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Ausgabe:

1948 Nr. 9

Spalte:

552

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Diétrich, Suzanne de

Titel/Untertitel:

Le dessein de Dieu 1948

Rezensent:

Schweizer, Eduard

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 9

552

zückung und 4. gnadenfeindlichem Naturalismus und naturfeindlichem
Supranaturalismus. Es liegt nahe, welche in der
Moderne wirksame Gedankenwelten dabei in die kritische
Zange genommen werden. Es sind vorab Materialismus, Naturalismus
, es sind Nietzsche, Klages und besonders Rosenberg
. Daß im Zusammenhang mit letzterem die Lehre der
„sog. Reformatoren", besonders Luthers, genannt wird und
eine bis zur Primitivität vereinfachende Darstellung erfährt,
bildet einen Schatten auf der Schrift, der man sonst in vielen
Aussagen nicht ohne Zustimmung folgen möchte.

Demgegenüber arbeitet nun Galling von vornherein mit
ganz anderen Kategorien. Er trägt die Lehre vom Menschen
weder dogmatisch noch philosophisch vor und sein einziger —
wenn man will: apologetischer — Bezug ist das gemeinsame
Interesse an einer Wiedergewinnung der Humanität. Er leitet
den Leser an, das Bild des Menschen aus der Schrift zu gewinnen
. Die Darstellung bekommt dadurch etwas Fließend-
Lebendiges. G. setzt beim Schöpfungsbericht ein und zeigt,
wie hier die Sonderstellung des Menschen in der Kreatur sofort
zum Ausdruck kommt, indem der Mensch in der Belebung
durch Gottes Schöpferodem wird und wie fortan sein Sein ein
unselbständiges ist. Nur von Gott selbst wird er im Dasein
erhalten, von ihm am Ende zurückgerufen. Leben ist nur, wo
Gott redet (Matth. 4, 4!). Wichtig ist, daß G. hierbei die viel
mißbrauchte Lehre von der Imago Dei biblisch berichtigt:
Das „Bild" bedeutet eine Repräsentation eines Abwesenden.
Der Mensch ist „Mandatar Gottes" auf Erden. Aber alle
Linien dieser biblischen Lehre vom Menschen laufen schließlich
auf den homo peccator hin. Dies ist „das anthropologische
Urdatum der Schrift". „Indem der Mensch sich Gott nicht
verdanken will, wiederholt er den Ungehorsam des ersten
Menschen". So deutlich G. nun die Totalität dieser Aussage
macht — das Sündersein ist nicht auf bestimmte Gebiete beschränkt
—, so zeigt er zugleich, wie der Mensch als der von
Gott erkannte, im Leben erhaltene, auch der angenommene
ist, wie der Sünder in den homo justificatus verwandelt wird.
Aber die ganze Anthropologie hat doch erst darin ihre entscheidende
Zuspitzung, daß Paulus Christus als das wiedergebrachte
„Ebenbild Gottes" sichtbar macht. Christus ist der
Inaugurator einer neuen Menschheit. Von Christus ist in
einem tiefen Sinne das „Ecce homo" zu Recht gesprochen.
In allem wird unvermittelt die biblisch-theologische Darstellung
, die übrigens von einem reichen Apparat von Anmerkungen
begleitet ist, zu einer Existenzanalyse und erweist
dadurch nicht nur in ungezwungener Weise ihre Aktualität,
sondern auch die Fruchtbarkeit des Ansatzes.

Göttingen Wolfgang Trillhaas

Bornkamm, Günther: Die Gerichte Gottes und derWeg des Glaubens.

Göttingen: Vandenhoeck <& Ruprecht 1947. 43 S. gr. 8°. RM 1.50.

G. Bornkamm legt uns hier drei Vorträge vor, die er 1942
bis 1946 vor allem auf Pfarrkonventen hielt. In allen drei Vorträgen
geht es um das rechte Verständnis des Gerichtes Gottes,
wie es sich im gegenwärtigen Geschehen erweist. Der erste
Vortrag zeigt zunächst an den „Persern" des Äschylos, mit
welcher Ergriffenheit der Grieche das Leid des von ihm besiegten
Feindes mitträgt und wie er darin in ehrfürchtigem
Schauern das Gericht der Götter über die Hybris des sich zu
hoch erhebenden Menschen sieht. Demgegenüber wird in einem
kurzen Gang durch die Schrift, vor allem durch das Alte Testament
, gezeigt, daß es sich für die Gemeinde nie handeln kann
um das Erkennen einer an und für sich schon einsichtigen und
neutral festzustellenden Gerechtigkeit Gottes, sondern nur um
das Hören auf die Botschaft von der Gerechtigkeit Gottes,
die in seinem Handeln mit der Welt uns konkret begegnet.
Darum müssen die Freunde Hiobs mit ihren theologisch so
imponierenden Urteilen scheitern, weil sie eine göttliche „Gerechtigkeit
an sich" feststellen wollen und nicht die Gerechtigkeit
wie sie sie in ihrer Lage trifft. Was Gerechtigkeit Gottes
wirklich ist, sieht nur der, der weiß um die Geschichte des
Handelns Gottes mit dem Menschen, der in seiner Hybris nicht
mir sein Maß überschreitet, sondern Gott entflieht. Dieses
Handeln aber endet im Sieg der Gerechtigkeit Gottes, die in
Jesus Christus Ereignis wird.

_ Der zweite Vortrag zeigt anhand der Apokalypse, daß
Gott in der Weltgeschichte die Welt dazu zwingt, sich immer
deutlicher zu entpuppen als das, was sie wirklich ist. Aber
gerade dann besteht die Gnade Gottes; denn die Gemeinde,
die dieses Ziel Gottes kennt, darf getrost durch alle Schrecken
der Weltgeschichte hindurch wandern, für die ganze Welt wie
für sich selbst bittend: „Komm", und voll Zuversicht wartend

auf die Einlösung des Versprechens ihres Herrn: „Ja, ich
komme bald".

Der letzte Vortrag gibt eine eindrückliche und die Gegenwart
treffende Auslegung des Gleichnisses vom verlorenen
Sohn. Es ist das Anliegen des Verf.s, daß der Mensch, der
heute „aus den Trümmern seines Vaterlandes heraufsteigt",
wie manch einer nach einer Bombennacht aus den Trümmern
seines Hauses auftauchte, nicht einfach wieder aufsteht „wie
ein Stehaufmännchen, munter und unerschütterlich wie
immer, immer der alte": daß er also weder in der Ferne umkomme
als der Sohn, der „den Vater überlebt hat", als „Prometheus
, der Gott in den Himmel verbannt hat", noch in der
„Nähe" als der ältere Bruder, der „den Weg des verlorenen
Sohnes nicht mitgegangen ist und es .schon immer' gesagt hat,
daß dieser Weg . . . nur im Verderben enden kann"; sondern
daß er in der Erinnerung an die Güte des Vaters die Heimkehr
finde.

Schön wäre, wenn für die Zitate aus Bibel und Dichtern
überall die Fundstelle angemerkt wäre. Hie und da dürfte
die Sprache noch etwas schlichter sein (ein „unbändiger Lobgesang
" ist doch wohl nicht wünschenswert); aber es ist ein
gutes, theologisch wohlfundiertes und ins Zeitgeschehen in
einer hilfreichen Weise eingreifendes Wort mit vielen eindringlichen
Formulierungen, für das wir danken.

Mainz Eduard Schweizer

Dietrich, S. de: Le dessein de Dieu. Itineraire biblique. Ncuchätel: Dela-
chaux & Niestie [1945]. 290 S. 8° = Collection „L'actualite protestante"-
Schw. Fr. 4.75.

Die Verfasserin, die an der Arbeit des ökumenischen Rates
der Kirchen im Chäteau de Bossey (in der Nähe von (iciif)
intensiv beteiligt ist (bis vor kurzem als Leiterin), will in
diesem Werk den Nichttheologen die Bibel als die Geschieht*-'
des unaufhörlichen Kampfes zwischen dein rufenden Gott und
dem widerstrebenden Menschen nahe bringen. Sie weiß, daß
wir heute wieder ganz besonders in einer Stunde stehen, wo
die Menschheit zu wühlen hat. zwischen dem Leben und dem
Tod und darum eine solche Weisung besonders benötigt. DaS
Buch erhebt also keinen wissenschaftlichen Anspruch; doch
werden die wesentlichsten wissenschaftlichen Erkenntnisse
dem Leser in Anmerkungen vermittelt. So bietet das Buch
einen sehr guten Uberblick über die ganze Geschichte Gottes
mit dem Menschen, die kulminiert im Geschehen des Kreuzes,
wo Gott gegenwärtig und verborgen zugleich ist wie nirgends
sonst. Die beiden „Fenster in die Ewigkeit", nämlich ,,die
Vision des verloreneu Paradieses und die Vision der GotteS-
stadt" sind darin inbegriffen.

Das Alte Testament wird eindeutig in seiner Ausrichtung
auf Christus gesehen; zahlreiche neutestamentliche Stellen
werden herangezogen zu seiner Auslegung. Dabei wird aMJ
eine vorschnelle christliche Exegese meistens doch vermieden-
Gen. 3, 15 (gedruckt ist fälschlich 3, 5) z. B. wird zwar als Aussage
über Christus erwähnt (was 111. E. ein zu vorschnelles
Lesen ist); aber das ganze Gewicht wird auf die theologisch
wirklich relevanten Aussagen des Kapitels gelegt: daß Gott
die Flucht des Menschen aufhält und ihn zwingt, sich selber
zu sehen als den, der er ist; daß er ihn in die Schule des Leidens
und der Unterordnung gibt, damit er darin eben dies lerne;
und daß gerade das die auf das Kominende hinweisende Gnade
Gottes ist.

Es läßt sich bei einem Überblick über die ganze Bibel
natürlich nicht vermeiden, daß die vielen Nuancen und Unterschiede
der Botschaft weithin zurücktreten. Kleinigkeit«?11
könnten hier noch etwas präziser formuliert sein. Es ist z. B-
verständlich, daß des Raumes wegen darauf verzichtet werdet
muß, die Doppelheit der paulinischen (und nachnauliniseher1)
Aussage über Christus aufzuzeigen, der zugleich der Lei''
selber ist als auch als sein Haupt über ihm steht, der also sowohl
mit seiner Gemeinde in eins gesetzt als auch von i'11
grundsätzlich unterschieden werden muß. Nur dürften datfj
die älteren Aussagen Rom. 12, 5 und 1. Kor. 12, 12 ff. nich
als Belege für die allein erwähnte zweite Auffassung aiigefiihr
werden (vgl. 1. Kor. 12, 21).

Aber das sind wirklich Kleinigkeiten gegenüber den'
großen Dienst, den das Buch einer Gemeinde — insbesondere
etwa einem Bibelkreis — leistet, die nicht nur eine ein/ch";
Stelle exegesieren, sondern die großen Linien des Handel11';
Gottes suchen will. Die jedem Kapitel vorangestellte kurZ
Inhaltsübersicht erleichtert es dem Leser, die ihn interessierei1'
den Fragenkreise zu finden.

Mainz Eduard Schweizer