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Ausgabe:

1948 Nr. 9

Spalte:

542-543

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Heuer, Hans

Titel/Untertitel:

Rogate 1948

Rezensent:

Kunze, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 9

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erzählt, was ihm im Innersten das Herz bewegt. Darum scheut
man sich, allzu einfache Gedankenführungen und allzu harmlose
Sicht der Dinge kritisch ins Licht zu rücken. Stellen, an
denen man einhaken möchte, gibt es genug. Bei manchem
Satz, den man liest, ist man versucht, zu sagen: Wenn es
doch nur so einfach wäre! Wären es bloß Organisationsfragen
oder Machtgelüste oder dogmatische Bagatellsachen, die
zwischen den christlichen Konfessionen stehen! Aber es hätte
wirklich keinen Sinn, die nett geschriebene und anspruchs-
lose Schrift theologisch zerpflücken zu wollen. Theologische
Maßstäbe verträgt das schlichte Zeugnis kaum. Wenn wir die
Empfindung haben, daß der, der es uns ablegt, aus einem zu
problemlosen Optimismus heraus muß, um etwas wirklich
Förderliches zum ökumenischen Gespräch beizutragen, so
werden wir ihm schwerlich durch unsere kritischen Randbemerkungen
dazu helfen können. Vielleicht ist er während
der zehn Jahre, die seit dem Erscheinen des Büchleins verstrichen
sind, bereits so geführt worden, daß er manches nicht
mehr so einfach und glatt ansehen kann. Darin, daß Sünden-
erkenntnis, also Buße — nur etwas weniger harmlos verstanden,
als es in dem Büchlein geschieht —, der wahre Weg zur Rettung
ist, möchten wir uns freilich bleibend mit ihm eins wissen.
Leipzig Franz Lau

LITURGIEWISSENSCHAFT

Kunz, Lucas, p. Dr. o. s. B.: Aus der Formenwelt des gregorianischen

Chorals. I.Heft: Antiphonen und Responsorien der Heiligen Messe. 2.Heft:
Rhythmus und Form. Münster/Westf.: Aschendorff 1946/47, Je 48 S. 8».

je RM 2.—.

Beide Hefte nehmen Stellung gegen die Auffassung, die
Choralmelodien hätten „ihrem ursprünglichen Wesen nach
mehr als Improvisationen denn als wirklich kunstvoll durchgeformte
Lieder zu gelten". Sie suchen das Vorbild für das
Formgefüge dieser Melodien in der antiken Liedkunst. Leider
konnte der Verf. seine Arbeit über antike Liedformen noch
nicht der Öffentlichkeit übergeben. Ohne ihre Kenntnis ist
aber eine endgültige Stellungnahme zu den Ergebnissen der
vorliegenden Abhandlungen nicht möglich.

Im 1. Heft soll der Nachweis erbracht werden, daß nicht
die zweiteilige Form der Chorspalmodie, sondern ein auf ein
dreiteiliges antikes Liedschema zurückgehender Satzbau
Grundlage für die Struktur sowohl der Antiphonen wie auch
der Responsorien der Messe ist.

Schon andere Choralwissenschaftler (P. Wagner, D. Johner) haben für
manchc dieser Gesänge eine dreiteilige Gliederung angenommen, ohne sie aber
a's ausschließliche Form hinstellen zu wollen. So beachtenswert auch der nunmehrige
Versuch Ist, die dreiteilige Form zum allgemeinen Prinzip des grego-
r|anischen Satzbaues zu erheben, vermag er doch nicht restlos zu befriedigen.
Gemessen an der gewaltigen Fülle der Gesänge Ist das gebotene Beweismaterial
*u knapp. In der Gliederung der Beispiele scheinen hie und da wichtige Gesichtspunkte
(Moduswechsel) außer Acht geblieben zu sein, und in der Herstellung
von Beziehungen der Melodiegruppen zu einander ist der Verf. manchmal
nicht der Oefalir des Konstruierens entgangen. Er gibt selber zu, daß
man nicht immer eine rein schematische Wiedergabe der dargelegten Form
'"trifft. Tatsächlich muß er eine zweiteilige Satzform für manche kürzeren
Texte anerkennen. Und wie steht es mit den nicht seltenen längeren Antiphonen
? — Daß „rein äußere melodische Anklänge" auch „aus einem unmittelbaren
Einfluß" von der Psalmodie her zu erklären seien, hält der
verf. fest.

Aus seiner Formenlehre will der Verf. weiterhin Erkenntnisse für die
gesangliche Ausführung der gregorianischen Melodien gewinnen. Das Wissen
Uni den Satzbau ist für die Vortragsweise sicherlich notwendig, aber durchaus
nicht hinreichend. Denn sie wird zunächst durch andere Faktoren, z. B. durch
dle dynamische Bedeutung der Neumen, festgelegt. Verlangt der Verf. für
Jj* Mittelsatz des Introitus: „Vultum tuum" (und damit etwa für jeden
^ittelsatz?) auf Orund seiner Formenlehre eine gemäßigte Wiedergabe, so
muß man aus der Ncumcnschrift für diesen Mittelsatz eine kraftvolle Wiedergabe
eruieren. Man hat wohl bisher allgemein in Theorie und Praxis der
dynamischen Bedeutung der Neumen zu wenig Beachtung geschenkt. Es ist
""denkbar, daß etwa strophische Neumen in der gleichen Stärke erklingen
dürfen wie Normalncumen. Von letzteren heben sich wieder die (episemierten)
'"''Ken oder der Pressus In der Tonstärke beträchtlich ab.

Ganz allgemein kann man der Ansicht des Verf.s bei-
P{»eilten, daß die Melodie in der Regel nicht eine dem Zufall
^erlassene Linie ist, sondern daß man gegebene und durch
Tradition geheiligte Formen achtete. Der Hinweis darauf,
SgS in den gregorianischen Weisen auch formal noch straffere
Y^f etzmäßigkeiten obwalten, als man bisher glaubte, ist jeden-
a'ls schon wertvoll.

t Das 2. Heft will zeigen, wie auch die rhythmische Struktur
der gregorianischen Melodien auf „der heute allerdings
n°eb weithin unbekannten Formenkunst antiker rhythmischer

Liedpoesie" fußt, und wie die rhythmische Analyse die Resultate
des 1. Heftes ergänzt und vertieft. Der Verf. bekennt
sich zur „Lehre vom Gleichwert der Choralnoten", nicht aber
zum „freien Rhythmus", d. h. jenem Rhythmus, der „aus der
freien, aber geordneten Bewegung einer (gehobenen) Prosarede
allein" (oratorischer Rhythmus) erklärt wird. Er findet
vielmehr in den gregorianischen Melodien einen„liedgebun-
denen Rhythmus", der „eben auf Grund der ihm eigenen
Formgebung und vielleicht auch seiner Verknüpfung mit einer
bestimmten Liedtradition wesentlich vom Prosarhythmus
sich unterscheiden muß". Nicht nur in den syllabischen, sondern
auch in den melismatischen Gesängen sind „alle jene
Strukturformen nachgezeichnet, ... die dem Liedaufbau als
Ganzem zugrunde liegen" wie „rhythmische Wiederholung,
Gegensatzbildung, Symmetrie, Umkehrung usw.". Eine neue
Rhythmustheorie aufzustellen ist nicht des Verf.s Absicht.
Er möchte jedoch „einer Lehre von der formalen Rhythmik"
den Weg ebnen, die nur neu ist „wegen ihrer streng systematischen
Betrachtungsweise".

An einzelnen Beispielen stellt der Verf. scharfsinnige und bis ins Kleinste
gehende Beobachtungen an. Doch wiederum sind der Beispiele zu wenige und
darin einige rhythmische Auflösungen bzw. Verbindungen anfechtbar. Er
zieht z. B. zweizeitige Klangeinheiten von grundverschiedener Bedeutung wie
Bistropha und Clivis zur rhythmischen Dreiergruppe (Blstropha + erste Note
der Clivis) zusammen. Entgegen der S. 18 ausgesprochenen Meinung des Verf.s
mit der Ausgabe des Graduale Romanum für seine Zwecke auskommen zu
können, sollten doch seiner S. 45 geäußerten Ansicht gemäß von vorn herein
die alten Choralhandschriften herangezogen werden. „Vielleicht lösen manche
Fragen sich dann von selbst". — Das hohe Alter der Introitusantiphon „Remi-
niscere" läßt sich statt mit ihrer Verwendung an einem Sonntag der Fastenzeit
besser beweisen mit ihrer Aufzeichnung am Mittwoch der 1. Fastenwoche;
denn von dort her wurde sie später für den folgenden Sonntag übernommen.

Maria Laach Ambrosius D 0 h m e s

Bogler, Theodor: Mönchtum und Liturgie. Düsseldorf: Bastion-Verlag
0. J. 95 S., 12 Taf. kl. 8» = Vom Reichtum christlicher Wirklichkeit.
B. IX. Pp. RM. 3.80.

Ein interessantes kleines Buch, das mehr in beschreibend-
erbaulichem, als in wissenschaftlichem Stil die Bedeutung des
Mönchtums für die Liturgie, auch in der Gegenwart, herausarbeitet
. Bemerkenswert ist die Unbefangenheit, mit der der
Verf., Mönch in der Abtei Maria-Laach, die außerchristlichen
Parallelen zum Mönchtum als Vorstufen zu diesem betrachtet.

Jena Karl Heussi

Heuer, Hans, Dr. theol.: Rogate. Evangelisches Brevier. Nürnberg: Deutsche
Bibelgesellsch. [1946]. 206 S. 8». Hlw. RM 5.70.

Ordnungen für Hausandachten, Andachten in Anstaltsgemeinden
und Gemeindegottesdienste. Die Ordnung des
Hauptgottesdienstes nach den Richtlinien des Verordnungsund
Nachrichtenblattes der EKiD (in diesem Amtsblatt als
Diskussionsgrundlage und Versuchsmodell geboten). Es werden
also Bereitung und Confiteor eingeführt, dagegen folgt das
Gloria in excelsis unmittelbar dem Kyrie; zwischen Epistel
und Evangelium sind Graduale, Halleluja bzw. Traktus und
Graduallied vorgesehen; als Credo das Nicaenum; nach der
Predigt Fürbittengebet, entsprechend dem sog. Chrysostomus-
gebet; danach das „inzwischen eingesammelte Dankopfer"
(soll es während des Gebets eingesammelt werden ?); Zu-
rüstung der Abendmahlsgäste; danach evtl. Credo, getreu der
Meinung der Ritenkongregation; Präfation, Sanktus mit anschließendem
Gebet, Fakultativgebet und großem Fürbittgebet
; Vaterunser oder Chrysostomusgebet ebenfalls mit
Vaterunser; Pax; Agnus Dei; danach endlich die Kommunion
; Danklied; Postcommunio; Entlassung; Segen. Man ist
erstaunt, daß Anamnese, Epiklese und Joh. 1 als Schlußevangelium
fehlen. Hat Luther wirklich aus bloßer Negation
oder aus liturgischer Gleichgültigkeit Einsetzungsworte und
Spendung so eng zusammengerückt wie nur irgend möglich,
oder hatte er vielleicht doch Gründe, die wir modernen
Liturgiker etwas ernster nehmen sollten ? Die gebotenen
Stücke, vor allem die Väterstimmen, wird man mit Dank benützen
. Ob es nötig und unter den heutigen Verhältnissen vertretbar
ist, die Gesangbuchlieder und Bibelstellen abzudrucken
, läßt sich fragen. Die Verzeichnisse der Psalmen und
Lesungen sind drucktechnisch ungeschickt. Interessant ist ein
Nachtrag „Verzeichnis der Schriftlesungen an den Sonn- und
Festtagen des Jahres", das die altkirchlichen Perikopen von
S- 41—43 nach neuesten Vorschlägen umgestaltet. So werden
z. B. die Perikopen vom 6. p.Ep., eine echt lutherische
Schöpfung, auf den Verklärungstag am 6. August gelegt, die
Trinitatisreihe durch Peter und Paul (29. Juni) und Michaelis
gegliedert, kommt Allerheiligen am 1. November vor. So weit
mir bekannt, ist dieser Versuch einer Neugestaltung des