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Ausgabe:

1948 Nr. 9

Spalte:

533-536

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Snaith, Norman Henry

Titel/Untertitel:

The Jewish new year festival 1948

Rezensent:

Rowley, Harold H.

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 9

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zur Verfügung stehenden Mitteln, mit Form- und Traditions-
geschichte ebenso wie mit Literarkritik" (S. 88).

Als Ganzes stellt Mowinckels,, Prophecy and Tradition *'
für die alttestamentliche Wissenschaft, insbesondere für die
Arbeit an den Prophetenbüchern, eine Wegweisung dar,
der dankbare Anerkennung und Befolgung gebührt. Seine
mehrfach nachdrücklich wiederholte Feststellung, daß das,
was Engneil u. a. unter Traditionsgschichte verstanden
Wissen wollen, nichts Geringeres bedeutet als den Verzicht auf
Wirklich geschichtliches Verständnis des Alten Testaments,
also eine ungeheure Verarmung, ist leider nur allzu berechtigt.
L>aß man über Einzelfragen anders urteilen kann, als es
Mowinekel tut, versteht sich dabei ganz von selbst. So vermag
der Unterzeichnete immer noch nicht anzuerkennen, daß
in Alt-Israel das Thronbesteigungsfest Jahwes die ihm von
Mowinckel zuerkannte Bedeutung gehabt hat und daß die
Liturgien Jes. 33 und Habakuk mit diesem Fest in Verbindung
zu bringen seien. Vielmehr würde er hier dieselben Bedenken
geltend machen, die Mowinckel S. 81 gegen die in manchen
Kreisen beliebte Annahme, in Israel habe der an die Person
des regierenden Königs geknüpfte Kult des sterbenden und
Wiederauferstehenden Gottes eine Rolle gespielt und auch die
Prophetische Stilform beeinflußt, erhebt. Die Durchschlagskraft
des Buches als ganzen wird indes durch solche angreifbaren
Stellen nicht beeinträchtigt. Wichtiger scheint mir der
'olgende Einwand zu sein: Obwohl Mowinckel im übrigen
der Literarkritik ihr Recht gibt und S. 86 f. die Ablehnung
Wellhausens einmal als einen Kampf gegen Windmühlen
und billigen rhetorischen Sieg bezeichnet, auch für Rechtssatze
und Weisheitssprüche anerkennt, daß sie ziemlich früh schriftlich
fixiert worden sind (S. 33), räumt er bei der Uberlieferung
der Prophetenworte der Schriftstellerei doch nur geringe Bedeutung
ein. Jesaja hat — so folgert er aus Jes. 8, 1 f.; 30, 7 f.
— im ganzen nur sechs Worte, im ersten Fall vier, im zweiten
2Wei, aufgeschrieben, und das erste prophetische Buch, das esge-
geben hat, ist nach Mo winckel die durch Jer. 36 bezeugte Urgewalt
unseres Jeremia-Buches gewesen (S. 6of.). Hier ist offenbar
^nf die mehr zufällige Erwähnung der Niederschrift zu großes
gewicht gelegt, also das testimonium e silentio überschätzt.
Wenn es auch nicht ausdrücklich gesagt wird, so ist es doch
^eraus wahrscheinlich, daß die Propheten Berichte über die
Augenblicke, in denen sie sich von ihrem Gott in besonderer
Weise ergriffen fühlten, also namentlich über ihre Berufung
Von vornherein selbst schriftlich festgehalten haben. Wie will
'Uan sich denn auch die Überlieferung und Erhaltung dieser
durchweg im Ich-Stil abgefaßten Berichte anders vorstellen ?
°aß die Orakel, die von den Propheten öffentlich verkündet
^aren, den Leuten im Gedächtnis blieben und namentlich von
«wen Jüngern mündlich weitergegeben wurden, ist verständen
. Dasselbe gilt von den Erzählungen, die — von den Propheten
in dritter Person redend — Erinnerungen an sein Leben
Und Wirken festhalten. Aber die prophetischen Ich-Berichte
die doch in erster Linie sie selbst angehen, müssen doch wohl
Von den Propheten selbst niedergeschrieben oder — was auf
^asselbe hinausläuft — diktiert worden sein. Zum mindesten
h.atte Mowinckel auf das sich hier auf tuende Problem naher
^ugehen und sich etwa mit Karl Budde, Jesajas Erleben,
^ine gemeinverständliche Auslegung der Denkschrift des Propheten
(Kap. 6, 1—9, 6), 1928 auseinandersetzen müssen was
keineswegs bedeutet, daß der Referent sich mit Buddes
^gutnentation einverstanden erklären wollte. Das, was

Mowinckel S. 87 und 112 zu den hierher gehörigen Ausführungen
meiner „Einleitung in das Alte Testament" über
die „Urrolle" des Jeremia-Buches bemerkt (S. 393—397), daß
es nämlich ein aussichtsloses Unternehmen sei, aus den hier
in Betracht kommenden „deuteronomistischen" Abschnitten
des Jeremia-Buches durch literarkritische Operationen „echte"
Jeremia-Worte herausschälen zu wollen, und daß dies auch
durch den dabei vielleicht mitschwingenden Gedanken, damit
ein verdienstliches „konservatives Werk zu tun", nicht legitimiert
werden könne, genügt nicht. Denn es handelt sich da
gar nicht so sehr um die Suche nach echtem Jeremianischen
Gut als vielmehr darum, welche Teile des uns überlieferten
Jeremia-Buches für die „Urrolle" in Anspruch genommen und
welche Kriterien für ihre Aussonderung als maßgebend betrachtet
werden dürfen. Da schien und scheint mir der in dem
uns vorliegenden Jeremia-Buch vorhandene Bestand an Ich-
Berichten am ehesten zu dem zu passen, was man nach der
Erzählung Jer. 36 von der hier beschriebenen Rolle erwarten
muß. Ob das zutrifft und die auf Grund dieses Kriteriums
vorgenommene Rekonstruktion der „Urrolle" auf richtiger
Spur ist, darüber läßt sich streiten, wie denn Wilhelm Rudolph
mit seinem Jeremia-Kommentar von 1947 in seiner
Auffassung von den Dingen Mowinckel näher steht als mir.
Aber die Möglichkeit, daß diesen der Urrolle abgesprochenen
Stucken doch Ich-Berichte des Propheten zugrunde liegen
und daß diese als von ihm selbst geschrieben oder diktiert
zu denken sind, ist damit keineswegs ausgeschlossen. Rudolph
stellt denn S.XV auch ausdrücklich fest, daß diese „deuteronomistischen
Stücke" keine freien Schöpfungen sind, sondern
auf echten Aussagen Jeremias fußen, und führt als Begründung
dafür auch die Tatsache an, „daß in der Hälfte der Fälle
(11, 5 f. 9; 16, 1; 17, 19; 18, 3. 5; 35, 3 ff.) Selbstberichte Jeremias
zugrunde liegen", und Mo wink el selbst gibt wenigstens
für einen derartigen Abschnitt, nämlich für Kap. 7, die Möglichkeit
zu, daß hier „metrisch geformte .Urzellen', die trotz
der Umschmelzung etwas von ihrer ursprünglichen Form und
ihrem ursprünglichen Inhalt sich bewahrt haben", durch die
jetzige „deuteronomistische" Gestalt hindurchschimmern
(S. 88). Ist dem so, dann ist gerade in Mowinckels Sinne
jedes Mittel nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten, das die
genauere Feststellung von Jeremias eigenen Worten verspricht
, einerlei, ob es traditionsgeschichtlicher oder literar-
kritischer Art ist. Nun hat, wie es scheint und wie Mowinckels
Haltung in diesem Fall bestätigt, die Möglichkeit oder besser
Wahrscheinlichkeit, daß die Propheten von früh, jedenfalls
von Hosea und Arnos an, besonders bedeutsame Phasen ihres
prophetischen Berufes in Selbstberichten festgehalten haben,
noch nicht die Beachtung gefunden, die ihr gebührt. So darf
und muß auch wohl bei der Bestimmung der dem Jeremia-
buch zugrunde liegenden Urrolle ernsthafter, als es bisher
bereits geschehen ist, gefragt werden, ob da nicht vielleicht die
Zusammenstellung und Sichtung der im jetzigen Buch vorhandenen
Ich-Berichte zum Ziele führt. Dabei kann — das
versteht sich von selbst — aber die literarkritische Methode
nicht aus dem Spiele bleiben, und sie darf es auch nicht, wenn
anders Mowinckel recht hat — und er hat recht —,
mit seiner bereits mitgeteilten Forderung, daß zur Auffindung
der von den Propheten selbst herrührenden Worte
alle uns zur Verfügung stehenden Mittel angewendet werden
müßten, Literarkritik ebenso wie Form- und Traditionsgeschichte
.

ALTES TESTAMENT

Snaith, n. H.: The Jewish New Year Festival: itsOrigin andits Deveiop.

ment. London: Society for Promoting Christian Knowledge 1947. 230 S.

13 s. 6d

ri. Snaith hat es sich in diesem Buch zur Aufgabe gesetzt,
!~le Theorie von einem mit dem babylonischen Neujahrsfest
Ifgleichbaren Throubesteigungsfest in Israel anzufechten,
£lne Theorie, die weite Verbreitung gefunden hat, seit sie
^owinckel in seinen Psalmenstudien vorgetragen hat. Er
2gt: „Keine Theorie hat je ein solches Maß allseitiger An-
/£**ttnung bei so wenig kritischer Überprüfung gefunden

und hier bietet er einen Beitrag zu dieser Überprüfung
. Er tut freilich weit mehr als dies; denn im Laufe
SJ}«» Buches bietet er eine große Zahl scharfsinniger Vor-
'dimage, die weithin angenommene Ansichten in Frage stellen,
1? Prägen des Kalenders und besonders der israelitischen
*este betreffen.

Er beginnt mit einer Untersuchung des vorexilischen Neujahrsfestes
in Israel und weist nach, daß es sowohl Ende wie
Anfang war, indem es nach beiden Richtungen schaute wie
ein Janus. In der vorexilischen Zeit fand es stets im Herbst
statt und war ein landwirtschaftliches Fest. Die da und dort
sich zeigende Neigung, das Passah als eine Art Erntefest oder
Neujahrsfest zu betrachten, wird überzeugend bestritten, und
es wird gezeigt, daß dieses Fest ursprünglich nicht den Charakter
einer Dankfeier trug, sondern ein apotropäischer Ritus gewesen
ist. Dagegen brachte man am Herbstfest Dank für den Segen
der eingebrachten Ernte und Gebete für das kommende Jahr,
besonders für den ersehnten Herbstregen, dar. In Verbindung
damit war das Ausgießen von Wasser von Bedeutung Im
Vorbeigehen kann man erwähnen, daß Snaith besonders wenig
Gebrauch von dem Material aus Ras Schamra macht und es
hier nicht erwähnt. Er beweist, daß der Ausdruck das Herausgehen
des Jahres" nicht das Ende des Jahres, sondern den
Anfang des Jahres bedeute, wie das Herauskommen der Sonne
der Anfang des Tages ist, und dieser Ausdruck beweist, daß
das Herbstfest ebenso der Anfang eines neuen Jahres wie das
Ende des alten war.