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Ausgabe:

1948 Nr. 10

Spalte:

605-606

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Rothert, Hermann

Titel/Untertitel:

Das tausendjährige Reich der Wiedertäufer zu Münster ... 1948

Rezensent:

Stupperich, Robert

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Seite 1

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605

Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 10

606

Werden vorgelegt, aber auf der Kanne lassen sich nur zwei
Wörter mit Sicherheit erkennen (MTN - Gabe) und ALT
(» Elath), auf der Schale nichts. Das ist um so bedauerlicher
, als die hier auftretenden Schriftzeichen zu den alt-
sinaitischen gehören, an denen die Wissenschaft immer noch
herumrätselt. Den Schluß bilden eine Warnung für Epi-
graphiker (ein englischer Brief eines Fellachen an Miß Tufnell),
eine Untersuchung der gefundenen Knochen, Listen der Verweise
auf die Bibel und der Gegenstände, die in das Museum
nach Jerusalem gekommen sind, ein Index und die wundervollen
Tafeln.

Wenn auch nicht alle Fragen, die dem aufmerksamen
Leser kommen, hier beantwortet werden, so ist das Werk doch
ein besonders reicher Beitrag zur Geschichte der Bronzezeit
P Palästina. Am meisten entbehrt man die bestimmte Angabe
, welcher Gottheit der Tempel geweiht war, aber das ist
nicht Schuld der Ausgräber, die ihre Aufgabe mit der größten
Gewissenhaftigkeit erfüllt haben. Man möchte nur wünschen,
daß nach Beendigung der Unruhen und des Kampfes in
Palästina eine Zeit der Ruhe und Sicherheit kommt, die es
erlaubt, solche Untersuchungen mit bestem Erfolge wie bisner
weiterzuführen. Der Wellcome-Marston-Expedition danke
teh jedenfalls auch an dieser Stelle verbindlichst für gütige
Zusendung der beiden Bände.

Dresden Peter Thomsen

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Rothert, Hermann: Das Tausendjährige Reich der Wiedertäufer zu
Münster 1534—1535. Münster: Aschendorff 1947. 46 S. m. 1 Abb. 8».
Kart. RM 1.20.

Mit der vorliegenden Darstellung des „Münsterischen
Aufruhrs" bringt der Verf. mehr als nur eine Leseprobe aus
Seiner noch ungedruckten „Westfälischen Geschiente". Die
Veröffentlichung dieses Abschnittes aus einem größeren Werk
nat insofern ihre Berechtigung, als die Herrschaft der Wiedertäufer
in Münster nicht nur der Landesgeschichte Westfalens,
sondern der gesamtdeutschen Geschichte angehört. Dieser
.Sonderdruck kann daher auf allgemeines Interesse rechnen,
^as kleine Bändchen bringt zugleich den Nachweis, daß von
uer Landesgeschichte her auch neues Licht auf einen in der
jUlgemeincn Geschichte des Reformationszeitalters ausgiebig
behandelten Gegenstand fallen kann.

Die Kennzeichnung der äußeren und inneren Lage der
Stadt Münster vor der Reformation, die Unruhen von 1525
JPd die endgültige Einführung der neuen Lehre führen in die
^esamtsituation vor den entscheidenden Ereignissen ein. Der
Verf. weiß die an der folgenden Entwickelung meistbeteiligten
Männer wie Rottmann und Knipperdolling treffend zu charakterisieren
. Ohne sich auf die theologischen Einzelheiten einzulassen
, berichtet er von Rottmanns Stellungswechsel von
der lutherischen zur zwinglischen Auffassung und sucht von
^}er aus die inneren Voraussetzungen für seinen Anschluß an
P* von Süden und Norden zugleich vordringende Täufer-
oewegung aufzuweisen. Die von Rottmann entworfene Münsterische
Kirchenordnung, die bereits in der Tauf- und Abend-
jnahlsfrage die extreme Haltung verriet, mußte daher von den
'essischen Theologen beanstandet werden. Die Frage, ob
r°ttmann mit den Gedanken Melchior Hoffmanns schon vorder
bekannt geworden oder erst durch die vertriebenen Prädi-
?anten aus dem Jülichschen in diesem Sinne beeinflußt worden
.st. bleibt freilich noch ungeklärt. Dieser Zusammenhang muß
noch besonders untersucht werden. Nicht unwesentlich ist
Uabei der Unterschied, daß, während der schwäbische Enthu-
5**t selbst in diesen Jahren „das himmlische Jerusalem" in
praßburg erwartet, seine niederdeutschen Schüler in nüchterner
Art die sich ihnen in Münster bietende Gelegenheit
^greifen, um die eschatologische Hoffnung des Meisters durchsetzen
. Die Gefangennahme Melchior Hoffmanns in Straß-
°Urg mußte für die Täufer zum Fanal für ihre Lage im Reich
Verden.

o. Parallel zu den theologischen Kämpfen zeichnet der Verf.
J^e ständischen Kämpfe, die schließlich den Ausschlag für das
Rottmann haltencle kleinbürgerliche Element bringen. Der
ersuch des Landgrafen Philipp, durch theologische Unter-
Nutzung die Position des lutherischen Teils und damit des
ates zu festigen, erweist sich als unzureichend. Die hem-
nngslose Art der durch Holländer und Friesen stark verehrten
Sektenprediger setzt sich zusehends durch und bringt
jff? Wiedertäufertum mit einem Schlage zum Siege. Aus den
^ tRenössischen Chroniken wird das Bild von der Aufrichtung
u s Täuferreichs unter den beiden „Propheten" Jan Matthys
g.u seinem Nachfolger Jan Bockelson anschaulich entworfen.
°°hso deutlich wird die trotz verschiedenartiger Interessen

einmütige Uberzeugung der Nachbarfürsten und schließlich
der Reichsstände, dem neuen „Königreich" mit Gewalt entgegentreten
zu müssen. Mit der Schilderung der Belagerung
Münsters wird die Darstellung der Aufrichtung einer kommunistischen
Ordnung in der belagerten Stadt verbunden. Das
früher durch Ranke und Cornelius entworfene Bild wird durch
Einzelzüge bereichert. Auch in der Deutung der Vorgänge
weicht der Verf. von den älteren Darstellungen ein wenig ab.
Vielleicht hätte die Umwelt mit ihren divergierenden politischen
Intentionen noch stärker in die Darstellung einbezogen
werden können, was anhand der fürstlichen Verhandlungen
und der Bestimmungen der Wormser Versammlung vom April
1535 leicht zu machen wäre. Sein anderthalbjähriges Bestehen
verdankt das Wiedertäuferreich schließlich doch nur der
schwachen und energielosen Haltung der Stände gegenüber
der von hier drohenden politischen Gefahr.

Der Verf. wirft abschließend die Frage auf, wer die Schuld
für den Münsterischen Aufruhr trage. Das Ergebnis, zu dem
der Verf. kommt, geht dahin, daß neben den von allen Seiten
zugewanderten Fremden aus dem Lager der Wiedertäufer die
eingesessene Bevölkerung einen zum mindesten gleichen Anteil
daran hatte.

Das gut fundierte und lebendig geschriebene Büchlein
läßt die baldige Veröffentlichung des größeren Werkes desselben
Verf.s wünschenswert erscheinen. Die geschmackvolle
Ausstattung des vorliegenden Teiles, dem eine Wiedergabe
des bekannten Stiches des Täuferkönigs von Aldengreve
beigegeben ist, sei noch besonders hervorgehoben.

Münster Robert S t u p p e r i c h

Veil, Wolfgang H., Prof.Dr.: Paracelsus. Zum 400.Todestag, 24. September
1941. Jena: Oustav Fischer 1942. VII, 30 S. mit 2 Abb. gr. 8". RM 1.60.

Seit dem „Jubiläumsjahr" 1941 ist in mancherlei Weise
„mit mancherlei Art der Stimmen in der Welt" des Paracelsus
gedacht worden. Die Theologie muß es freudig begrüßen,
daß die kritische Paracelsusausgabe Karl Sudhoffs, des
großen Historikers der Medizin, dem die allgemeine Geistesgeschichte
zu höchstem Dank verpflichtet ist, des Biographen
und Herausgebers der medizinischen Werke des Paracelsus,
ihre nur mit einem Band von Matthisson begonnene theologische
Fortsetzung nunmehr durch Goldammer finden wird. (Für das
umfangreiche theologische Schrifttum des Paracelsus hat
Sudhoff eine eigene, der ersten gleichgestellte Abteilung vorgesehen
.) Hat doch der große wie von einem Dämon von Ort
zu Ort, von Land zu Land, von den Alpen bis nach Norwegen,
von Spanien bis Konstantinopel getriebene Arzt Jahre und
Jahre in der Heimat seines Alpenlandes mit Schrift und Wort
in untrennbarer Einheit von seinem Arztberuf als Verkünder
der frohen Botschaft gewirkt. „Er schrieb und schrieb. Ober
tage- und nächtelang schrieb ? Denn er mußte Buchstaben
zum Buchstaben fügen, Wort zum Wort, Satz zum Satz, um
Bände zu füllen. Freilich die Worte schössen heraus wie die
Kugeln aus dem Gewehr. Sie pfiffen und heulten in grimmigschwäbischem
Ton. Aber sie trafen ins Schwarze — viele
Worte von ewiger Bedeutung" (Veil S. 19). —

Die theologischen Schriften des P. sind noch nicht einmal
gesichtet. Aber wes Geistes er war, das zeigt für den, der
sich darein versenkt, auch sein medizinisches Werk. Die Einheit
und Universalität seiner Persönlichkeit meißelt in kongenialer
Intuition und gleichzeitig sorgfältigster Forschungsarbeit
die vorliegende Schrift heraus. Der durch sein Werk
über den Rheumatismus, zuletzt aber besonders durch seine
von Beobachtungen an Kriegsverletzten ausgehenden Forschungen
über die Abhängigkeit innerer Krankheiten vom
zentralen Nervensystem und Stammhirn bedeutende und weit
bekannte 1946 allzufrüh dahingeschiedene Jenaer Kliniker
W. H. Veil bietet in der vorliegenden Schrift die Gedenkworte
, die er im Auditorium seiner Klinik an seine Ärzte
und Studenten richtete. Die Schrift läßt uns an einer Kollegstunde
teilnehmen, die in ihrer Kürze die gesammelte Summa
aus Forschen und Erleben, aus fachwissenschaftlicher Arbeit
und geisteswissenschaftlicher Vertiefung langer Jahre bietet.

Die Würdigung des Forschers und Arztes P. ist in kunstvoller Weise in
die packende Schilderung seines Lebens verwoben. Diese Methode der Synopse
des persönlichen Schicksals und des geistigen Werks ist dieselbe, die der Verf.
in vorbildlicher Weise auch in seinen glänzenden Pathographien Schillers und
Goethes anwandte (Schillers Krankheit, 1936; Goethe als Patient, 1939;
2. ergänzte Aufl. 1946).

Im Paracelsusvortrag Veils rauschen die Wälder unter den Mythen
des Schwyzer Kantons als erste Umwelt des jungen Arztsohnes auf, der
sein Leben lang aus dem einzigartigen Verhältnis zu seinem Vater — „der
mich nie verlassen hat", sagt P. — Kraft und Richtung gewann. Indem
der Redner uns sodann auf die Höhen und In die Bergwerke Kärntens
führt, zeigt er, wie P. ehrfürchtig die Natur zu belauschen und zugleich