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Ausgabe:

1948 Nr. 8

Spalte:

485-488

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Büchsel, Friedrich

Titel/Untertitel:

Jesus 1948

Rezensent:

Bartsch, Hans-Werner

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 8

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nähme auf das Gewissen der anderen, die je länger desto mehr
die Verhandlungen in Eisenach bestimmten, haben für die Zusammenarbeit
der Konfessionen und Kirchen in der EKiD eine
neue, gute (und hoffentlich dauerhafte) Vertrauensbasis geschaffen
. Ich glaube, daß in diesem guten Geiste, in dem die
öffentlichen Verhandlungen geführt wurden, Gott wirklich
unter uns war. War aber Eisenach ein Anfang mit Gott (was
ich leider von Treysa 1945 nicht glauben kann), dann dürfen
wir hoffen, daß dieser Anfang auch Gottes Verheißung hat.
(Die Fassung des Abendmahlsparagraphen in der Grundordnung
und die Verhandlungen darüber freilich haben mich nicht
befriedigt. Hier ist der Wortlaut nicht ehrlich genug.)
D. Henke, Landesbischof der ev.-luth. Landeskirche von Schaumburg-Lippe,

Bückeburg

Die Kirchenvcrsammlung in Eisenach hat dem deutschen
Protestantismus zum erstenmal in seiner 400jährigen Geschichte
eine echte Form der Einigung gegeben. Der nunmehrige
föderative Zusammenschluß aller deutschen Landeskirchen
zur „Evangelischen Kirche in Deutschland" ist in
vollster Wahrung aller Gewisseusanliegen erfolgt. Deshalb
halte ich die in Eisenach erzielte Einigung für echt und'tragfähig
. Das gemeinsame Hören auf das Zeugnis der Brüder

(Artikel 1, Absatz 2) soll den weiteren Weg der Gemeinschaft
bestimmen.

Die Eisenacher Gruudordnung spricht des weiteren aus
(Artikel 3), daß die Evangelische Kirche in Deutschland „um
ihres Auftrags willen unabhängig in der Aufstellung ihrer
Grundsätze, in der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten
und in der Verleihung und Aberkennung ihrer Amter
ist". Ihr Verhältnis zum Staat wird durch Ubereinkommen
bestimmt werden. Damit bestätigt die Evangelische Kirche
in Deutschland die endlich gewonnene Freiheit aus staatlichen
Bindungen, die dem deutschen Protestantismus in der Vergangenheit
so lange und .so unglücklich angehangen haben.

Schließlich betone ich noch die in Artikel 15 ausgesprochene
Verpflichtung aller Glieder der Kirche zum Dienst,
sonderlich zum Dienst der Liebe in Wort und Tat.

In diesen drei Dingen sehe ich Kernstücke der neuen
Grundordnung. Möchte der Herr der Kirche uns schenken,
daß das Hören auf das Zeugnis der Brüder immer wirksamer
werde, daß wir die Unabhängigkeit der Gemeinde von allen
politischen Ordnungen wahren und festigen, und daß der Ruf
zum Dienst alle Glieder der Gemeinde wirklich erfaßt!
Dr. Dr. Gustav W. Heinemann
Präsident der Kirchenversammlung in Eisenach
Oberbürgermeister der Stadt Essen

NEUES TESTAMENT

Büchsei, Friedrich, Prof. D.: Jesus. Verkündigung und Geschichte.
Gütersloh: Bertelsmann [1947]. 220 S. 8". Pp. RM 6.50.

Inhalt: Die Verkündigung, Die Taten, Die Person, Die Wirksamkeit und
"las Geschick, Der Ertrag der Arbelt, Das Evangelium, Das Judentum und der
Hellenismus, Die Quellen, Das Verfahren. Beilagen: Sinn und Geltung der
Forderung Jesu, Die moderne Kritik am Himmelreichsgedanken Jesu, Messiai-
Seheimnis und Messiasoffenbarung, Menschensohn, Zur Christologie, Zur Textkritik
.

Die Darstellung des Lebens Jesu gibt in gewisser Weise
<fen Ertrag, bestimmt den Kern der theologischen Arbeit des
früheren Rostocker Neutestamentiers. Es ist das Anliegen der
Arbeit seines Lebens., die Ergebnisse konservativer theologischer
Forschung mit der Erkenntnis des kerygmatischen
Charakters des Evangeliums zu verbinden. Er sieht in beiden
Pichtungen der Arbeit Einseitigkeiten, die zu überwinden
sind, sowohl in der ausschließlichen Frage nach dem geschichtlichen
(der Begriff „historischen" wäre klarer) Jesus unter
Außerachtlassung des Zeugnisses von seiner durch die Auferstehung
bezeugten Göttlichkeit, wie in der unter dem Eindruck
des kerygmatischen Charakters entstandeneu Abwertung
der geschichtlichen Wirksamkeit Jesu. So ist es eine
für die gesamte Arbeit B's programmatische Aussage, wenn
er im Vorwort feststellt: „Beides, der Auferstandene und der
geschichtliche Jesus, bildet eine unscheidbare Einheit und
Ganzheit" (S. 8). Es ist jedoch sowohl hier wie schon bei
filier Auseinandersetzung mit Bultmann und Dibelius (Die
Hauptfragen der Synoptikerkritik, Beitr. zur Förderung
f.nristlicher Theologie, Bd. 40/6, 1938) zu fragen, ob das Anlegen
der Heiltest amen t liehen Forschung, die von der Form-
geschichte und der Theologie Martin Kählers herkommend,
2 Kerygma von Jesus dem Christus das entscheidende Interesse
der Evangelien sieht, wirklich aufgenommen ist.
. Die grundlegende Erkenntnis, daß das geschichtliche
'-eben Jesu „mit seiner Niederlage und der Zerstörung seines
werkes" (S. 126) endet, findet sich zwar auch bei B. an ent-
*c"eidender Stelle, und ebenso auch die grundlegende Wertung
^es Osterereignisses. Jedoch tritt schon an dieser Stelle ein

^egensatz zutage, der nun doch wieder zeigt, daß für die Dar-
"feilung selbst diese Erkenntnis nicht die grundlegende Be-

'eiitung hat. B. setzt den Auferstandenen und den Geschicht-
, cl'en zueinander in Gegensatz. Was damit gemeint ist, wird
gesagt: der Geschichtliche ist „der Mensch, der einst

et>te und arbeitete" (S. 127). Gerade dieser Begriff des „Gerichtlichen
" war aber doch bereits von Martin Kahler überlüden
. Dieser hatte in solchem Sinne als von dem „histo-

Schen" gesprochen und ihm den biblisch geschichtlichen
J'ristus gegenübergestellt. Diese Unterscheidung geht über
jjlen Unterschied der Worte hinaus. Sie zeigt vielmehr, daß
• nicht in dem Sinne von dem Geschichtlichen zu reden ver-

p aK. wie es Kahler tut und nach ihm Schniewind und die von der

»0r'iigeschichte herkommenden Theologen. Die Bedeutung der
uterstehung ist für B. nicht derart, daß sie überhaupt erst

q * "vorhergehenden Historie ihre Bedeutung gibt, sie erst zur
^Schichte macht. Die Auferstehung hat für B. nicht die geschichtsbildende
Bedeutung, sondern die einer Bestätigung der
Geschichte, die nun doch mit der Historie zusammenfällt. Damit
ist allerdings der Auferstehung ebenfalls eine entscheidende
Bedeutung beigemessen, aber sie wird nunmehr doch zu dem
beglaubigenden Mirakel, das der vorhergehenden Historie
eine Bestätigung gibt, so daß diese nun als Geschichte gewertet
werden kann. Diese Anschauung ist für B. darin begründet
, daß die Evangelien eindeutig Geschichte berichten
wollen, und eben nicht nur sich damit begnügen, „die Offenbarungen
des erhöhten Herrn zu berichten" (S. 167). „Das
Schwergewicht liegt in den Evangelien unverkennbar nicht
bei dem, was vom Herrn nach seiner Erhöhung, sondern bei
dem, was aus seinem früheren Leben zu erzählen ist" (ibd ).
Hier hat der Blick auf die Geschichte, das Interesse, die Theologie
vor einer Nichtachtung des Historischen zu bewahren,
dem Forscher offenbar den Blick für die Bedeutung des
kerygmatischen Charakters der Evangelien getrübt. Gewiß
ist es richtig, daß die Geschichte nicht bedeutungslos geworden
ist, aber ebenso sehr ist zu beachten, daß in den Evangelien bis
in die Uberlieferung der Worte Jesu hinein die Berichte doch
allein um des Zeugnisses von dem Auferstandenen willen
weiter gegeben wurden. Das Problem, das der Theologie aufgegeben
ist, auf das uns die Arbeit B's erneut hinweist, liegt
nun allerdings darin, daß es den Evangelien allein auf dieses
Zeugnis von dem Auferstandenen ankam, daß sich dies Zeugnis
nun aber eben doch in der Erinnerung an geschichtliche
Fakten vollzog. Wo Jesus handelt oder redet, redet er eben
nie als der Historische, sondern immer als der Auferstandene.
In allen Worten und Werken ist nur dies eine wichtig, daß
darin sichtbar wird, was man zur Zeit seines Lebens noch
nicht erkannte, daß er der Sohn Gottes ist. Dies war aber zur
Zeit seines Lebens eben durchaus verborgen, auch seinen
Jüngern, wie das Motiv des Jüngerunverständnisses zeigt, wie
am Ende der Unglaube der Jünger gegenüber der Botschaft
der Auferstehung am deutlichsten kundtut (gegen B. S. 152).
Wie Büchsel von seinem Begriff des Geschichtlichen her die
Eigenart der evangelischen Überlieferung nicht recht zu sehen
vermag, zeigt sich aber auch noch an anderen Stellen. So ist
es durchaus nicht zuzugeben, daß es in den Evangelien auch
nur ein Stück gibt, das von Jesu Messianität, ssiner Heilsbedeutung
nichts weiß, in dem Jesus „als ein Mensch wie
andere, als ein Prophet des kommenden Himmelreichs, ähnlich
wie der Täufer erscheint" (S. 154). Wenn dem so wäre,
dann hätte B. allerdings recht, wenn es tatsächlich, wie er
meint, eine mündliche Uberlieferung von Jesus schon zu seinen
Lebzeiten gegeben hätte (S. 148), die für die Evangelien von
Bedeutung wäre, die sie einfach übernehmen konnten, ohne
sie ihrem Zeugnis unterzuordnen. Die Möglichkeit des Bestandes
einer solchen Uberlieferung soll nicht bestritten
werden, aber sie wäre nur dann bedeutsam, wenn sie unverändert
, ohne die kerygmatische Zielsetzung in die Evangelien
übernommen wäre. Dies eben wäre aber zu beweisen.

Vermag man B, in der Darlegung seiner Anschauung von
der Geschichte zu folgen, so wird man nunmehr auch das,
was er darstellend von Jesu Verkündigung, Werk und Person
sagt, annehmen können. Dann wird man allerdings mit Interesse
der Darstellung der Verkündigung Jesu, seiner Lehre