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Ausgabe:

1948 Nr. 9

Spalte:

536-537

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rad, Gerhard von

Titel/Untertitel:

Deuteronomium-Studien 1948

Rezensent:

Noth, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 9

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Im nächsten Teil, der von Sabbath und hodesch handelt,
werden äußerst originelle Anschauungen vorgebracht. Snaith
nimmt an, daß in der vorexilischen Zeit der neue Monat mit
dem Vollmond begonnen habe und nicht mit dem Neumond,
und daß deshalb hodesch übersetzt werden sollte „der Tag des
neuen Monats" und nicht „Neumond". Er behauptet dann,
daß der Sabbath dem Neumond in der vorexilischen Zeit
gleichgesetzt worden sei. Dieser ganze Abschnitt ist vom
größten Interesse und Wichtigkeit und seine Beweisführungen
verdienen eine sorgfältige Betrachtung. Dann folgt eine
Untersuchung des Ubergangs des Kalenders zum mesopo-
tamischen System in der exilischen Zeit, und hier wird
bewiesen, daß Ezechiel 40, 1 mit seinem Hinweis auf den
10. Tischri als Neujahrstag aus der Uberlagerung eines Mondjahres
über ein Sonnenjahr erklärt werden müsse, wobei folglich
ein Unterschied von 10 Tagen aufgetreten war. Der Verf.
weist auf etliche Analogien aus England hin, die der Wechsel
zum julianischen Kalender zur Folge hatte; aber es bleibt
zweifelhaft, wie weit sie wirklich als Analogie herangezogen
werden können.

Schließlich wendet sich Snaith seinem Hauptanliegen zu,
nämlich dem, etliche Beweise für ein Thronbesteigungsfest
in Israel, das dem babylonischen Fest zu vergleichen wäre, zu
untersuchen. Er behauptet, daß das akitu-Fest seinem Wesen
nach kein Neujahrsfest gewesen sei, obwohl es im 6. Jahrhundert
v. Chr. in Babylonien zu einem solchen geworden sei.
Ursprünglich war es eine jährliche Gedenkfeier, die zu verschiedenen
Terminen für verschiedene Götter stattfand und
nur mit dem Neujahrsfest in Babel im neubabylonischen Reich
zusammengelegt wurde. Wir können daher nicht annehmen, daß
ein solcher Brauch in vorexilischer Zeit Israel beeinflußt
haben könnte. Vielmehr ist es in jeder Hinsicht unwahrscheinlich
, daß ein Stadtbrauch in Babel in jener Zeit sollte
Israel beeinflußt haben, obwohl Snaith zuzugeben bereit ist,
daß die landwirtschaftliche Form des in Kanaan üblichen
Fruchtbarkeitskultes sehr wahrscheinlich einen größeren Einfluß
ausgeübt hat. Hier macht er einen schwachen Hinweis
auf die umfangreichere Kenntnis, die wir jetzt auf Grund der
Ras-Schamra-Texte besitzen, obgleich eine etwas eingehendere
Behandlung hier ein Gewinn hätte sein können.

Die Königspsalmen, die Mowinckel mit dem Thronbesteigungsfest
in Verbindung gebracht hat, sind nach der Meinung
des Verf.s in nachexilischer Zeit entstanden, wie ihre
Abhängigkeit von Deuterojesaja zeigt, und waren Sabbath-
psalmen in einem dreijährigen Zyklus und wurden bei dem
Ritual des Neujahrstags nicht verwendet. Das Blasen der
Trompete bei den Feierlichkeiten des Neujahrsfestes ist seiner
Meinung nach mit den Bitten um Regen zu verbinden und in
einer Weise in Beziehung zum Königsmotiv zu setzen. Tatsächlich
beweist Snaith, daß das Königsmotiv innerhalb des
Neujahrsfestes nicht weiter als ins 2. Jahrhundert v. Chr. zurückgeht
. In all diesen Fragen verdienen seine Beweisgründe
sorgfältige Betrachtung. Daß sein Buch von beträchtlicher
Wichtigkeit ist, werden selbst diejenigen erkennen, die einige
semer Beweisgründe bestreiten. Der Rezensent ist überzeugt,
daß Snaith mit Recht eine Verbindung der Königspsalmen
mit dem Thronbesteigungsfest leugnet, wenngleich man angesichts
der Tatsache, daß eine Untersuchung der kanaanä-
ischen Zeugnisse in Beziehung auf das Alte Testament fehlt,
schwerlich ihm zubilligen wird, daß er bewiesen habe, daß
das vorexilische Israel kein Thronbesteigungsfest gehabt habe.
Snaith bezieht sich nur einmal in einer Anmerkung auf das
Werk von Engnell (Studies in Divine Kingship in the Ancient
Near East. Uppsala 1943) und nicht ein einziges Mal auf das
von Dr. Riesenfeld (Jesus transfigure Kopenhagen 1947).
Beide verlangen eine Prüfung bei der Aufstellung dieser
These.

Kurz soll noch auf eine oder zwei Einzelheiten hingewiesen
werden. Die „für Abraham angenommene Zeit" ist nach Ansicht
des Verf.s ungefähr 2000 v. Chr. (S. 209), wobei er völlig
die neueren Zeugnisse außer acht läßt, die Sidney Smith
(Alalakh and Chronology. London 1940) und Böhl (King
Hammurabi of Babylon in the setting of his time. Amsterdam
1946) veranlaßten, für einen Ansatz um einige Jahrhunderte
später einzutreten. Snaith weiß seltsamerweise auch nichts
von den Ergebnissen der dänischen Ausgrabungen in Silo und
nimmt an, daß Silo während der ganzen vorexilischen Zeit als
wichtiges Heiligtum, das von einer mächtigen Priesterschaft
verwaltet wurde, fortbestanden habe. Er nimmt an, daß der
Prophet Ahija mit dieser Priesterschaft verbunden gewesen sei
(S. 47); von dieser nimmt er an, sie sei in ihrer Hhigabe an
eine Gottesverehrung, die sich vom Götzendienst fernhielt, zu
wenig anpassungsfähig gewesen, als daß es dem Jerobeam

möglich gewesen wäre, Silo als einen seiner Kultmittelpunkte
zu wählen (S. 52).

Die Episode von David und Abisag wird ausgelegt als in
Beziehung zu einer vermuteten Probe der Mauneskraft des
Königs und einer daraus folgenden Geeignetheit zu regieren
stehend (S. 79 f.). Es wird bemerkt, daß „der Hinweis auf
den König, der keine Wärme bekomme, kein Hinweis auf das
Wetter sei noch irgend etwas mit dem Zustand seines Kreislaufs
zu tun habe". Der Rezensent ist hier ganz und gar nicht
überzeugt. Die Erzählung stellt ausdrücklich fest, daß man
als ersten Ausweg eine Hiuzunahme weiterer Bettstücke versucht
habe, und erst als dies sich vergeblich erwiesen habe,
habe man Abisag hereingebracht. Snaith erklärt nicht, wie
zusätzliche Bettstücke die Manneskraft des Königs beweisen
konnten, und seine Ansicht würde die Annahme nötig machen,
daß der Verf. der Erzählung völlig den Sinn des Vorfalls, den
er berichtete, verfehlt habe. Tatsächlich aber stellt er ausdrücklich
fest, daß David keine sexuellen Beziehungen zu
Abisag hatte. Wenn wir uns erinnem, daß dieser Vorfall in
der alten und wertvollen Hofgeschichte Davids steht, einem
Dokument, das nach allgemeiner Annahme aus einer Zeit
stammt, die der Davids sehr nahekommt, sind wir um so erstaunter
über die vermutete Unkenntnis des Sinnes dieser
Begebenheit, die hier dem Verf. zugeschrieben wird. Er lebte
wohl innerhalb der Zeit, in der Fruchtbarkeitsriten in Israel
im Schwange waren, und wenn die Episode überhaupt irgend
etwas damit zu tun gehabt hätte, müßte er es wohl verstanden
haben. Weder er noch seine zeitgenössischen Leser wären dadurch
in Verlegenheit versetzt worden und es wäre kein Bedürfnis
dafür dagewesen, den Vorfall in der auffälligen Weise
zu verschleiern, wie sie hier angenommen wird.

Es bleibt nur übrig hinzuzufügen, daß trotz etlicher
Zweifel und abweichender Auffassungen an einzelnen Punkten
dieses glänzende und herausfordernde Buch als eines erfunden
wird, das ein sehr gründliches und sehr sorgfältiges Studium
verdient.

Manchester H. H. Rowley

Rad, Gerhard von, Prof.: Deuteronomium-Studien. Göttingen: Vande*
hoeck & Ruprecht 1947. 64 S. gr. 8° = Forschungen zur Religion und Literatur
des Alten und Neuen Testaments, hrsg. v. Rud. Bultmann, N. F.
40. H. Der ganzen Reihe 58. H. RM 3.80.

Diese Schrift ist wohl die erste Frucht, die nach dem
Kriege in Deutschland am Baume der alttestameutlichen
Wissenschaft gereift ist; und es ist eine feine Frucht. Sie wurde
O. Eißfeldt zu seinem 60. Geburtstag dargebracht, und daher
wurde ein wichtiger Teil von ihr bereits in ThLZ 72 Nr. 3
(Sept. 1947) Sp. 151—158 vorgelegt.

Wer etwa meinen sollte, daß über das Deuteronomium nun
nachgerade schon so viel geschrieben worden sei, daß es sich
kaum noch lohne, darüber weitere Worte zu verlieren, der
findet hier ein lehrreiches Beispiel dafür, daß durch neue und
selbständige Fragestellungen an einem oft behandelten Gegenstand
ganz überraschende und wesentliche Züge sichtbar werden
können, die so noch nicht gesehen worden sind. Die •%
entsprechend dem Titel — ungezwungen aneinandergereihten
Einzelabschnitte der Schrift sind sachlich miteinander verbunden
durch die zentrale Frage nach der Glaubens- und Vor-
stcllungswelt, aus der die eigenartige Erscheinung des DeU-
teronomiums hervorgegangen ist.

In einem ersten Abschnitt über „die formgeschichtliche
Eigenart des Deuteronomiums und seiner sakralen Traditionen
" wird an einer ganzen Reihe von Beispielen — im Anschluß
an A. Klostermann, Fr. Horst u. a. — überzeugend ge'
zeigt, wie im Dtn. überkommene Stoffe verschiedener Her'
kunft und Zeit, apodiktisch formulierte Reihen kurzgefaßter
Gebote bzw. Verbote, kultisch-rituelle Priesterweisungeß;
juristische Materialien u. dgl., in „homiletischer Auflockerung
reichlich durchsetzt mit Elementen paränetischer Gesetzesinterpretation
und ergänzt durch „predigtartige Auslassungen
über einige neue aktuelle Themen erscheinen. Im zweiten Abschnitt
ergibt sich für das „Heiligkeitsgesetz" ein ähnlicl>eS
Hervortreten paränetischer Gemeindebelchrungcn auf de?
Grundlage von verschiedenartigen älteren Reihen vo°
Satzungen, nur daß das „Heiligkeitsgesetz" — offenbar nach'
träglich — in direkte Gottesrede umgesetzt worden ist. De
dritte Abschnitt über „die deuteronomistische Schem-Theol'''
gie und die priesterschriftliche Kabod-Theologie" versiicllt'
durch Gegenüberstellung der fest ausgeprägten deutcronO'
mischen Auffassung vom statischen „Wohnen" des göttlich^
„Namens", die mit dem Ladekult zusammenzuhängen schein1-
mit der priestcrschriftlichen Vorstellung vom Erscheinen <le_
göttlichen „Herrlichkeit" im „Zelt der Begegnung" die hc'
sondere Art und damit die Herkunft der deuteronoinisch