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Ausgabe:

1948 Nr. 9

Spalte:

550-551

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Galling, Kurt

Titel/Untertitel:

Das Bild vom Menschen in biblischer Sicht 1948

Rezensent:

Trillhaas, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 9

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Gesetz einer allgemeinen Struktur, nämlich der Schicksal-
haftigkeit, unterworfen.

„Olaube und dessen in der Theologie sich methodisch auswirkendes
Sach- und Selbstvcrständnis hängt nicht an der freiheitlichen Einsicht in
logische Notwendigkeit, sondern an der schicksalhaften Notwendigkeit
existentiellen Bestimmtseins durch den Glaubensgegenstand" (20).

„Ähnlich wie das Sollen, als solches Problem der Philosophie, von der
Theologie her als das Problem des Gesetzes und des gebietenden Willens Gottes
"nter neuem Aspekt aufgenommen werden muß, so taucht das Problem der
Bestimmtheit, also die Schicksalsfrage, von der Theologie her von neuem auf.
Die Struktur der Schicksalserfahrung gilt im Hinblick auf ihre spezifische
Erfülltheit vom Gottesglauben her und gewinnt von daher einen außerordent-
"chen theologischen Belang" (208). „Fragt man nun theologischerseits, was
Seht uns die Idee des Schicksals an, wenn sie philosophischer Gegenstand ist;
dann ist darauf zu antworten, daß sie ebenso wie der Begriff der Natur
oder die Idee der Wahrheit oder der Freiheit in die Sphäre des Glaubens
hineinragt. Die Offenbarung Gottes ist auf diese Welt, in der wir leben, bergen
.. . Die Art, in der Oott dem Menschen begegnet, vollzieht
s|ch, auf die Struktur gesehen, schicksalhaft" (208). „Da dieser
Glaube auf keinerlei Weise philosophisch herzuleiten und zu begründen, nicht
einmal zu postulieren ist, wäre mit dieser Behauptung eine ungeheure und
"limine abzulehnende Willkür ausgesprochen, wenn sie nicht von einer
übergreifenden Notwendigkeit unabweisbar gesetzt wäre" (208 f.).
•.So hat also nun die Theologie aus der Bestimmtheit zu reden,
die ihrer grundsätzlichen Struktur nach Gegenstand der philo-
8oPhischen Analyse war" (210).

Den theologischen Teil liest man am besten für sich, um
von seiner schönen, reichen und wertvollen Besonderheit den
-"echten (d. h. von notwendigen methodisch charakterisierenden
Seitenblicken ungeschmälerten) Gewinn zu haben. Im
Unterschiede zum philosophischen Teil wird hier eine ganz
andere Methode eingeschlagen. Statt der allgemeinen Typen,
der formalen Kategorien und Strukturen und der dialektischen
Idee wird hier von der lebendigen Mächtigkeit der
»ihaltlich bestimmten Sache her das „Schicksalhafte" in den
einzelnen Wirklichkeiten, auf die die christliche Botschaft
hinweist, herausgearbeitet. Da diese Besprechung aber in
erster Linie die Beziehungen zwischen dem philosophischen
und theologischen Teil im Auge hat, muß darauf verzichtet
Verden, im einzelnen wiederzugeben, wie hier der Schicksals-
eharakter der Offenbarung und des verborgenen Gottes, die
Schicksalsmacht des Bösen, das Kreuzesschicksal in Christus,
die Schicksalsverbundenheit mit Christus, die Problematik
u.m die Prädestination und die göttliche Vorsehung und schheß-
''eli die „Eschatologie des Schicksals" entfaltet und dargestellt
wird. Es ist dies in der Tat ein origineller und tiefgründiger
■•Abriß der Dogmatik" von dem besonderen Gesichtspunkt
des „Schicksalhaften" her, bei dem — und damit kommen
wir wieder zu unserem eigentlichen Anliegen — nur danach
2u fragen ist, ob der vorher allgemeingültig entwickelte Be-
Pöf des Schicksalhaften sachlich etwas zur Deutung belogt
. Es ist zu fragen, ob das, was hier an echter Erschließung
nn(J Vertiefung der christlichen Glaubensinhalte von dieser
besonderen Seite her gegeben wird, wirklich von der voraus-
setzungslos und neutral erarbeiteten Struktur und Idee des
Schicksalhaften aus gewonnen ist, oder nicht vielmehr von
?em eigenmächtigen Gegenstand und dem elementaren In-
"alt des christlichen Glaubens selbst her! —
s. Es besteht dieses weit angelegte, exakt durchgeführte und
f ets auf tiefe Lebendigkeit gehende Buch eigentlich aus zwei
2 sich geschlossenen, aber untereinander heterogenen Teilen:
^rninal einer philosophisch selbständigen Entwicklung der Idee
;es Schicksalhaften, und zum anderen der Aufzeigung, Cha-
pkterisierung und Deutung der „schicksalhaften" Elemente
Vj1 christlichen Glauben. Das eine Mal wird mit moderner
Methode auf neue Weise der Begriff dessen entfaltet, was
^chicksal" heißt, und zum anderen werden die Art und
Gegenstände des christlichen Glaubens von der Seite des
^Schicksalhaften" her, wie es sich darin findet, auf neue
*eiSL. beleuchtet und vertieft. Beides ist in seiner Art ein
Richtiger Dienst. Kritisch muß aber die Beziehung angesehen
„ erden, in die beides wegen des gemeinsamen Wortes „Schick-
IS ' und wegen gewisser Strukturanalogien zueinander gesetzt
fVr<l. Es ist die grundsätzliche Frage zu stellen, ob etwas mit
gewinn für die Sache von der rein formalen Analogie her in
Beziehung zueinander gesetzt werden kann. Kann es überhaupt

t,^""""- entwickelt, um sie dann am.....1».....vn ,w„w^«~—

jj "gen anzuwenden; sie also, wie hier, von allgemein mensch-
Ii"' K,n Erlebniskategorien her auf Funktionsweisen des Christinen
Glaubens überträgt, um sie dann von dessen eigentüm-
la< 1 Gegenständen her inhaltlich spezifisch erfüllt sein zu
"ssen? So etwa der allgemeine Begriff des Sollens, der Natur, der

Freiheit, der Wahrheit usw., so auch der der Schicksalhaftigkeit
an sich: Treten all diese Begriffe nicht immer schon, wo und wie
sie auftreten, mit einer ganz bestimmten positiven Sinnerfüllt-
heitauf, von der gar nicht abstrahiert werden kann ? Es stehen
sich ja doch nicht leere Kategorien auf der einen Seite und ihre
Erfülltheit im christlichen Glauben auf der anderen Seite
gegenüber, sondern diese Begriffe sind immer schon mit bestimmtem
positiven Sinninhalt gefüllt: Entweder von der
Selbstrechtfertigung der menschlichen Existenz oder von der
Rechtfertigung durch Gott in Christus her. Was will gegenüber
solchen entgegengesetzten Sinninhalten die rein formale
Analogie besagen ? Entweder man meint nur diese, dann ist
zu fragen: Cui bono ? — oder man meint doch mehr, und
dann ist es bedenklich, weil es sich dann doch nicht mehr um
den reinen und alleinigen Gegenstandsgehorsam des Glaubens
handelt! Um dieser bestimmten positiven Sinnerfülltheit
willen, in der jede Kategorie, auch die scheinbar rein formale
und ganz neutrale, immer schon auftritt, ist es m. E. der
Theologie verwehrt, sich auf übergreifende Allgemeinbegriffe
festzulegen. Von der besonderen und unvertauschbaren Eigenmächtigkeit
ihrer Sache her wird sie sich hier grundsätzliche
Freiheit gegenüber allen philosophischen Definitionen vorbehalten
müssen. Sie sollte statt dessen entschlossen nur vom
Inhalt her reden und nicht von allgemeinen Kategorien aus;
wenn eine tatsächliche und fruchtbare Begegnung stattfinden
soll. Also hier inhaltlich von der Schicksalserfahrung,
wie sie faktisch bei dem natürlichen Menschen auftritt einerseits
, und inhaltlich von dem „Schicksalhaften" des christlichen
Glaubens andererseits — und dann inhaltlich beides
in Beziehung zueinander setzen! Denn was ist auch der
realen Schicksalserfahrung des natürlichen Menschen
ihrerseits für ein Dienst erwiesen, wenn man nur einen allgemeinen
Begriff davon abzieht ?

Heilsbronn Ernst Kinder

Faulhaber, Ludwig, Prof. Dr.: Das christliche Bild des Menschen. Bamberg
: Meisenbach & Co. 1947. 84 S. kl. 8° = Kleine allgemeine Schriften
zur Philosophie, Theologie und Geschichte, Theol. Reihe H.4/5. DM.2._■ .

Galling, Kurt, Prof. Dr.: Das Bild vom Menschen in biblischer Sicht.

Mainz: Kupferberg 1947. 28 S. 8° = Mainzer Universitätsreden H. 3.
DM 1.50.

Tischleder, Peter, Prof. Dr.: Das rechte Bild vom Menschen, die Voraussetzung
aller rechten Menschensorge, besonders aller rechten Seelsorge.
Ebda 1947 . 44 S. 8°. DM2.80.

Diese drei kleinen Veröffentlichungen zu der heute vielfältig
verhandelten Anthropologie greifen nicht unmittelbar
in die wissenschaftliche Diskussion ein, sondern versuchen, die
christliche Lehre vom Menschen für ein breiteres gebildetes
Publikum darzustellen. Hierbei kommt durch Faulhaber und
Tischleder die Eigenart der katholischen Ansicht ebenso wie
durch Galling die biblische Sicht der evangelischen Theologie
deutlich heraus.

Faulhaber behandelt die Lehre vom Menschen in neun
klaren und übersichtlichen Kapiteln. Die Schöpfungslehre
wird in Auseinandersetzung mit den verschiedenen monistischen
Theorien, insbesondere dem Materialismus, sowie mit
der Entwicklungslehre dargelegt (1.). Es folgt eine Behandlung
des Freiheitsbegriffes (2.) und eine Darlegung über Geist
und Seele (3.). Hinsichtlich der Seele (4.) werden deren Imma-
terialität, Substanzialität und Einheit hervorgehoben. Die
menschliche Seele hat einen Anfang, ist unsterblich, aber nicht
„ewig". Bezüglich der Einheit von Leib und Seele (5.) gilt die
aristotelisch-scholastische Lehre. Die folgenden Kapitel über
den Gnadenstand der ersten Menschen (6.), Erbschuld (7.)
und Erlösung (8.), schließlich über die Verklärung (9.) werden
doch so abgehandelt, daß die theologischen Aussagen in ihrer
philosophischen Bedeutung aufgezeigt werden. Bei dem letzten
eschatologischen Kapitel ist das allerdings ohne einen auffällig
vermehrten Aufruf des Schriftzeugnisses nicht möglich.
— Bietet diese hübsche Schrift auch nicht viel Neues, so vermißt
man etwas die Bezugnahme auf das modern philosophische
Schrifttum, dessen Eigenart es ja ist, daß es durch die
Analyse der menschlichen Existenz mitunter in starke Nähe
zur Theologie gerät. Daß F. aufdringliche Apologetik vermeidet
und konfessionelle Auseinandersetzung beiseite läßt
ist besonders wohltuend.

Demgegenüber ist Tischleders kleine Schrift die sich
standpunktlich mit F. deckt, lebhaft auf alte und neue Irrlehren
über den Menschen bezogen, und zwar in der Weise,
daß er die katholische Lehre jeweils als die rechte Mitte
zwischen den lehrhaften Extremen zu erweisen versucht. Dies
geschieht in vierfacher Hinsicht: Sie steht 1. zwischen Materialismus
und Spiritualismus, 2. Individualismus und Kollektivismus
, 3. zwischen Diesseitsfanatismus und Jenseitsver-