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Ausgabe:

1948 Nr. 9

Spalte:

553-554

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Bolkovac, Paul

Titel/Untertitel:

Seelsorge und Sprache 1948

Rezensent:

Melzer, Friso

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 9

554

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Jacob, Günter, Generalsuperintendent Llc: Die Verkündigung der
Kirche in der gegenwärtigen Not. Heriin: Christlicher Zeitschriftenver-
'ag 1947. 26 S. gr. 8" = Hefte der Besinnung Nr. 9. DM2.80.

Diese eindringliche Schrift geht von der Überzeugung
aus daß es nicht angeht, zuerst eine Analyse der offenkundigen
und vielfältigen gegenwärtigen Not zu versuchen, um dann
Folgerungen für die Verkündigung darauf aufzubauen. Vielmehr
ist der Akt der Verkündigung selbst die entscheidende
Aufdeckung und Enthüllung der Not, und In gewissem Sinne
*ann man die kleine Schritt von J. als einen unmittelbaren
erweis dieser These verstehen. So, wie sich Christus das Geweht
menschlicher Not enthüllte, indem er dem „Gewaltigen
aus.dem Abgrund" gegenübertrat, so wird „im Lichtkegel der
christlichen Verkündigung alle gegenwärtige Not als Not
P*B in der Stunde der Versuchung von Dämonen angefallenen
Renschen entdeckt". Indessen vermeidet J. doch klar, in jene
J-'änionologie auszuweichen, die heute zur Mode wird, sondern
«acht deutlich, daß es um einen Ruf an den Menschen geht,
jler seine Verantwortung, Wandlung und Heimkehr zum Ziele
°at. Er zeigt, wie die „babylonische Weltbaumeisterei" von
lästern nur die Kehrseite des nihilistischen Chaos ist, wie
*vybris und Apathie zusammengehören. Sie stellen den
••Teufelskreis" dar, in dem der Mensch so oder so sich verstockt
.

Die Aufgabe der Verkündigung ist es, die Menschen aus
Ujesem Bann zu lösen. Das wird nicht möglich sein, ohne eine
Klare Erkenntnis der Schuld im geschichtlichen Leben dieser
all' Ii s'cnerl: das Verständnis dieses Bußrufes sowohl gegen
|Jle Versuche der Selbstrechtfertigung wie gegen alles billige
^andhaben öffentlicher Bußbekenntnisse, vor allem auch
j?egen die weitverbreitete Form einer neuen falschen Prophetie,
jjlf' W'-e zuvor ul3cr die „offenbare" gnädige Führung, so jetzt
aber die „offenbare" Gerichtsstunde genau Bescheid zu wissen
*or«ibt. Mit allem weitet J. den Begriff der Verkündigung

Us- Es geht nicht nur um eine neue Form der Predigt, sondern
SP Zeugnis, Gebet und Dienst, fia^rvuia, Xenov(iyta und

'"""• 'n, also um einen ganzen Einsatz. Ob die Kirche hoffen

arf. daß diese „politische" Verkündigung ihr künftig eher
genommen wird als zuvor ? Sie darf nicht darauf rechnen,
gw hat aber in dieser Lage, die ja nicht räumlich begrenzt
J V und für die hier aufbrechenden Verantwortlichkeiten die

'rehen auch in anderen Ländern in Anspruch zu nehmen.

as Wächteramt der Kirche ist zu einer ökumenischen Sache
geworden.

da ,rjas Gewicht der hier andeutend wiedergegebenen Gedanken
der angezeigten Schrift spricht selbst für deren Wert.
Güttingen Wolfgang Trillhaas

Olkovac, Paul, P. S. J.: Seelsorge Und Sprache. Nürnberg: Sebaldus-

Verlag [1946], 79 S. kl. 8«. DM2.50.
q. In meinem Buch „Unsere Sprache im Lichte der Christus-

'''libarung" (1940) habe ich in § 30 „Von der Predigt" über
^"e drei Quellen der Predigt-Sprache" geschrieben: Gottes
j».?rt — die Sprache des Predigers — der Wortschatz der

°rer. Dabei habe ich kein Hehl daraus gemacht, daß wir
j> ail.gelischen Theologen, so sehr wir uns um die erste Quelle
o Pühen, die zweite und dritte außer acht lassen, sehr zum

c«aden unserer Predigtarbeit,
ein 1>ie vorlicKCIKle Schrift eines Jesuiten setzt an der Stelle
sta Y° c*er Verkündiger sich an seine Hörer wendet und ver-
'. anden werden möchte. Er gibt zunächst den Brief eines
LeK11 Menscnen wieder, der ihm zuruft: Tretet in unser
v Den — geistig — ein und sprecht so zu uns, daß wir Euch
nik ,cn- >-Ks Iic'Kt nicht am 20. Jahrhundert und der Tech-
(j.K "nd den Staatsfornicn, sondern daran, daß dir geistige und
, ° geistliche Welt nichts mit der tatsächlichen zu tun hat
Üeute" (S. 12).

(j; Die vorliegende Schrift will in dieser Not der Verkiin-
S(,pUngs-Theologle dienen. Das geschieht in zwei Hauptab-
|jtn,,'tten: „Wechselnde Perspektiven" und „Von der Idee zu
J<a 11 m "' Im crsten Hauptteil zeigt Verf., wie Paschasius
Scj 'hertus und Bernhard von Clairvaux dieselbe Christusbot-
Scl'a 111 jewt'i's anderer Weise verkündigten, weil die Men-
tcti C^CS 9' u I2- Jahrhunderts eine andere Anrede brauchst
' Daran erweist er den Grundsatz: Verkündigung hat keine
ein. "7° ','tsla1^. sondern geschieht stets in der Begegnung mit
eiiin" ''''^' "''ber, das sich wandelt. „Das Ceterum censeo für
Sq],0 Verkündigung, die unter ihren Hörern ein Echo finden
ist 'lu*'0* a'so: Man horche auf das, was im Menschen lebendig
Not 11 sucne '''c' z,e'c ihrer Sehnsucht und die Quellen ihrer
aufzufinden und bahne von dort aus den Weg zum

Ewigen" (S. 27). Die geistige Lage des in der Verkündigung
anzuredenden Menschen sieht er heute in dem Wort „Weltfrömmigkeit
" abgebildet. Die drei „ Schlüsselbegriffe" lauten:
„Transzendenz, Humanitas, Eschatologie" (S. 28).

Der zweite Hauptteil „Von der Idee zu den Bildern" ruft
auf, in der Verkündigung eine bildhafte Sprache zu reden.
Verf. bemüht sich dann, angesichts der drei Wörter Sünde,
Erlösung und Kirche nachzudenken, wie der Verkündiger
diese Wirklichkeiten aussprechen müsse und könne. Er fordert
eine „elementare und plastische Sprache" (S. 65). Leider ist
es ihm selber nicht gelungen, in seinem eigenen Stil diese
Forderungen zu verwirklichen. Und das müßte doch das erste
sein, wenn man ihm Glauben schenken und seinen Worten
folgen sollte.

Die Gedanken dieser Schrift sind für jesuitisches Denken
bezeichnend. Dem evangelischen Theologen gelten sie nur
dann, wenn zuerst, also als die erste Station aller Bemühung
um Predigt und Verkündigung, Gottes Wort in der Heiligen
Schrift genannt wird. Erst wer hier seine Pflicht getan hat,
darf zur zweiten und dritten Frage, zur zweiten und dritten
Quelle der Predigtsprache, von der ich eingangs sprach, fortschreiten
.

Und dann muß immer und immer wieder gesagt werden:
in dieser dreifachen Bemühung kann der Verkündiger nur
unter der stetigen Bitte dem Heiligen Geist dienen. Ohne
diese innerste Ausrüstung bleibt alles andere Bemühen ohne
Frucht.

Adelberg Friso Melzer

FiSCh, Ernst-Emil, Pfarrer: Beichtspiegel. Neuntägige Beichtvorbereitung
nach den 10 Geboten in Anlehnung an Luthers Schrift „Wie man beten soll".
Auf Grund der Vorarbeiten zur Kirchenkreis-Evangellsation in Berlin-
Brandenburg 1946/47 der unter Leitung von Kirchenrat Dr. Wenzel stellenden
Bruderschaft für Märkische Evangelisation. Berlin: Christi. Zeitschriftenverlag
[1947]. 117 S. kl. 8» = Hefte der Besinnung Nr. 6. RM 3.90.

Fischs Beichtspiegel bietet eine auf 9 Tage verteilte
Beichtvorbereitung nach den 10 Geboten unter reichlicher
Hinzuziehung von Luther-Zitaten und unter Verwendung von
Löhes Beichtfragen. Für jedes Gebot wird der Inhalt als
Lehre, Dank, Beichte und Gebet entfaltet. Die richtende,
aber auch ratende Kraft der Gebote wird bezeugt zur Uberwindung
der „anomia". An Stelle der „billigen Gnade" (Bon-
hoeffer) tritt die Gehorsam schaffende Gnade des Gottes, der
das Gesetz selbst erfüllte, um ihm zur Erfüllung zu verhelfen.
Die volle theologische Einlagerung tritt zurück. Der Beichtspiegel
lehrt mit reichen Hinweisen auf die Schrift den triplex
usus legis.

Fisch trägt dazu tradierte Anleitungen zusammen und
fügt neue Fassungen bei. Nicht jedes Luther-Zitat erreicht
die Allgemeingültigkeit des Kleinen Katechismus. Das Vokabular
des Patriarchalismus legt ein historisierendes Verhältnis
zur bezeugten Sache nahe. Man wünschte sich einen neuen
Wurf in einem Guß. Gerade die Welt der 10 Gebote ist nachdrücklich
unsere heutige Welt, für die manches tradierte Bild
unbrauchbar geworden ist, weil über der Verachtung der
Beichte der Kontakt mit der Gewissenssprache der Väter abgerissen
ist. Die Vielzahl der Zitate bringt die Einmütigkeit
der Kirche, die nicht die Rechtfertigung der Sünde, sondern
die des Sünders meinte, an den Tag. Es ist kein Zweifel, daß
Glieder der christlichen Gemeinde, insbesondere junge, entschiedene
Christen das Büchlein aufmerksam verwenden
werden. Es ist sachlich und theologisch gesund und bietet in
Fülle, was Gewissen unterweisen kann.

Kleinere Bedenken: Den Pfarrerstand sollte man nicht
als „Obrigkeit der Kirche" bezeichnen (S. 61 u. 65). Harald
Diem hat vor Jahren in der Evangelischen Theologie den Gebrauch
des Obrigkeitsbegriffes für Kirchenleitung schon gerügt
; hier ist er vollends mißlich. — Den Staat sollte man nicht
„Schöpfungsordnung Gottes" nennen (S. 55). Die Schrift
bietet Obrigkeit als das von Gott eingesetzte Regiment, das
sie nicht aus dem Status integritatis ableitet, sondern aus der
die gefallene Welt bewahrenden Einsetzung durch Gott.

Der Beichtspiegel hilft in dem Kampf mit dem herrschenden
Antinomismus. Partien wie S. 74 ff. zeigen, wie einfältige
christliche Sätze im politischen Leben verloren gingen, obwohl
sie jeder Beichtspiegel hätte enthalten können. Luthers
Anweisung zur Einzelbeichte, Löhes „Beichte für Konfirmanden
und Konfirmandinnen", Luthers Haustafel u. a. sind
beigefügt. Für Unterricht in den Geboten und zum Gebrauch
in Familien ist das Büchlein brauchbar. Es schreit nach der
— diese Beichtpraxis allein gesundhaltenden — Predigt des
Evangeliums, die von Sünde-vergeben und -behalten weiß,
weil sie die „teure Gnade" kennt.

Berlin-Zehlendorf Martin Fischer