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Ausgabe:

1948 Nr. 7

Spalte:

435-436

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schubart, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Christentum und Abendland 1948

Rezensent:

Loewenich, Walther

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Seite 1

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435

Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 7

436

Polen erhob Widerspruch. Am Endes des 15. Jahrhunderts
standen sich Byzanz und Rom wieder gegenüber, nur hießen
die Gegner jetzt Moskau und Polen. Moskau ging es dabei
um Ukrainer und WeiLiruthenen, die zu Polen-Litauen gehörten
.

Die Reformation, die in Polen Eingang gewann, fand
auch ihren Weg in die Ukraine. Die Orthodoxie erhielt zahlreiche
Anregungen durch die Reformation. Stark waren besonders
unitarische Einflüsse in der Ukraine. Die Gegenreformation
führte den Kampf auch gegen die orthodoxe
Kirche, der zugleich nationaler Kampf wurde. Die Erhöhung
des Metropoliten von Moskau zum Patriarchen (1589) veranlagte
Polen, die ukrainische orthodoxe Kirche diesem Einfluß
zu entziehen. Das Ergebnis dieser Bemühungen war die
Union vom Jahre 1596, die zwei ukrainische Kirchen, eine
orthodoxe und eine unierte schuf und eine weitere Phase des-
Kampfes zwischen Byzanz und Rom einleitete. So stark auch
der äußere und geistige Druck Roms war, für die ukrainisch-
orthodoxe Kirche war Kiew im 17. Jahrhundert der geistige
Mittelpunkt. Die Lage der Unierten war dagegen schwierig,
da sie bei den Polen keine Unterstützung fanden. Die Versuche
der Polen, die besten Kräfte der Unierten für den
lateinischen Ritus zu gewinnen, waren von Erfolg. Rom dagegen
vereitelte, daß die gesamte unierte Kirche in die lateinische
aufging. Sein Plan, die übrigen Orthodoxen zu gewinnen
, wäre durch das Aufsaugen der unierten Kirche in
Polen gestört worden. Andererseits wurden viele Bemühungen
um Neuordnung der unierten Kirche im Sinn einer Angleichung
an die lateinische Kirche unternommen, der im Jahre 1720
eine wesentliche Förderung fand. Der Kampf zwischen Byzanz
und Rom führte zur Spaltung der Ukraine zwischen Westum
! Ostukraine, hinter denen Polen und Moskau als politische
Vertreter, aber auch als Repräsentanten der römischen und
orthodoxen Kirche standen.

Die Aufklärung schlang zwischen Osten und Westen ein
starkes Band. Der Ukrainer Prokopowytsch am Hofe Peter
des Großen war eifriger Förderer der Wolffschen Philosophie
in Rußland. Andererseits wurden die Unierten in dem Rest
der Ukraine und Weißrutheniens, die in den polnischen
Teilungen von 1793 und 1795 an Rußland gefallen waren,
mit Gewalt zur orthodoxen Kirche zurückgeführt. Im österreichischen
Galizien wurde die Gleichberechtigung der
unierten Kirche mit der römischen, die unter polnischer Herrschaft
nie erreicht wurde, durchgeführt. Die österreichische
Regierung sah in der Gleichberechtigung die beste Abwehr
gegenüber dem Vordringen des orthodoxen Rußland. Byzanz
und Rom stehen sich weiter gegenüber.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stand die österreichische
Verwaltung in Galizien zum Schaden der unierten Kirche der
Ukrainer auf Seiten der Polen.

Die unierte Kirche mußte sich gegen die lateinische
Kirche wehren. Im Jahre 1863 kam es in Rom zu der sog.
Konkordia von Polen und Ukraine. Die unierte Kirche trat
als dritte lieben die lateinische und orthodoxe. Innere Kämpfe
erschütterten die unierte Kirche. In Rußland wurde der polnische
Aufstand von 1831 zur Vernichtung der unierten Kirche
im Westen benutzt. Uber diese äußere kirchliche Entwicklung
der Ukraine hinaus schildert das Buch die geistige, insbesondere
theologische und nationale Entwicklung.

Im letzten Kapitel zeichnet der Verf. die politische Entwicklung
, die 1921 zur neuerlichen Teilung der Ukraine
zwischen Sowjetrußland und Polen führte. Etwa 80% gehören
der Sowjetukraine an. Der Kampf der ukrainischen
autokephalen Kirche und der offiziellen Kirche endete mit
dem Sieg der letzteren. Sie konnte auch Erfolge in der tschechoslowakischen
Karpathenukraine für sich buchen. Die Gebietserweiterungen
Polens im Frieden von Riga 1921 führten zu
einer autokephalen orthodoxen Kirche in Polen. Im Jahre
1928 und 1938 setzten Verfolgungen gegen die orthodoxe
Kirche in Polen ein mit dem Ziel, die Bevölkerung zur römischen
Kirche zurückzuführen. Bereits vorhandene Verbindungen
zwischen unierter und orthodoxer Kirche in Polen
wurden unterbrochen. Rom schwieg dazu. Die Ereignisse von
1945 haben ein neues Blatt der Geschichte des Christentums
in Osteuropa aufgeschlagen, die gehen weit über den
Rahmen einer kirchlichen Auseinandersetzung hinaus.

Berlin Walter Delius

Schubart, Wilhelm: Christentum und Abendland. München: Münchener
Verlag u. Graph. Kunstanstalten (bisher F. Bruckmann) [1947]. VII,431 S.
8». Pp. RM 10.—.

Der bekannte Berliner Papyrologe, der 1945 den Lehrstuhl
für Alte Geschichte in Leipzig übernahm, legt hier ein
Werk vor, das weit über den Rahmen seines eigentlichen

Forschungsgebietes hinausgeht. Das Buch will sich selbst als
ein „Bekenntnis" und eine „Mahnung" verstanden wissen und
kann auch in diesem Sinne auf den verständnisbereiten Leser
wirken, der keine sensationellen „Ergebnisse" erwartet, sondern
sich einen aufgeschlossenen Sinn für besinnliche und besonnene
Rückschau bewahrt hat. Von Prognosen nimmt der
Verf. in begreiflicher Zurückhaltung Abstand. Jedoch bekennt
er sich am Schlüsse seines Buches zu folgendem Urteil
(399): „Die Vereinigung beider geistigen Mächte (Christentum
und Abendland) ist so innig, daß auch der schärfste Verstand
sie nicht mehr zu entwirren vermag." Das Abendland ist zwar
in seiner Existenz bedroht, aber „im Augenblick" ist es „staatlich
und geistig noch etwas Greifbares und dessen auch bewußt
". Als Hoffuungszeichen für eine fernere Synthese von
Christentum und Abendland wird die Gestalt Albert Schweitzers
beschworen (400).

Der Titel des Buches stammt nach den Aussagen des Vorwortes
nicht vom Verf. selbst, sondern von einem nicht genannt
sein wollenden Freunde desselben. Er ist durch die In
tention des Buches gerechtfertigt, obwohl er zunächst Erwartungen
erweckt, denen 111. E. die Durchführung nicht völlig
entspricht. Was das Buch tatsächlich bringt, ist eine fesselnd
geschriebene geschichtliche Darstellung, die in der erfreulichen
Fülle ihrer Einzelheiten die strenge Beziehung auf das Thema
nicht immer evident werden läßt. Die Natur der Sache bringt
es dabei mit sich, daß nicht alles Mitgeteilte auf eigener Forschung
beruhen kann, aber man merkt dem Buche auf Schritt
und Tritt die Herkunft seines Verf.s aus einem Zeitalter
strenger historischer Schulung an. Im einzelnen wird auch der
Fachmann da und dort auf Dinge stoßen, die ihm noch nicht
begegnet sind und die von dem ausgedehnten Wissen des Verf.s
Zeugnis geben.

Einzelne Urteile dürften als gewagt erscheinen. Dafür sei auf folgende
Beispiele verwiesen: „Jesus, der noch kein Christ war und es nicht sein konnte"
(9). „Nach fast 2000 Jahren sind wir nicht einen Schritt weitergekommen,
weil keine Religion und keine Ethik die Grundkräfte der Natur und der göttlichen
Weltordnung, maßlose Schöpfung und malilose Vernichtung, Liebe und
Haß, Grausamkeit und Güte jemals zu ändern vermögen" (37). „Die viel beklagte
Habgier der Kurie entfremdete sie christlicher Lebenshaltung, war aber
unvermeidlich, seitdem sich die abendländische Welt um Kirche und Papst
drehte" (107). Die Mystik Meister Eckharts ist eine Religion, „die nicht mehr
christlich ist" (157). Mit dem sola scriptum schuf Luther „einen Zwang, der
enger und gefährlicher war als ihn die alte Kirche wollte und duldete, wie
denn auch gerade das Luthertum unter der Tyrannei der Bibel gelitten hat"
(226). „Das Luthertum wie der gesamte Protestantismus tat einen großen
Schritt zur Auflösung der Kirche, letzten Ende auch des Christentums. Denn
er hob mit der Tradition den Halt auf, den jede Religion und Kirche an ihrer
Vergangenheit haben muß, und er nahm ihr den Gottesdienst im genauen

Sinn" (227)......Calvin, der für die Geschichte des Abendlandes, ja der Welt

ungleich mehr bedeutet als Luther, obgleich er als Persönlichkeit weder an
seine Tiefe noch an seine innere Freiheit heranreicht" (233). „Dagegen hat
niemand ein Recht, sie (nämlich die Jesuiten) zu beschuldigen, wenn auch sie
nach dem Allerweltsgrundsatz verfahren, der Zweck heilige die Mittel; denn
ihn zu verwerfen, bedeutet die meisten menschlichen Handlungen aufzuheben"
(241). Die Empörung und der Hohn über die päpstliche Unfehlbarkeitstheorie
sind von „zweifelhaftem Rechte; denn auf anderen Gebieten wurde und wird
ein solcher Anspruch öfter erhoben und anerkannt, als man glaubte und
glaubt" (359). Auch sonst wird gelegentlich die katholische Kirche im Unterschied
zum Protestantismus sehr positiv beurteilt (z. B. S. 400 oder 396 unten),
während gegenüber dem „Erwachen" der protestantischen Theologie in der
Gegenwart eine starke Reserve zu beobachten ist. Auf S. 91 wird versehentlich
der ontologische Gottesbeweis Anselms der Schrift „Cur Deus homo"
entnommen.

Der theologische Leser wird vieles aus dem Buche dankbar
entgegennehmen. Es kann ihm freilich nicht entgehen,
daß der Verf. der Wiederentdeckung reformatorischer Theologie
in unserer Gegenwart nur objektiv referierend gegenüberstellt
. Was Kirche und Theologie in dem „Kirchenkampf"
an Erkenntnissen gewonnen haben, kommt in dem Buche
nicht zur Geltung. Das macht sich sowohl in der Beurteilung
der Reformation wie in der Darstellung der Theologie des
19. Jahrhunderts bemerkbar. Darüber hinaus wirkt es sich
selbstverständlich auch in der Gesamtauffassung des Themas
aus. Ein stärkeres Berührtsein von der theologischen Situation
der Gegenwart hätte wohl der Fragestellung von Nutzen sein
können. Aber diese Kritik soll den Dank nicht beeinträchtigen
.

Erlangen W. v. Loewenich

Foerstl, Johann Nep., Dr.: Kleine Kirchengeschichte der Stadt Regensburg
. Regensburg: Habbel 1946. 80 S. kl. 8". RM 3.—.

Der Titel des Büchleins ist nicht ganz zutreffend. Von
einer Berücksichtigung der evangelischen Gemeinde ist abgesehen
. Und doch gab gerade diese der Stadt immer