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Ausgabe:

1948

Spalte:

439

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hötzer, Karl

Titel/Untertitel:

Die Entstehung der Stadt Balingen und ihre Kirchen 1948

Rezensent:

Schornbaum, Karl

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Seite 1

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:39 Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 7

ältesten Stücke (z. B. Reihen kirchlicher Rechnungen) bis ins
15. Jahrhundert zurück. Nach der im Jahre 1891 erfolgten
Vereinigung der reformierten Gemeinde mit der später entstandenen
lutherischen Gemeinde war auch der letzteren
Archiv noch als besondere Abteilung aufgenommen worden.
Gegenüber der ausführlichen Behandlung der Urkunden ist
dem Inventar der Akten nur ein bescheidener Raum zugemessen
worden (S. 261—318). Die Kennzeichnung des Inhalts
geht meist nicht über die üblichen Aktenbezeichnungen
hinaus. Wo abgesehen von Urkundenregesten mehr geboten
wird, ist meist das faniiliengeschichtliche Interesse maßgebend
. Diesem Interesse dient auch die von Walter Schmidt
bearbeitete, als III. Teil (S. 319—370) angefügte, sorgfältige
Zusammenstellung der in den Kirchenzeugnissen (1762 ff.) und
Losscheinen (besonders 1802—1832) vorkommenden Personen
. Das kirchengeschichtliche Interesse tritt dem gegenüber
zurück. Ausführlichere Angaben, wie sie S. 295 ff. einmal
über ein für die Frühzeit der Evangelischen Gemeinde
aufschlußreiches Aktenstück gemacht werden, sind eine Ausnahme
. Der Kirchenhistoriker wird das um so mehr bedauern
, als das Aktenarchiv bis auf die Konsistorialprotokolle
(bis 1853), die Kirchenbücher sowie die Kirchenzeugnisse und
Losscheine heilte nicht mehr vorhanden ist. Ein ausführliches
Personen- und Ortsverzeichnis und ein nützliches Sachverzeichnis
machen den Schluß des Buches, dessen Auflage in
ihrer Masse leider auch dem Feuer zum Opfer gefallen ist.
Adelebsen Ph. Meyer

Hötzer, Karl: Die Entstehung der Stadt Balingen und ihre Kirchen.

Tübingen: Heckenhauer 1947. 32 S. mit 4 Abb. 8". RM 1.50.

Dieses volkstümliche Schriftchen verdient auch vom kir-
elieuhistorischen Standpunkt aus Beachtung. Das etwa 400
gegründete Balingen, schon durch die Endung ing als Anfangssiedlung
erwiesen, erwies sich im Lauf der Zeit als zu klein. Auf
dem andern, dem linken Ufer der Eyach, entstand eine /.weite
Siedlung; doch blieb die alte, der Maria geweihte Kirche
Pfarrkirche bis zum Jahre 1546. Erst jetzt mußte sie ihre
Rechte an die im neuen Stadtteil erbaute Kirche abgeben.
Es ist also die gleiche Entwicklung, wie wir sie an vielen
andern Orten Frankens und Schwabens sehen. Nur liegt hier
alles klar vor Augen, was anderswo erst mühsam erforscht
werden muß. Auch sonst findet sich mancher für die kirchliche
Volkskunde beachtenswerte Zug; nicht vergessen sei, daß
Balingen die Geburtsstätte Joh. Tobias Becks war und die
Sonnenuhr an der Hauptkirche der bekannte Theologe
Phil. Matthäus Hahn fertigte. Auffallend ist, daß die alte und
die neue Kirche der gleichen Heiligen geweiht waren.

Nürnberg Karl Schornbaum

KIRCHENKUNDE

Rathgeber, Aiphons m.: Das heilige Meßopfer. Nürnberg: sebaWus-

Verlag [1946]. VIII, 439 S. 8«. Geb. RM 8.—.

Wiewohl das Buch nicht als Werk der Wissenschaft oder
als liturgiegeschichtliche Forschung auftritt, bedarf es, um der
Aktualität der konfessionellen Lage willen, doch einer ausführlicheren
Würdigung. Mit großer Wärme und religiöser Hingabe
geschrieben, dabei theologisch und liturgisch gut bewandert
, teilt es dem Leser, auch dem schlichten, alles mit,
was er zum Verständnis des Meßopfers und zum Verfolgen
seines Hergangs bis ins einzelne bedarf. Dabei ist es, wenngleich
nicht selten in reichlich flüssiger Beredsamkeit verfaßt,
sehr andringlich und seelsorgerlich; es bespricht alle Teile und
Stücke der Messe nacheinander und macht diese eigentliche
Lebensmitte des katholischen Wesens und seiner Frömmigkeit
auch für den Nichtkatholiken anschaulich und durchsichtig
.

Kein Zweifel, daß der Verf. mancherlei Schönheiten im
Aufbau der Messe, sowie in ihren Einzelstücken dem Leser
deutenderweise ans Herz zu legen versteht. Es kommen immer
wieder Partien, in denen wir uns mit ihm zusammenfinden
können. Dennoch muß es im ganzen bei der protestantischen
Ablehnung bleiben.

Da befremdet uns einmal die Ubersättigung mit Symbolik
, in die die Handlungen und Gegenstände der Messe getaucht
sind (etwa die Gebärden bis hin zum Altarkuß, oder
die Geräte und nicht weniger die Elemente Brot und Wein
als Opfergaben verstanden). Diese Symbolik vergeheimnißt
die Liturgie und läßt offenbar zugleich eine Fülle willkürlicher
Deutungen frei. — Da wächst sich u. E. das Zeremoniell zum
Treibhauswesen aus, wenn es z. B. vom Priester heißt, er übe
„Gewalt aus über Jesu heiligen Leib und heiliges Blut" und
„berühre Jesus mit seinen Händen" (93). Das mutet uns

nicht weniger als Übersteigerung an, als wenn die Meßdiener
den „Engeln" und heiligen Chören gleichen sollen, „die den
Thron Gottes umstehen und dort ihm dreimal Heilig singen"
(97). Da heißen die Zeremonien ein „Prachtgewand, wie es
nur die erfinderische Liebe der Braut für die fortwährende
Feier der Vereinigung mit dem himmlischen Bräutigam unter
Eingebung des heiligen Geistes ersinnen konnte" (101), — wobei
Gleichnis und Verglichenes u.E. zu sehr ineinander gemischt
sind. Da scheint uns nicht nur, wenn der Meßkanon still gebetet
wird und der Priester ihn bloß flüstert, — sondern auch
sonst durchgehend — zu sehr auf eine durch vorgeschriebenes
Verhalten hervorzurufende Ergriffenheit gebaut zu werden.
Daß die Gewöhnung abstumpft, wird vom Verf. gewiß nicht
verkannt und wird immer wieder bekämpft. Aber weshalb
schreibt man dem Erleben, dem Gefühl und dem Willen ihren
Weg vor ? Und weshalb umhüllt man mit menschlichen Mitteln
der Geheimhaltung — es handelt sich im Kanon doch meist
um Schriftworte —, was Gott in aller Öffentlichkeit getan
hat ? — Die Fülle zugleich und die minutiöse Gegliedertheit
der Gefühle, die besonders den Priester, aber auch den mitfeiernden
Laien, nach Anweisung des Verständnisses der Liturgie
und ihres Sinnes, ergreifen soll, ähnelt einer Rolle, die zu
spielen ist, wie denn auch die Messe das „hochheilige Drama"
und das „erhabene Mysterium" genannt wird (156). Aber
damit rührt die Messe eben doch an die psychologischen Wurzeln
der künstlerischen Betätigung im menschlichen Wesen.
Ich meine das nicht etwa in herabsetzendem Sinne. Schauspiel
ist nicht Heuchelei. Aber wer kann denn immer wieder diesen
Reichtum und diese Feinheit der Gefühle dem Verlauf gemäß
persönlich und tatsächlich haben, so gern mau auch in Abständen
stets von neuem die Passionsmusik hört ?! — Die
Messe als „Drama", erst recht als „Wiederaufführung des ursprünglichen
Sterbens Christi" (24), mag in der Mysterienfrömmigkeit
, aber auch in der griechisch-orthodoxen Liturgie,
seine Analogien haben. Uns ist das fremd. Der Gottesdienst
bedeutet wohl, daß die Gemeinde vor das Angesicht Gottes
tritt, hat aber nichts von einer Art szenischer Vergegenwärtigung
heiligen Geschehens an sich.

Wir sind damit zugleich bei dem vielerörterten Problem
des Verhältnisses von „Meßopfer" und „Kreuzesopfer". Verf.
entwickelt die Stellung der katholischen Kirche, die ja gegenüber
der reformatorischen Kritik, daß Jesu einmaliges Opfer
sich nicht durch uns wiederholen lasse, stark die These von
der Identität des ersten Abendmahls, des Sterbens auf Golgatha
und des Meßopfers herausgearbeitet hat. Christus ist
ihr selbst der Opferer auch in der Messe. Der Priester ist nur
sein Stellvertreter (übrigens bis in die Symbolik seiner Gewänder
hinein [92]). Durch dessen Handeln läßt Christus
in der „unblutigen Erneuerung des blutigen Kreuzopfers »sein
Erlösungswerk immer wieder zur Wirklichkeit werden«" (24).
Aber ist in den Worten des Meßkanons selbst die Gleichsetzung
der Opferung Christi durch die Kirche — kraft der
Wandlung liegt Christus „als Opfergabe auf dem Altar" (294)
— mit einem immer erneuten Akt der Selbstopferung Christi
wirklich zu finden ? Wir können es auch nach wie vor nicht
zulässig oder gar notwendig finden, daß Christi einmal für
alle Zeiten gebrachtes Opfer seiner selbst — durch die Kirche,
und wäre es wirklich nur instrumental, zu erneuern oder
zu wiederholen stünde. Das gefährdet den Segen der abgeschlossenen
Handlung Gottes durch Einmengung eigenen
Tuns. Dadurch kann, was gewiß ist, nur unsicher werden, —
um so mehr, als sich bekanntlich für den Katholiken mit dem
Meßopfer unser eigenes Lebensopfer, die Hingabe an Gott,
verbindet, — eine Gleichsetzung, die wiederum in den Worten
des unveränderlichen Meßkanons u. E. nicht steht. (Das Gebet
auf S. 298 ist eigene Umschreibung.) — Soviel Schönes
und Inniges auch in immer wiederkehrenden Gedanken über
solches menschliche Selbstopfer zum Ausdruck kommt, so
droht es doch zu einer Art natürlicher Disposition für das
übernatürliche Selbstopfer Christi zu werden; wir können ja
nicht durch menschliches Handeln göttliches Handeln auslösen
.

Es kommt hinzu, daß Brot und Wein gewiß uns gereicht,
aber nicht von uns Gott dargereicht werden, also nicht unser
Opfer sind, das dann gewandelt würde — ganz abgesehen
davon, daß die Wandlung selbst, also wenn Brot und Wein
aufhören, in ihrem Wesen sie selbst zu sein, ein zwar irgendwie
allegorisch ausdeutbarer, aber ein selbst doch unvollziehbarer
Gedanke ist, wie er denn auch den biblischen Texten
ganz fern liegt und wir die daran geknüpften Allegorisierungen
ablehnen.

Die historischen und exegetischen Fragen sollen hier nicht
aufgerollt werden. Wenn sich auch Momente der Opferfeier
im urchristlichen Abendmahlswesen finden mögen, so ist doch