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Ausgabe:

1948 Nr. 10

Spalte:

611

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Clemen, Otto

Titel/Untertitel:

Unbekannte Drucke, Briefe und Akten aus der Reformationszeit 1948

Rezensent:

Weber, Hans Emil

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 10

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humanistischen Pazifistenzirkel, zu dem in Bern Heinrich
Wölflin (Lupulus), Berchtold Haller und der oben genannte
Lienhard Tremp gehörten, im heftigen Abscheu vor allem
Blutvergießen und in der religiösen Stimmung, die sich im
schweizerischen Raum mit der Renaissance eines tieferen
Nationalempfindens verband. Desto tragischer ist sein frühes
Ende bei Biccocca in Sizilien, das ihn aus dem Zwielicht der
Zeitenwende nicht mehr hinaustreten ließ.

München Heinrich Hermelink

Clemen, Otto: Unbekannte Drucke, Briefe und Akten aus der Reformationszeit
. Leipzig: Otto Harrassowitz 1942. VIII, I12S.gr. 8» =
73. Beiheft zum Zentralblatt f. Bibliothekswesen. RM 8.—.

Wer in eigener Forschung sich je bemüht hat um uner-
schlossene Quellen des Reformationsjahrhunderts, wie es gerade
auch für die Dogmengeschichte dringendste Notwendigkeit
geworden war, versteht das Urteil, daß eine Fortsetzung
der alten Repertorien „eine viel notwendigere und lohnendere
Arbeit" gewesen wäre als die gewiß auch „höchst dankenswerte
Zusammenstellung hauptsächlich der neueren Literatur"
(Schottenloher). Möchten solche Meister der Quellen- und
Bücherkunde wie O. Clemen nicht aussterben! Die vorliegende
Auslese bringt u. a. Bericht und zum Teil Abdruck von unbekannten
bzw. wenig bekannten Traktaten Melanchthons, besonders
„Die fürnemistenUnterscheid zwischen reiner Christlicher
Lere Evangelij, Und der Abgöttischen, Papistischen
Lere" von 1539 und Sätze über das gleiche Thema von etwa
1550, Melanchthoniana unter anderem Namen (Gedichte),
Beiträge von J. Jonas' Ubersetzertätigkeit, ein Pasquill auf
A. Osiander, das diesen vermeintlichen Retter der echten
lutherischen Rechtfertigungslehre in grelles Licht rückt, und
zuletzt eine Tarnung von Luthers Kleinem Katechismus in
lateinischen Distichen aus dem Augsburg der Interimszeit.
Geilenkirchen-Bonn H.E.Weber

Bornkamm, Heinrich: Philipp Melanchthon. Zur 450. Wiederkehr seines
Geburtstages. Lüneburg: Heliand-Verlag [1947]. 16 S. 8" - Heliand-
Heft74. RM—.20.

Die kleine Schrift will in weiteren Kreisen das Interesse
für Melanchthon wachrufen. Mit anderen Männern der Reformationszeit
teilt er das Schicksal, im Schatten eines Größeren,
Luther, zu stehen. Das wird in dem Fehlen einer dem heutigen
Stand der Forschung — analog der Weimarer Lutherausgabe —
entsprechenden Edition seiner Werke deutlich. Auch die
wissenschaftliche Literatur über Melanchthon steht qualitativ
und quantitativ weit hinter der über Luther zurück. So hat
auch Melanchthons 450. Geburtstag in- und außerhalb der
evangelischen Kirche nicht die Beachtung gefunden, die
diesem Reformator zukommt. Um so verdienstlicher ist die
Schrift Bornkamms. Sie gibt in gedrängter Kürze, aber dabei
die wesentlichen Züge seines Lebens und Wirkens hervorhebend
, ein eindrucksvolles Bild Melanchthons und seiner Bedeutung
für das 16. Jahrhundert und darüber hinaus bis zur
Gegenwart. Mit Recht weist der Verf. darauf hin, daß in dem
Verhältnis zwischen Luther und Melanchthon Luther ihm sein
Schicksal wurde. In den Jahren 1518—1524 laufen beider
Lebenswege parallel. Melanchthon wird in seinen Loci com-
munes der Interpret lutherischer Theologie. Es ist Geist vom
Geist Luthers, der hier zum Ausdruck kommt. Wenn Melanchthon
unter dem Eindruck der Wittenberger Unruhen,
des Bauernaufstandes und der Mißstände, die er bei seinen
Visitationsreisen entdeckte, Gefahren für die Bildung seiner
Zeit sah, und darum der Humanimus sich wieder stärker bei
ihm geltend machte, so ist das Verhältnis zwischen den beiden
Reformatoren nicht getrübt worden. Aus der Sturm- und
Drangperiode entwickelte sich „eine tiefe und starke Gemeinschaft
.

B. spricht dann von den Schatten, die Melanchthons
Bild für die Nachwelt getrübt haben, nachdem dieser sich in
der zweiten Hälfte seines Lebens in der Epoche des Kampfes
um die Reformation (seit 1530) auf ein Gebiet begeben hat,
wofür er wohl Neigung, aber nicht die entsprechenden Gaben
hatte. Nach Luthers Tod wurde es deutlich, daß er nicht
imstande war, die Last der Verantwortung für die evang-
lische Kirche zu tragen. Seine humanistische Friedensliebe
führte zu Kompromissen, die ihm die grimmige Gegnerschaft
strenger Lutherschüler einbrachten und seinen Lebensabend
verdüsterten. Um so heller erstrahlen seine Verdienste, die
er um die Neugestaltung des Pfarrerstandes, des Schulwesens
, besonders der Universitäten und der Wissenschaft,
erworben hat.

Gewiß hat Melanchthons Drang nach einem universalen
System des Geistes, woran Luther nicht interessiert war, zu
Abweichungen und Unterschieden von der lutherischen Lehre

geführt, aber damit ist er nicht zum Verderber lutherischer
Verkündigung geworden. B. weist mit Recht darauf hin, daß
Melanchthon, auch wenn er bestimmte Lehrstücke lutherischer
Theologie pädagogisch verkürzt und abgeschliffen
hat, sie eben dadurch zukünftigen Geschlechtern überliefert
hat. Sein Erbe ist der christliche Humanismus. Evangelisches
Christentum steht auf reformatorischem Boden, wenn
es die Kultur bejaht. — Melanchthons Bedeutung läßt es erwünscht
erscheinen, daß zunächst eine wissenschaftliche Ausgabe
seiner Werke ähnlich der Clemen-Luther-Ausgabe geschaffen
werde.

Berlin Walter Delius

Schmidt, Kurt Dietrich: Luther lehrt beten. Lüneburg: Heiiand-Verlag
1946. 16 S. 8° = Theologie und Verkündigung. Gemeinverständl. Vorträge
u. Abhandl. RM—.80.

Im November 1944 hat der Verf. einen Vortrag über
dieses Thema gehalten, der in der Schrift vorliegt. Sie'hat
praktische Bedeutung. In den Kriegsnöten soll der Hinweis
auf Luthers Beten Hilfe sein. Wenn sie hier besprochen wird,
so ist die Tatsache maßgebend gewesen, daß die Schrift in
die Tiefe der Frömmigkeit Luthers führt. Insofern ist sie ein
beachtlicher Beitrag zur Beurteilung Luthers. Es wird hier
deutlich, daß Luther von der Not des natürlichen Menschen
weiß und sich nicht scheut, „von dieser seiner Not und dieser
seiner Anfechtung ruhig zu reden . . .". Der Verf. legt wesentlich
Luthers Schrift: „Eine einfältige Weise zu beten" (W. A-
35) und den Gr. Katechismus zugrunde. Es kann im Rahmen
eines Vortrages nicht erwartet werden, daß das Problem m
seiner ganzen Tiefe und Größe behandelt wird. Wer dies beabsichtigt
, muß zu Darstellungen, wie D. Vorwerk: „Gebet
und Gebetserziehung" I 1913; R.Wagner: „L.s Gedanken
über das Gebet" (Luther. Mitt. d. Luthergesellschaft H. */?
1938 oder H. Preuß: M. L. Der Christenmensch", S. i,#9 "
1942, um nur die wichtigsten zu nennen, greifen.

Berlin Walter Delius

Calvin, homme d'eglise. Oeuvres choisies du reformateur et docurnetits
sur les eglises reformees du XVIe siecle. Geneve: Editions Labor [1936]'
X, 321 S. 8» = VIe centenaire de la reformation ä Geneve. Schw. Fr. 4.*0,
Die Sammlung enthält ausgewählte Stücke aus dem Werk
Calvins und unter seinem Einfluß entstandene Urkunden zu
Lehre und Ordnung der von ihm geformten Kirchen: beides
ausgesucht unter dem im Titel ausgesprochenen Gesichts'
punkt: zu zeigen, daß und wie Calvin ein „Mann der Kirche .
„der außerordentliche Erbauer der Kirchen" gewesen ist. Sie
entstand anläßlich des 400jährigen Gedenkens an die Genfer
Reformation; aber der Blick der Herausgeber ging gleich'
zeitig auf die kämpfenden Kirchen ihrer Gegenwart, deren
Probleme sie als denen Calvins vergleichbar ansahen. Im ein'
zelnen handelt es sich um folgende Stücke: 1. Die „ArticleS
de 1537" ( ■ Barth-Niesel, I, 369 ff.), 2. die „Confession de 1*
foi" des gleichen Jahres (B.-N. I, 418 ff.), 3. die „Ordonnance»
ecclesiastiques" (1541) in der endgültig in Genf angenommene'
Form (vgl. CR. X, i, 15 ff. und die dort im App. angeführte»
Ergänzungen). Daran schließt sich 4. der Diensteid der Genf?
Prediger und 5. die Ordnung für die der Genfer Seigneuri
unterstehenden Landgemeinden (1546) an. Diesen, auf d>
äußere Ordnung der Kirche zielenden Stücke folgen solche z
entscheidenden Punkten kirchlicher Lehre, so 6. Calvin
Referat in der Congregation sur l'election eternelle vom 18.1 ö
1551 samt den sich daran anschließenden Urteilen der übrige
Genfer Prediger (vgl. CR. VIII, 85 ff.). Es folgt 7. der Con'
sensus Tigurinus, eingeleitet durch den Brief Calvins an d
Zürcher Theologen vom 1. 8. 1549, nach der französisch^
Genfer Ausgabe von 1551; ferner die gegen Westphal 8cIJcst
tete Defensio sanae et orthodoxae doctrinae (1555) (lat. Te
CR. IX, 1 ff.), diese beiden Stücke zusammengefaßt u'it
dem Titel „Accord sur les sacrements". — Calvins Stetig
zur römischen Kirche, vielmehr seinen klaren seelsorgerlich
Rat an die Gläubigen in katholischen Gebieten zeigt 9- /*5
„Kleine Traktat, was ein gläubiger Mensch, der die Wahn1
des Evangeliums erkannt hat, tun soll, sofern er unter PaP*fj2
wohnt" (1543) (CR. VI, 537 ff.), gefolgt 10. von dem Eri'
gleichen Inhalts von 1540. — Die nächste SchriftcngrnPjj.
umfaßt Schreiben an politisch verantwortliche Person" {
keiten und Körperschaften: so 11. das „Mahnschreiben l
die Reformation der Kirche" an Eduard Seymour, damalig
Regenten von England (1548; = ep. Nr. 1085; CR. 1
64 ff.), 12. die an den jugendlichen Heinrich von Navnrr"
richtete zweite Fassung des Widnuingsbriefes zum Pentaten
kommentar (1563) (lat. Text - ep. Nr. 3998, CR. XX, i'6
13. das Dedikationsschreiben zu dem Kommentar über' ^
Evangelienharmonie an Bürgermeister und Rat zu Fra