gleicherweise für
den Sinn des Gleichnisses entscheidend. Ich würde freilich
nicht bestreiten, daß 4, 26—29 in dem avxofidtri der Scopus
der Parabel enthalten sei, und kann die Meinung, daß die Untätigkeit
des Bauern bis zur Ernte ein Gleichnis sei für das
Verhalten Gottes, der nach der Offenbarung seines Reiches
in Jesus bis zu seiner Vollendung nichts mehr tut, nur für
eine unglückliche Allegorese halten.

Dagegen ist die Herausarbeitung der Themen des ganzen
Gleiclmiskapitels: JcLsus annoncait la parole (S. 49 ff.) und la
parole doit etre ecoutee (S. 51 ff.) mit ihrer sorgfältigen Zusammenstellung
und Interpretation der Begriffe löyog und
dxovetv und ihrer Verknüpfung mit dem Verstockungsge-
danken des Markus dem Verf. überzeugend gelungen und, wie
ich denke, der wichtigste Ertrag seiner Studie.

Göttingen O. Bornkamm

Meinertz, Max, Prof. Dr.: Die Gleichnisse Jesu. 4. Aufl. Münster:
Aschendorff 1948. 94 S. 8°. Kart. DM2.50.

Die Veröffentlichung von Meinertz über die Gleichnisse
Jesu ist, wie das Vorwort berichtet, aus der Vorbereitung
eines Vortrags erwachsen, den der Verf. auf einer Pilgerfahrt
ins Heilige Land im Jahre 1910 vor dem Kreise der Fahrtteilnehmer
halten wollte, aber infolge einer Änderung des
Reiseplanes nicht halten konnte. Er hat dann den Vortrag
erheblich erweitert und 1916 in 1. und 2. Auflage, 1920 in
3. Auflage erscheinen lassen. Die 4. Auflage (1948) ist ein, abgesehen
von Verbesserungen, Ergänzungen und Streichungen,
im Wortlaut unveränderter Abdruck. Man muß sich, will man
der Arbeit gerecht werden, diese beiden Tatsachen vor Augen
halten: daß sie erstmalig vor mehr als 30 Jahren erschien und
daß sie für einen breiteren Kreis geschrieben ist. In lebendiger
Darstellung wird dem Leser ein umfassender Überblick über
die Gleichnisse Jesu in fünf Abschnitten geboten: §1. Der
Begriff des neutestamentlichen Gleichnisses; §2. Die Erklärung
der Gleichnisse; §3. Die Echtheit und Originalität
der Gleichnisse; §4. Die künstlerische Schönheit der Gleichnisse
; § 5. Der Zweck der Gleichnisse. Ein Anhang bringt ein
dankenswertes Verzeichnis der Gleichnisse, das mit Recht den
Rahmen weit spannt und auch die an Vergleiche angrenzenden
Stücke sowie das johanneische Material einbezieht.

Mit Vorstehendem ist bereits angedeutet, wo die Schwäche
der Arbeit liegt: die neueste Fragestellung wird man in ihr vergeblich
suchen. Nach Jülichers überragendem Werk über Die
Gleichnisreden Jesu (I 1888, II 1899) war längere Zeit — wie
oftmals nach grundlegenden Untersuchungen — in den Arbeiten
über die Gleichnisse keine wirklich neue Problemstellung
aufgetaucht. Aber dieses Bild hat sich seit dem ersten
Weltkriege entscheidend verändert. Einerseits zwang die
formgeschichtliche Forschung dazu, die literarkritische Arbeit
wieder mit vollem Ernst aufzunehmen, andererseits wiesen
englische Forscher einen Weg zum Verständnis der Gleichnisse
, der grundlegend über Jülicher hinausführte. Hatte
Jülicher im Kampfe gegen die Willkür der allegorischen Ausdeutung
die Ansicht vertreten, daß man jedem Gleichnis
jeweils nur einen möglichst allgemein zu fassenden Lehrsatz
entnehmen dürfe, und auf diese Weise Jesus zum Weisheits-
lehrer gemacht war, so forderten A. T. Cadoux (The Parables
of Jesus, their art and use, 1931) und vor allem C. H. Dodd
in seiner bahnbrechenden Untersuchung: The Parables of the
Kingdom (1935), daß versucht werden müsse, jedes Gleichnis
Jesu aus der einmaligen konkreten Situation des Lebens Jesu
zu verstehen. In seiner Arbeit: Die Gleichnisse Jesu (Zürich
1947) hat der Rezensent dann den Versuch gemacht, beide
Forderungen zu verbinden und durch Herausarbeit der Ausgestaltungen
, denen die Gleichnisse in der Urkirche unterlagen
, ihre ursprüngliche Gestalt herauszustellen und auf
Grund des Ergebnisses die Botschaft Jesu an Hand seiner
Gleichnisse darzustellen.

Bleibt M.s Buch auch in der alten Problemstellung befangen
, so bietet es doch auch heute noch manches Anregende.
Ich darf einige Beobachtungen nennen, die mir besonders
wichtig waren: Schon im AT findet sich im Nathangleichnis
vom Reichen Mann und dem Schäflein des Armen 2. Sam. 12,
1—15 (vgl. noch 2. Sam. 14, 4—21) die verschleiernde Glcich-
niserzähiung, bei der der Hörer zunächst nicht merkt, daß ihm
selbst das Urteil gesprochen wird, so auch Mth. 21, 28 ff•>
33 ff. (S. 38), wozu noch Lk. 7, 41 ff. hinzuzufügen ist. — Im
Johannesevangelium haben wir (außer 10, 1 ff. und 15, 1 ff )
noch eine Reihe kurzer Gleichnisse: das Gleichnis vom Wind
(3, 8), vom Bräutigam und der Braut (3, 29), vom Knecht
und dem Sohne (8, 35), vom Weizenkorn (12, 24), vom ge'
bärenden Weibe (16, 21 f.) (S. 46). — Zu den die alltägliche
Erfahrung überschreitenden Zügen ist zu bemerken, daß in
den orientalischen Erzählungen der Begriff der Wahrscheinlichkeit
nicht sehr hoch gefaßt wird, ohne daß die Zuhörer Anstoß
nehmen (S. 46 Anm. 6). — Wichtig ist der Hinweis auf
das Problem der Fusion von Gleichnissen (S. 52 zu Mth. 22,
1—13), da Fusionen häufiger vorzuliegen scheinen (vgl. z. B-
Lk. 13, 24—30; 19, 11—27). — Wiederholt wird auf palästinisches
Lokalkolorit hingewiesen: am See Genezareth wird
die Senfstaude 3—4 m hoch, sonst nur im Jordantale und an
besonders begünstigten Stellen der syrischen Küste, nicht dagegen
auf dem Gebirge (S. 62 zu Mth. 13, 31 f.); der Beduffl*
legt die Lämmer auf die Schultern, um ihre Beine zu schonen
(S. 62 f. zu Lk. 12, 5), ruft die Tiere bei Namen (S. 63 »j
Joh. 10, 3); der Feigenbaum verliert im Unterschied zu den
sonst in Palästina überall wachsenden Oliven, Steineichen
und Johannesbrotbäumen im Winter sein Laub und reckt
seine kahlen, weißgrauen Äste in die Luft, weshalb er SKM
besonders zum Bild für die Wiederkehr des Lebens eignet
(S. 73 zu Mth. 24, 32 f.). — Manche Gleichnisse Jesu sind so
naturwahr erzählt, daß man an tatsächliche Begebenheiten
zu denken hat (S. 64 zu Lk. 10, 36 ff.; 16, 19 ff.; Mth. 24.
43 f.); auch den ungerechten Haushalter (Lk. 16, 1 ff.) würd
ich hierher stellen.

Göttingen Joachim Jeremias

Coniectanea Neotestamentica edenda curavit Anton Frldrlch«en.

Contribuerunt A. Fridrichsen, R. Höistad, H. Kiesenfeld, O. Rudberg-
Uppsala: Seminarium Neotcstamenticum, 1944. 48 S. gr. 8°. Kr. 3.

Erst jetzt kann an dieser Stelle von einer bereits 1944
erfolgten Veröffentlichung aus den Arbeiten des theologische
Seminars zu Uppsala berichtet werden: von einem Hefte, <l°»
Debrunner, dem bekannten Neubearbeiter der Blaßscne
Grammatik des NT-Griechisch, zu seinem 60. Geburtstag
gewidmet ist, ■aiuHtf

Fast die Hälfte nimmt eine mit ausführlicher BiW 1
graphie ausgestattete stilistisch-psychologische Untersuclnii k
Riesenfelds ein, die von dem "JCXh/aiv te xai ßaqß'H' '
Rom. 1. 14 ausgehend — wo die Verkopplung zweier Gege ^
Sätze die Totalität der Menschheit ausdrücken will — *^l5L.
samte NT-Material an „polarer Ausdrueksweise", an "Is-?e_
trärbildungen" oder wie die Bezeichnungen sonst lauten, j>
handelt. — Es folgt eine Reihe kürzerer Beiträge. Zunacn