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Ausgabe:

1948 Nr. 8

Spalte:

488-490

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Leenhardt, Franz Jehan

Titel/Untertitel:

Le baptême chrétien 1948

Rezensent:

Oepke, Albrecht

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 8

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folgen. Es ist bezeichnend, daß diese beiden Begriffe bei B.
zusammenfallen. Verkündigung hat bei ihm nicht, wie wir es
heute zu verstehen gewohnt sind, die Bedeutung Verkündigung
von Christus, sondern es ist lediglich eine Umschreibung dessen,
was man sonst als die Lehre Jesu oder, wie es in der Beilage
heißt, als seine Forderung versteht. Von der Position B's aus
ist diese Darstellung durchaus verständlich und folgerichtig.
Wo der Historie, nunmehr durch die Auferstehung als Geschichte
bestätigt, ihre Eigenbedeutung zukommt, da gewinnt
auch die Theologie, die Ethik Jesu, ihre Bedeutung. Es ist verständlich
, daß dann die umwandelnde Bedeutung seiner Verkündigung
betont wird, die Neuheit seiner Liebesforderung
und seiner Himmelreichsbotschaft. Es wird aber auch gerade
in dieser Darstellung deutlich, wie trotz aller Sicherungen
dennoch ein solches Verständnis der Botschaft Jesu zuletzt
gesetzlich verstanden werden muß, und zuletzt, wegen der Un-
erfüllbarkeit dieses Gesetzes, in einer Innerlichkeit enden
muß. Zwar versucht B. sich gegen das Letzte zu wehren, aber
ist es im Grunde etwas anderes, wenn B. die Gegenwart des
Himmelreichs mit den folgenden Sätzen darzulegen sucht: „Die
staatlichen und gesellschaftlichen Zustände bleiben der Art
nach dieselben; Jesus kann und will sie nicht ändern. Aber
in der letzten Tiefe des Menschenlebens, bei den letzten, alles
andere tragenden Grundlagen unseres Daseins, in der Beziehung
des Menschen zu Gott, wie sie Gegenstand des Weltgerichtes
Gottes ist, da ist ein völlig Neues, in Ewigkeit nicht
Verschwindendes noch Veraltendes geworden" (S. 48) ? So
richtig der letzte Satz ist, so sehr wird er doch durch den
ersten verengt und in eine Innerlichkeit verwiesen, die der
Verkündigung Jesu fremd ist, wo sie als Zeugnis des Kommens
Gottes in diese Welt durch die Tat Jesu verstanden wird. Es
zeigt sich hier, wie diese Verinnerlichung der Botschaft Jesu
mit ihrem gesetzlichen Verständnis verbunden ist. Nur ein
Verständnis der Verkündigung Jesu, das diese zuerst sieht als
Zeugnis von Jesus dem Christus, vermag sowohl dieser Verinnerlichung
wie dem gesetzlichen Mißversteheu zu entgehen.
Es ist zugleich dem Dilemma der Frage nach der Erfüllbarkeit,
vor das sich auch B. gestellt sieht (S. 179 ff.), entnommen.
Danach ist Jesu Forderung zuerst begründet in der Zusage,
daß in ihm das Reich Gottes Gegenwart ist, und seine Forderungen
sind die Zusage, daß die Erfüllung dieser Forderungen
als Zeichen der Gegenwart des Himmelreiches dort sichtbar
wird, wo man an ihn glaubt. Dann wird man aber auch die
Zusammenfassung der Forderungen Jesu in seinem Bußruf
anders verstehen als B.: Kehrt um; denn das Himmelreich
hat sich genaht. Aus diesem Wort wird man nicht mehr die
Folgerung ziehen „also erst die Bußbredigt und danach die
Himmelreichspredigt" (S. 55), sondern man wird das „denn"
beachten und mit Schniewind das Wort verstehen: „Weil
Gott sich zu uns gekehrt hat, weil er die Herrschaft antritt,
deswegen können wir uns zu ihm kehren" (J. Schniewind:
Das biblische Wort von der Bekehrung, 1947). Es wird heute
ohne weiteres sichtbar sein, daß diese Auslegung ihre Bedeutung
über die Exegese hinaus für die exegetische Begründung
des Verständnisses von Evangelium und Gesetz hat. Der
Zusammenhang der gesamten theologischen Arbeit wird an
diesem Punkte einmal sichtbar.

Daß B. nunmehr die Taten Jesu nicht allein als Zeichen
versteht, sondern psychologisch aus der „überragenden
Kraft" (S. 58) zu verstehen sucht, ist in seiner Darstellung
nur folgerichtig, erweist aber am nachdrücklichsten das Verkennen
des kerygmatischen Interesses der Evangelien. Daß
mit den Taten Jesu das Himmelreich gekommen ist (Matth.
12, 32), ist die Verkündigung der Evangelien, und nur darum
geht es. Sieht man aber dieses Interesse, so wird man weiter
fragen müssen, wo der Grund dieses Wissens liegt, daß mit
den Taten Jesu das Reich Gottes gekommen ist, und man wird
finden, daß dieser Grund an keinem Punkt der Historie, des
Lebens Jesu zu suchen ist, da keine einzige dieser Taten den
Glauben hervorbrachte, der hier bezeugt wird. Man wird
dann den Grund allein jenseits dieser Geschichte finden, in
der Auferstehung Jesu und wird von daher die Geschichtlichkeit
auch dieser Taten in jenem einen Geschehen finden, das
AUf 1 urchristliche Überlieferung erst die Ursache gab.
Auch hier zeigt sich wiederum der grundlegende Unterschied
im Verständnis dessen, was als Geschichte zu bezeichnen ist.
B. ist hier noch völlig in der Auffassung befangen, die unter
Geschichte allein die historisch feststellbaren Fakten versteht.
Martin Kahler hat darauf hingewiesen, daß als Geschichte zu
verstehen ist, was in die Geschichte gewirkt hat. Darum
nennen wir aber den Auferstandenen den geschichtlichen
Christus. Wir wissen, daß darum auch die Historie nicht
nebensächlich wird, weil dieses geschichtliche Zeugnis sich in
Erinnerung an die Historie vollzog, wir meinen aber, daß dann

psychologische Erwägungen unwichtig werden, wie sie B. erneut
über das Messiasbewußtsein anstellt, Erwägungen, die
sich dann noch dadurch als gefährlich erweisen, daß sie heute
ohne Erweichungen nicht mehr möglich sind, so daß auch B.
davon sprechen kann, daß Jesus durch seine grenzenlose Liebe,
die ihn mit Gott verbindet, zur Einheit und Gleichheit mit
Gott erhoben wird (S. 80). Wo man mit Psychologisieren beginnt
, endet man unweigerlich in solchen Erweichungen des
Kerygmas, das die Gottessohnschaft Jesu eben nicht psychologisch
erklärt, sondern lediglich als Ereignis verkündigt.

So können wir in Büchseis Buch die angestrebte Verbindung
zwischen dem Festhalten am Historischen und der Erkenntnis
des kerygmatischen Charakters nicht erreicht sehen.
Es erscheint beides immer noch als Gegensatz, und ein Zugeständnis
auf der einen Seite nur unter Aufgeben entscheidender
Erkenntnisse der andern Seite möglich. So muß wohl
zur Zeit die Herausstellung des erkannten kerygmatischen
Charakters der Evangelien noch in der Antithese zum historisierenden
Verständnis erfolgen. Die Mahnung, daß damit noch
nicht das letzte Wort gesagt ist, daß das Problem des Verhältnisses
von Kerygma und Geschichte noch immer der Lösung
wartet, sollen wir uns durch die Lebensarbeit Büehsels gesagt
sein lassen, auch wenn wir ihm auf seinem Wege nicht
folgen können.

Sahms über Schwarzenbek I lans-Werner Bartsch

Leenhardt, Franz J., Prof.: Le Baptfinie chretietl, son originc, sa signi-
fication. Neuchätel/Paris: Delachaux & Niestie [1946]. 75 S. gr. 8» - Ca-
hiers theologiques de l'actualite protestante Nr. 4. Schw. Fr. 3.50.

Daß erregte Zeiten die Frage nach der Kindertaufe erneut
in Fluß zu bringen pflegen, zeigt neben Barths alarmierender
Broschüre, nicht durch sie angeregt, im Ergebnis gemäßigter,
biblisch-theologisch sorgfältiger, aber ihr innerlich verwandt,
diese Untersuchung. Sie verfolgt den Ursprung der Taufe voö
Johannes d. T. bis zu Paulus und umspannt so, da Joh. und
1. Pt. ergänzend herangezogen werden, fast das ganze neu-
testamentliche Material. Dabei soll aber vor allem die „Bedeutung
" der Taufe heraustreten. Zwischen magischer und
symbolischer Auffassung sucht der Verf. die schmale Durchfahrt
. Daß die an die Spitze gestellte Frage nach dem Recht
der Kindertaufe nur von dieser breiten Basis aus entschiede»
werden kann, ist zweifellos richtig. Ob es aber geraten ist,
alles unter diesen einen, immerhin zunächst fremden Gesichtspunkt
zu stellen, kann man fragen.

Verf. hat den Eindruck, daß seine Vorgänger im allgemeinen
nicht bis zur Kernfrage, derjenigen nach dem Sakrament
, vorgedrungen seien. Das überrascht und läßt einseitige
Literaturbenutzung vermuten. Die französisch geschriebene
Literatur aus den letzten 100 Jahren ist mit Liebe verzeichnet,
und das ist für den deutschen Leser nützlich. Die neuere
deutsche ist aber recht ungleichmäßig benutzt. In ihr ist, wie
auch schon seit Luther, viel über den sakramentalen Charakter
der Taufe und speziell der Kindertaufe verhandelt worden-
Religionsgeschichtliche Fragen, abgesehen von der Prose'
lytentaufe, existieren für den Verf. anscheinend auch nicht. Daß
er Reitzensteins phantasievolle Vorgeschichte der christliche"
Taufe beiseite läßt, ist allerdings verständlich. Verdient abef
auch Leipoldts Arbeit über die urchristliche Taufe im Lichte
der Religionsgeschichte das gleiche Schicksal ? Nicht eini»al
die einschlägigen Artikel im ThW. scheinen für die Literatur
auswahl und sonst zu Rate gezogen. Verf. kennt zwar de'j
Artikel von Windisch ZnW. 28 (1929), 118 ff., hat aber WoW
weder die Literatur, mit der dieser sich auseinandersetzt, nod1
die Einwände, die gegen ihn erhoben worden sind, nach'
geprüft. Ein flüchtiger Hinweis auf die einschlägige Arbe»
von Joach. Jeremias genügt zur Erfüllung des Grundsatz5
audiatur et altera pars ja wohl nicht.

Sein eigenes Sakramentsverständnis entwickelt Vef/'
schon im Anschluß an den Täufer ziemlich vollständig.
Sakrament liegt da vor, wo das Denken mit einem Ritus dl
Idee einer transzendenten mysteriösen Handlung verbind^
(n f.). Der Täufer knüpft an an die symbolischen Hal1.,t
lungen der alttestamentlichen Propheten. Das Symbol tri*
neben die Wortverkündigung, weil der Mensch seiner # j
samten Existenz nach persönlich erfaßt werden soll. Da »g
eschatologische Wort sich an alle wendet, bedarf es hier d
ständigen Wiederholung der einen Handlung. Diese &
wägungen muten im Blick auf den antiken Menschen reich'1
konstruktiv an. Die Johannestaufe war das Zeichen einer fJ*RJ
innerlichen Buße und insofern etwas völlig anderes als
Proselytentaufe. Das Symbolische wird in der HandWS
selbst als Darstellung des Sterbens und Auferstehens, also <x
Wiedergeburt, und im Wasser als Versinnbildlichung des