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Ausgabe:

1948 Nr. 10

Spalte:

600-601

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rowley, Harold H.

Titel/Untertitel:

The relevance of the Bible 1948

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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599

Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 10

600

tismus angesehen. Hier wird H.s kritische Haltung gegenüber
den Heilsweissagungen begründet. Sie werden nur da für
echt gehalten, wo es psychologisch möglich ist. Unechtheit
liegt vor, wenn der Bußruf fehlt, wenn das Heil „materialistisch
" beschrieben ist und wenn Juda bzw. Jerusalem gegenüber
Israel ungebührlich hervortritt. Auf Grund dieser drei
Kriterien fallen für H. wesentliche Stücke bei Hosea, der
Amosschluß, Micha 4 ff., Ez. 38 f., selbst die messianischen
Weissagungen Jesajas dahin. Hier würde schon eine Auseinandersetzung
mit der religionsgeschichtlichen Schule Gunkels
zu anderen Ergebnissen geführt haben; vor allem hätten sich
die Dinge anders dargestellt, wären theologische Gesichtspunkte
statt der psychologischen zur Geltung gebracht worden.
Der Satz von der göttlichen Planung, der, besonders bei
Jesaja, zu positiverer Beurteilung der Heils Weissagungen
führt, wird S. 114 erwähnt — They saw both doom and hope
within the purposes of God —; doch weitergehende Folgerungen
werden daraus nicht gezogen. Die Drohworte gelten dem Verf.
mehr „conditional" als „categorical"; von hier aus wäre das
eigentliche theologische Gespräch mit dem Verf. zu führen.
H.s Argumentation ruht auf der später gebrachten Bemerkung
über den Gott der Propheten: „His own nature is moral".
Das ist richtig; Gott droht und verheißt nicht ohne Grund;
aber er bedarf der Ansage der Gründe für keines von beidem!

Im 7. Kapitel „The prophets and ritualism" spricht sich
H. in dem Sinne aus, daß sie nicht der „purification", sondern
der „elimination" des Kultus das Wort reden. Das wird vor
allem begründet mit der Beziehung des Opferwesens zu dem
von den Propheten bekämpften Heidentum. Hierbei hätte
man gern eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen der
Kultprophetie. In Kapitel 8 „The patriotism of the prophets"
wird nicht nur zu der subjektiven Haltung der Propheten zu
Volk und Staat, sondern überhaupt zu dem wichtigen Punkt
des prophetischen Offentlichkeitswirkens Stellung genommen;
ihre politische Einstellung wird gekennzeichnet als „a Compound
of hard realism and bold interpretation of God's will"
(S. 142). Ausgezeichnet ist hier die Verankerung des prophetischen
„Patriotismus" in dem Universalismus ihrer Botschaft.
Ein besonders gelungenes Kapitel ist das neunte „God of the
prophets". Mit Recht betont H. zu Eingang, daß die Propheten
keine systematischen Theologen sind, noch auch die
Theologie der Hebräer geschaffen haben. Die prophetischen
Aussagen über Gott sieht er durch die fünf Tatsachen ber
zeichnet: One God, A moral God, A spiritual person, Controller
of nature and history, Sovereign Lord. Hier finden sich
sehr feine und originelle Gedanken. Auch der 10. Abschnitt, der
über die prophetische Ansicht von Sünde und Vergebung handelt
, ist sehr bedeutsam. Er beginnt mit dem Satz: „The Old
Testament is more often concerned with sins than with sin".
Das Wesen der Sünde wird von den dafür verwendeten Begriffen
her in durchaus zutreffender Weise dargestellt. Von
der Vergebung wird gesagt, sie ergebe sich aus dem Wesen
Gottes, „um seinen Namens willen"! Hier scheinen die Dinge
theologisch anders, wir würden meinen, richtiger gesehen zu
sein, als in Kapitel 6. — Ein Schlußabschnitt „Prophetic reli-
gion" faßt die Hauptgedanken zusammen.

Das Buch ist mit guten Registern und einer Reihe von Anmerkungen
versehen, die sich mit Fachliteratur auseinandersetzen
. Daran, daß in der benutzten Literatur die deutsche
zurücktritt, wird sichtbar, wie sehr wir uns gegenseitig durch
den tiefen Graben des Krieges für eine Zeit aus den Augen
verloren hatten. Zur positiven Würdigung des Ganzen seien
noch zwei Bemerkungen gemacht. Dem Verf. ist daran gelegen
, die Prophetie in das Gesamtgefüge der Bibel, einschließlich
des NT, hineinzustellen, ein Anliegen, das auch der
bei uns vorhandenen Situation entspricht; der Prophetismus
ist eben nicht als ein bloß historisches Problem zu fassen und
darzustellen. Der Weiterführung der Linien dienen hier besonders
die Partien, in denen die „Erfüllung" besprochen
wird. Damit hängt ein Zweites zusammen: in einer solchen
Darbietung der Prophetie wird der unmittelbare Bezug zu dem
Hörer nicht nur einer bestimmten Zeit hergestellt, sondern zu
dem Hörer überhaupt, also auch dem heutigen. Das tut das
Buch nicht in dem primitiven Sinne einer „praktischen Auswertung
", sondern von der Botschaft selber aus. Der amerikanische
Leser wird das dankbar verspüren und das Buch mit
Gewmn lesen. Es ist erfreulich, wie hier mit glücklicher Hand,
m guter Form, mit umfassender Kenntnis und aus der Ergriffenheit
von der Sache her das zentrale Gebiet alttestament-
licher Theologie zur Gestaltung gelangt ist.

Kiel H.W. Hertzberg

Rowley, h. h.: The Relevance of the Bible. New York: The Macmillan

Comp. 1944. 192 S. 8».
— The Relevance Of ApOCalyptiC. A Study of Jewish and Christian Apo-

calypses from Daniel to the Revelation. 2nd Ed. London u. Redhill: Lutter-

worth Press 1947. 205 S. 8".

Die Bedeutung der Bibel für unsere Gegenwart aufzuzeigen
, das ist die Aufgabe des ersten der beiden vorliegenden
Bücher, das sich damit an einen über die Theologen weit hinausreichenden
Leserkreis wendet. Dringender denn je bedürfen
die Menschen und die Völker unserer Tage der durch
die Bibel vermittelten und in der Selbstmitteilung Gottes
durch Jesus Christus gipfelnden Offenbarung und einer auf
ihr gegründeten Lebensführung. Solch religiös-praktische
Haltung der Bibel gegenüber schließt deren historischkritische
Erforschung keineswegs aus, vielmehr bedingt und
ergänzt beides sich gegenseitig. In 8 Kapiteln — Die Bibelwissenschaft
im Wandel der Jahrhunderte, Die Inspiration
der Bibel, Die Propheten des Alten Testaments, Die Einheit
der Bibel, Der Gebrauch der Bibel, Der Gott der Bibel, Der
biblische Begriff der Sünde, Person und Werk Christi — wird
das im einzelnen dargelegt.

Nachdem das erste Kapitel den Hauptunterschied der
gegenwärtigen Bibelauffassung von der früherer Zeiten dahin
bestimmt hat, daß dynamisch-historische Schau an die Stelle
statisch-systematischer Aufreihung getreten ist, beantwortet
das zweite die Frage, ob und in welchem Sinne von einer Inspiration
der Bibel die Rede sein darf, wobei besonders daS
AT in Betracht gezogen wird. Dies — so die Antwort — m
weder ein rein göttliches noch ein bloß menschliches Buch,
sondern weist ein Ineinanderverwobensein göttlicher und
menschlicher Züge auf, indem es darstellt, wie die menschliche
Erfahrung von Gott wächst und wie die menschliche Antwort
auf den Anruf Gottes immer klarer wird. Im übrigen ist das
AT am NT zu messen. Alles im AT über Gott Gesagte, w38
mit der in Christus gegebenen Gottes-Offenbarung übereinstimmt
, stammt wirklich von Gott. Dies, daß Gottes Offenbarung
im AT durch Menschen, die ihre Besonderheiten und
Schwächen haben, vermittelt ist, wird besonders an den Pr°"
pheten erkennbar. Daß sie tief in die Geheimnisse von Gottes
Wesen und Walten eingedrungen sind und dies den folgenden
Geschlechtern verkündet haben, steht ebenso fest wie dies,
daß ihre Verkündigung immer durch das persönliche Wesen
der einzelnen Propheten bedingt ist und darin ihre eigenartige
Kraft und ihre Beschränkung zugleich hat. Das vierte Kapite'
zeigt die Einheit von AT und NT nicht nur daran auf, daß
Jesus ganz im AT wurzelt, sondern auch an einer Tatsache
wie dieser, daß manche im AT vereinzelt nebeneinander
stehende Gedanken im NT zu einer höheren Einheit verbunden
werden, wie etwa die Gedanken vom Messias, vom Menschen'
söhn und vom leidenden Gottesknecht, die in Jesus ihre Erfüllung
gefunden haben. Dann — so das fünfte Kapitel — wir"
die Bibel recht gebraucht, wenn man bei aller Schätzung
dessen, was sie der Wissenschaft an Material und an Au*"

faben bietet, dessen eingedenk bleibt, daß sie uns nicht AUS'
unft geben will über physikalische oder historische Tat'
Sachen, sondern daß sie eine unseren Glauben und ulise^
Leben bestimmende Botschaft Gottes darstellt. Das wird <J
den im AT erzählten „Wundern" veranschaulicht. Manch?
von ihnen — wie Richter 5, 20; Jos. 10; x. Sam. 14 — Wjl
solcher Art, daß hier von Naturkräften die Rede ist, die Got
verwendet, um zu seinem Ziele zu kommen und seinem V^H
zu helfen, sind also gar keine „Wunder". Bei anderen, wl.
Elias Versorgung durch die Raben und die Errettung der dfe
Gefährten Daniels aus dem Ofen bleibt der hohe religiös
Wert, der Offenbarungscharakter der von ihnen handelnden
Erzählungen auch dann bestehen, wenn diese als Dichtungen
erklärt werden müssen. Denn ihrem religiösen Anruf zu de
hier dargestellten Glaubenshaltung kann sich kein empfängj
liches Gemüt entziehen. Kraftvoll stellt das sechste Kaprtf
die Züge heraus, die der Gott des AT mit dem des NT gemein'
sam hat; und nicht minder eindrucksvoll ist die Darlegung
dessen, was AT und NT über das Wesen der Sünde zu saß^,
wissen. Ihren Höhepunkt aber erreicht die Darstellung in den
von Person und Werk Christi handelnden Schlußkapit(j
Nachdem das völlige Einssein des Menschen Jesus mit seiriefe
Gott und die ihm dadurch zufließende Fähigkeit, an"*^
Menschen zu Gott zu erheben, beschrieben ist, wird
Kreuzestod Jesu gewürdigt. Nicht Theorien von Satisfakti
und dergleichen helfen hier weiter, sondern nur Offenheit l
das, was Millionen und aber Millionen am Kreuze Jesu erfahr
haben und erfahren, daß es nämlich einerseits die mensch»^
Sündhaftigkeit in höchster Potenz, anderseits die unergrün,
liehe Liebe und Vergebungsbereitschaft Gottes offenbart nn
zugleich Kräfte der Heiligung ausstrahlen läßt.