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Ausgabe:

1948 Nr. 1

Spalte:

36-38

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Sasse, Hermann

Titel/Untertitel:

Vom Sakrament des Altars 1948

Rezensent:

Weber, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 1

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tungsworte Jesu machten nach Johansson Brot und Wein zu
„Symbolen" seines (im Tode zerbrochenen) Leibes und seines
Blutes—„Symbol "ist für den Verf. die dritte und höchste Stufe
eines Hinweises, wobei die 1. Stufe gewöhnliche Bildrede
ist, die etwas anschaulicher machen will, die 2. Stufe Identifikationen
bringt, wie „Der Same ist das Wort Gottes" — dagegen
ist nun die 3. Stufe, eben das „Symbol", Einführung in
den messianischen Inhalt der Sprache des Menschensohnes
vom Anbruche des Reiches Gottes (Casel würde sagen: in den
Mysterieninhalt). Nicht auf die Handlung des Brotbrechens
oder Weineingießens (Weintrinkens) gehen die Deutungsworte
Jesu, sondern auf die Elemente des Brotes und Weines. Dennoch
will der Verf. in den Texten keine Rede von einer Wandlung
der Elemente finden, weil eine solche Wandlung dem
damaligen Judentum fernlag — der ganze Nachdruck liege auf
der realen Gemeinschaft mit dem Menschensohn und dem
Gottesreiche, welche Gemeinschaft Gott in Christo spendet
(„Sakramentalität des Mahles" nennt das der Verf.). Das Neue
aber war nun gerade das, daß dieser Gedanke mit dem Brot
und Wein des Mahles verbunden wurde! Zu 3.: Paulus hat in
seinem „Abendmahlsbericht" den eschatologischen Gedanken
nicht, aber 1. Cor. 11, 26 kennt er ihn; die Hauptdomäne des
eschatologischen Gedankens beim Abendmahl Jesu ist Lc. 22,
15—18 (Mt. 26, 29; Mc. 14, 25). Zu 4.: Gerade des Paulus neue
Betrachtung ist es, das Abendmahl in die Vorstellungsreihe
„Christi Leib" einzugliedern; wer sich an der Einheit des
Leibes Christi versündigt, der ist durch das Abendmahl gerichtet
(darum die Abendmahlssache im 1. Kor. mitten in der
Aufforderung zur Vermeidung der die Einheit störenden Versündigungen
, darum die Forderung der Selbstprüfung 1. Cor.
11, 28). „Für Paulus war es eine Unmöglichkeit, zwischen der
Kirche, Christi Herrlichkeitsleib und dem Jesusleib, der im
Tode gebrochen wurde, zu scheiden. Paulus hat sich nie Chri-
tum ohne seine Kirche denken können". — Das Abendmahl
wurde an dem Tage „gestiftet", da Jesus seine Wirksamkeit
als der verborgene Menschensohn begann, Mahlzeiten mit
seinen Jüngern, den Sündern und Zöllnern hielt — damit hatte
das Essen und Trinken im Reich Gottes seinen Anfang genommen
! Und das widerspiegelt das Johannes-Evangelium,
das darum keine „Stiftungs-Szene" bringen muß. Die Act.
aber zeigen, daß die Jünger die Mahlgemeinschaft mit dem
Auferstand-lien pflegten, weil ihre Mahlgemeinschaft mit Jesus
Christus zu 1 eich der Tatbeweis für seine Auferstehung, die
Gegenwart des Himmelreichs und die Nähe der Parusie war. —
Die Prüfung der außerjüdischen Vorstellungswelt (Mysterien)
und der dir Essener und Mandäer besagt dem Verf. nur, wie
stark zur Zeit Jesu der Gedanke des sakralen Mahls verbreitet
war — ab r der Verf. findet bei dieser Prüfung keinen anderen
Punkt, der für das urchristliche Abendmahl heranzuziehen
wäre — der jüdische Vorstellungskreis genügt völlig.

Johar.son handhabt den ganzen wissenschaftlichen Apparat mit großer
Selbständigkeit; am öftesten tritt er Joachim Jeremias, Albert Schweitzer,
Rudolf Otto bei. In der Mandäerfrage ist er gegen Lietzmann; erst recht in
der Frage, ob eine paulinische und eine ägyptische Linie im Abendmahl zu
konstatiere. 1 sei; Johansson plädiert dafür, daß die Judenchristen die
paulinische (Ur-) Tradition des Momentes „Anamnese des stellvertretenden
Todesleidens Jesu" beraubt hätten, so sei es zur Abendmahlsfeier der Didache
gekommen. In der Frage der Mysterieneinflüsse auf das urchristliche Abendmahl
steht der Verf. streng gegen Reitzenstein und Heitmüller. Die Aberkios-
Inschrift teilt er mit Hepding einem Attispriester zu. Die Totenmahle (vgl.
Heitmüller, Lietzmann, Carl Cletnen) hatten nach Johansson keinen Einfluß auf
das urchristliche Abendmahl. Dagegen sind ihm die Verwandlungstheorien von
Brot und Wein späteren Ursprungs und verraten religionsgeschictlichen Einfluß
. (Hier ist das Felden einer Auseinandersetzung mit Odo Casel besonders
zu bedauern.)

Dem Exegeten bietet Johansson eine Fülle von Anregungen und Problernen
dar. Überall sieht er Mahlgemeinschaft mit dem verborgenen Menschensohn
im Hintergrunde (Mc. 2, 18—20; Mt. 11, 18—19; Lc. 24, 31; Mc. 6, 30—
43; Lc. 13,23f.; Mc.7, 27—29; Lc. 17,7—10, Siaxovclv, Staxovta, Ötäxovo* als
Mahlbegriffe; Joh. 2, 1; 13,4—17; 13, 26—27; Joh. 15, 1—6; 19, 34—35 (vgl.
1. Joh. 5, 6); Act. 20, 7—12; 27, 35; 6, 1—6). Jesu letztes Mahl ein Passamahl
am Abend des 14. Nisan, welcher Abend schon als der 15. Nisan gezählt wurde
— Johannes sah in Jesu Tod das neue Passalamm geschlachtet, daher für ihn
der 14. Nisan, an dessen Nachmittag die Passaläinmer geschlachtet wurden,
der Todestag Jesu ist. Joh. 6, 51b = die Deutungsworte Jesu zu Brot und
Wein des letzten Mahles. Brotbrechen Act. 2,41—47= Mahlzeit halten. Die
Oleichnisse Jesu im Lichte der Mahlgemeinschaft. Joh. 6, 25—51a zu ver-
vergleichen mit Jo. 3 und 4 (dort Brot — hier Wasser, gemeint ist der Glaube.
Bei seinem 15tägigen Aufenthalt in Jerusalem feierte Paulus mit Petrus das
Abendmahl (Gal. 1, 18; 2, 11—12).

Zwei Dinge (und gerade sie bilden die Grundlage des
Johanssonschen Werkes), hat der Verf. schlechthin bewiesen:
i. die Suffizienz des jüdischen Motivenkreises zur Erklärung
der urchristlichen Abendmahlsfeier, i. die Fülle und Betontheit
des Mahlgedankens im NT. Hier steht der Verf. auf
festem Boden. Mit der erwiesenen Suffizienz des jüdischen
Materials ist aber die Frage noch nicht gelöst, i. woher das
jüdische Material etwa seinerseits religionsgeschichtlich
stammt, 2. ob die urchristliche Abendmahlsfeier die Tatsache
dieser Suffizienz respektierte, 3. ob nicht etwa Jesus selbst in
der Angelegenheit des Abendmahls original gedacht und gehandelt
hat. Ebenso ist hinsichtlich der Fülle und Betontheit
des Mahlgedankens im NT immer noch die Frage zu stellen,
ob ebenso die „Sakramentalität" aller Mahle Jesu vom Verf.
bewiesen wurde; bei der oft hypothetischen Art der Exegese des
Verf.s dürfte diese „Sakramentalität" aller Mahle Jesu eine
Hypothese bleiben. Was überhaupt die Methode des Verf.s
anlangt, so ist es gewiß ein besonderes Verdienst, einmal
wieder rein exegetisch (und nun im größten Umfang und mit
modernen Mitteln) vorgegangen zu sein. Aber auch die dogmeu-
geschichtliche Methode, welche sich von bewiesenen Fakten
der späteren Zeit her einen Weg ins NT bahnt, ist notwendig.
Z. B. die Deutungsworte Jesu zu Brot und Wein wurden nachgewiesener
Maßen von Justinus Martyr in seiner Apologie im
Sinne einer /iftanoirjan aufgefaßt und diese Auffassung als
die der Gemeinde angesprochen; das gilt für das 2. und bei
der fides liturgica sicherlich auch für das Ende des 1. Jahrhunderts
n. Chr. — und das ist solange eine unüberwindliche
Position, als nicht wirklich bewiesen werden kann, daß und
wann und wieso ein Bruch in der Auffassung der Deutungsworte
Jesu eingetreten ist. Denn die Deutungsworte im NT
sind nach des Verf.s eigener Aussage dunkel. Es ist ein Verdienst
des Verf.s, sich den üblichen Hypothesen nicht als bewiesenen
Errungenschaften zu nahen, so darf mau ihn auch
zur gleichen Reserviertheit den eigenen Hypothesen gegenüber
aufrufen.

Wertingen Leonhard Fendt

Sasse, Hermann: Vom Sakrament des Altars. Lutherische Beiträge zur
Frage des heiligen Abendmahls, hrsg. unter Mitarbeit von Rieh. Frölich,
Friedr. Wilh. Hopf, Th. Knolle, Hans Preuß, Otto Procksch, E. Sommerlath
u. E. Strasser. Leipzig: Dörffling & Franke 1941. 298 S. gr. 8». br. RM 9.—.

Es bedarf keiner Hervorhebung, wie aktuell eine Veröffentlichung
wie die vorliegende ist. Die Abendmahlsf rage ist
erneut in ein akutes Stadium eingetreten. Die Exegese hat
sich vor allem durch die bekannten Arbeiten von J. Jeremias,
E. Gaugier, O. Cullmanu und anderen nachdrücklich zu Worte
gemeldet. Lutherische systematische Theologie ist auf verschiedenen
Wegen zu neuen Fragen vorgestoßen; am bekanntesten
ist H. Gollwitzers Buch Coena Domini (1938). Die
Frage der Abendmahlsgemeinschaft ist auf der Bekenntnissynode
in Halle nun auch von der Kirche selbst ins Rollen gebracht
, und als Niederschlag der dazu unternommenen Vorarbeit
erschien 1937 das Sammelwerk „Abendmahlsgemeinschaft
?". Alle diese Vorgänge forderten eine Stellungnahme
des sog. konfessionellen Luthertums geradezu heraus. So bedrückend
das hier immer wieder hervortretende „Nein" für
den sein mag, dem die Aufrichtung der Abendmahlsgemeinschaft
unter den in der Evangelischen Kirche in Deutsehland
zusammengeschlossenen Kirchen am Herzen liegt, so nachdrücklich
muß sogleich festgestellt werden, daß wir es hier
mit einer bedeutenden und auf hohem Niveau stehenden Publikation
zu tun haben, an deren Inhalt niemand wird vorbeigehen
können.

Die hier zusammengefaßten Beiträge sind untereinander
verschieden an Bedeutung und z. T. auch in ihrer Haltung.
Ihr Gemeinsames liegt in ihrem Festhalten an den Lehrentscheidungen
des 16. Jahrhunderts und in ihrer Ablehnung der
Abendmahlsgemeinschaft. Daß dabei die Auseinandersetzung
mit der reformierten Kirche einen breiteren Raum einnimmt
und auch ersichtlich nachdrücklicher geführt wird als die mit
der römischen Kirche, dürfte in der Kontroverssituation begründet
sein; einzelne Anzeichen, daß dieser Umstand auch
dogmatische Gründe hätte, wird man nicht auf die Goldwaage
legen müssen. Ein Eingehen auf die Fülle der entwickelten
Einzelheiten verbietet der Raum; es sei erlaubt, auf einige
Punkte aufmerksam zu machen, die für die Gesprächslage von
besonderer Bedeutung sein dürften.

Zu der vielerörterten Frage, ob das Abendmahl Jesu ein
Passamahl gewesen sei, bringt Ö. Procksch („Passa und Abendmahl
") das alttestamentliche Material und eine Analyse der
neutestamentlichen Berichte. Er entscheidet sich dahin, daß
das Mahl ein vorweggenommenes Passa war, ein Passa ohne
Lamm, das vielmehr Jesus selber ist. Man wird fragen dürfen,
ob es zutrifft, wenn der Begriff des Bundesbluts dahin interpretiert
wird, es solle „in Christi Todesopfer der neue Bund
seine sakramentale Grundlage haben" (S. 25).

Der Beitrag von H, Sasse über das Abendmahl im Neuen