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Ausgabe:

1948 Nr. 11

Spalte:

651-660

Autor/Hrsg.:

Preiss, Théo

Titel/Untertitel:

Die Kindertaufe und das Neue Testament 1948

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 11

652

fahr der Gleichmacherei auf dem Wege der Verwaltung in
Unterdrückung des in der Geschichte geschenkten Reichtums.

b) Die Gefahr der sich abschließenden Konfessionskirchen
: Die Kirche geht in die Defensive, verhärtet
sich in ihrer Angst, nicht mehr dieselbe bleiben zu können,
die sie war, sie verkrustet nicht nur in ihren von Gott geschenkten
Gaben, sondern sie konserviert in dieser Verkrustung
zugleich ihre konkreten Untugenden und verkümmert
in einer unbußfertigen und sich von der Freude des
Sichwiederfindens ausschließenden Isolierung. Der Weg zu
ökumenischer Zusammenarbeit muß zwischen diesen beiden
Gefahren hindurchgehen. Beide Gefahren sind klar gesehen
in dem Beitrag von Oliver Tomkins zu dem schwierigen
Problem der regionalen oder der konfessionellen Zusammensetzung
des ökumenischen Rates. Weder die regionale noch
die konfessionelle Gliederung wird allein maßgeblich sein
dürfen, und eine fruchtbare Verbindung beider Prinzipien ist
auch praktisch möglich. Auf jeden Fall ist entscheidend für
die ökumenische Begegnung: Die Freiheit in der Gemeinschaft
und die Gemeinschaft in der Freiheit. Es ist entscheidend, daß
die Gewissen gelöst, nicht daß sie bedroht werden, daß sie
geistlich überführt, nicht daß ihre Probleme übergangen oder
geleugnet werden. So könnte ich mir denken, daß ich einen
Griechisch-Orthodoxen, der mir das Abendmahl verweigert
aus letzter Sorge um die Heiligkeit des Leibes Christi und um
meine Würdigkeit, mehr als Bruder empfinde, als einen
anderen, dem das Abendmahl so unwichtig geworden ist, daß
die Abendmahlslehre und die Abendmahlsgemeinschaft für
ihn gar kein Problem mehr darstellen. Entscheidend in der
ökumenischen Arbeit ist, daß wir uns mitverantwortlich
wissen für die Gewissen der anderen. Als Ziel muß uns dabei
vorschweben eine sich emander öffnende Mannigfaltigkeit der
Kirchen, der die Abendmahlsgemeinschaft und die gegenseitige
Anerkennung der Ämter mehr und mehr geschenkt
wird. Ziel darf nicht eine gleichgemachte Einheit sein, nicht
eine Übertragung des römischen Begriffs der Einheit in Lehre
und Jurisdiktion auf die Ökumene, sondern eine Einheit
in der v Mannigfaltigkeit. Ziel kann nicht eine Aufhebung
der Konfessionen, sondern muß eine Gemeinschaft der Konfessionen
sein, in der eine jede mit den ihr vom Herrn in Geschichte
und Gegenwart verliehenen Gaben den anderen dient
und in der eine jede ihre eigenen Schranken durchbricht und
ihre Irrtümer korrigiert.

Auch diese beiden Gefahren sind in den Vorbereitungsarbeiten
für Amsterdam klar gesehen worden, und man darf
auf Grund der Verhandlungen und Beschlüsse von Amsterdam
fest damit rechnen, daß der Ökumenische Rat seinen
Weg durch diese Gefahren mitten hindurchgeht.

VIII. Der Ökumenische Rat als Diener der einen
Kirche auf ihrem Wege zur Parusie des Herrn.

Was ist das Wesen des Ökumenischen Rates ? Wir gingen
aus von der Dialektik, die Visser't Hooft in seinem bedeutenden
Beitrage aufgezeigt hat. Darüber hinaus führt er aus:
Aus dem Dilemma von Una Sancta und Büro führt der Weg
des Glaubens, der Hoffnung, des Gebetes, der Arbeit und wir
dürfen erwarten, daß der Rat zum Mittel wird in Gottes Hand
für die Darstellung der Einheit der Kirche. Der Ökumenische
Rat ist so eine Methode und ein Werkzeug, durch das die Una
Sancta in Erscheinung tritt, wann immer es Gott gefällt. Es
wird hierbei mit der Möglichkeit des Redens des Geistes in
seiner Mitte immer wieder fest gerechnet. Alle diese Aussagen
befinden sich in einer Bewegung des Eilens, haben eine eschato-
logische Struktur, sie sind keine Seinsaussagen, sondern Aussagen
der glaubenden Erwartung des göttlichen Handelns —
und dies ist richtig!

Man könnte das, worum es geht, auch so ausdrücken:
Der Ökumenische Rat ist der Diener der Una Sancta. Die
Una Sancta aber ist keine Aufgabe, kein Ziel, kerne Idee,
sondern sie ist Wirklichkeit, und zwar ist sie für mich als
Lutheraner Wirklichkeit in der Kirche Augsburgischen Bekenntnisses
: in ihr glaubend, lebend, bekennend schaue ich
aus nach der Kirche in den anderen Konfessionen, suche und
erkenne sie hier und dort wieder am Evangelium und an den
Sakramenten. Bei diesem Ausschauen, Suchen und Finden
will uns der Ökumenische Rat diakonos im neutestamentlichen
Sinne sein. Nun spricht das Neue Testament von mancherlei
diakoniai: Von der Zur-Verfügungstellung des Hauses für den
Gemeindegottesdienst über die Armenbetreuung bis hin zur
Prophetie. Die alte Kirche nennt so z. B. die Ämter des
Türöffners, des Begleiters des Bischofs und so fort bis hin zum
Bischof selbst. Zu welchem Dienst Gott den Ökumenischen
Rat gebrauchen will, wissen wir noch nicht, ob nur als Hilfswerk
, als Organisation kirchlicher Begegnungen oder als Prophet
. Die I. Sektion der Weltkirchenkonferenz hat daher bewußt
auf eine theologische Wesensbestimmung des Ökumenischen
Rates verzichtet. Entscheidend ist ein letztes Offensein
der Kirche für Gottes Rufen und Wirken, ein fürbittendes
Erwarten, daß Gott durch diesen Diener selbst uns dienen
will. Dies alles gilt in der klaren Erkenntnis, daß wir dem
Richterstuhl Christi entgegengehen und daß wir dann mit
unserer Konfessionskirche zur Rechenschaft gezogen werden
für alles Abweichen von der einen Wahrheit und der Liebe.
,,Wir gehen an unsere Arbeit im Ökumenischen Rat der Kirchen
in Bußfertigkeit für das, was wir sind, und in der Hoffnung
auf das, was wir sein werden" (24).

Die Kindertaufe und das Neue Testament1

Von Theo Preiß, Montpellier

Bevor wir in das Thema eintreten, ist es wichtig, sich
zwei geschichtliche Tatsachen vor Augen zu führen,' die die
Methode betreffen:

I.

Es würde wenig dem Neuen Testament entsprechen, die
Kindertaufe zu einer zentralen und wesentlichen Frage zu

') Eine Vorlage, die der Taufkommission der Reformierten Kirche Frankreichs
übermittelt wurde, erschienen in „Verbum Caro", Revue theologique et
ecclesiastique, Vol. I, Nr. 3, August 1947. Diese Seiten erheben weder darauf
Anspruch, eine erschöpfende Darstellung der biblischen Grundgedanken, noch
eine systematische Abhandlung zu geben. Sie stehen im Rahmen der Arbeiten
der Taufkommission der Reformierten Kirche von Frankreich und wollen diese
Arbeiten nur in bestimmten Punkten vorantreiben, die m. E. vernachlässigt
worden sind. Zudem sind manche sehr bedeutsame Seiten des Problems der
Taufe überhaupt nicht erwähnt oder nur eben gestreift worden.

Es wäre bedauerlich, wenn die Frage in unsern Synoden mit dem noch
weit verbreiteten theologischen Dilettantismus behandelt würde, der glaubt,
sich das Studium der neuen Literatur schenken zu können. Hier eine Reihe
der wichtigsten Werke:

Joachim Jeremias: Hat die älteste Christenheit die Kindertaufe geübt?
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1938.

Hans Windisch: Zum Problem der Kindertaufe. Zeitschrift für neutesta-
mentliche Wissenschaft 1929. Vol. 28, S. 119 ff.

Albrecht Oepke: Artikel ßänxoi im Theol. Wörterbuch zum Neuen Testament
I , S. 527—544.

OscarCullmann: Lestracesd'uneformulebaptismale, in: Revued'Histoire
et de Philosophie religieuses. Strasburg 1937. 8.424^.

machen. Man mag über die Haltung der Urkirche denken wie
man will — sicher ist, daß sie weder die zwangsweise Durchführung
noch die Abschaffung der Kleinkindertaufe für notwendig
befunden hat. Doch ist die Frage sehr bald akut geworden
: Sowohl die Proselytentaufe wie die Einweihungsriten
der Mysterienreligionen konnten an ganz kleinen Kindern
vollzogen werden1.

II.

Wenn heute die Frage ohne jeden Zweifel mit der des
Corpus Christianum verflochten wird, dann darf man nicht
vergessen, daß die Kindertaufe erst zu Konstantins Zeit allgemein
durchgeführt worden ist. An sich ist sie in der Kirche

Oscar Cullmann: La signification du bapteme dans le Nouveau Testament
, in Revue de Theologie et de Philosophie. Lausanne 1942. S. 121 ff.

Oscar Cullmann: Urchristentum und Gottesdienst (Abhandlungen zur
Theologie des Alten und Neuen Testaments, Nr. 3). Basel: Heinrich Maier 1944.

Karl Barth: Die kirchliche Lehre von der Taufe (Theol. Studien, Nr. 14).
Zollikon-Zürich: Evangelischer Verlag 1943.

F.-J. Leenhardt: Le bapteme chretien, son origine, sa signification.
Cahiers theologiques de l'Actualiti protestante, Nr. 4. Neuchätel: Delachaux &
Niestie 1944.

H. Großmann: Ein Ja zur Kindertaufe. Zürich: Zwingliverlag 1944.

Emmanuel Kellerhals: Die Tauffrage auf dem Missionsfeld. (127. Jahresfest
der Basler Mission.) Basel: Verlag der Basler Missionsbuchhandlung 1942.

Ethelbert Stauffer: Die Theologie des Neuen Testamentes. 2. Aufl.
Genf: Oikumene 1945 (S. 139—141 u. Anm.).

') Vgl. Jeremias.