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Ausgabe:

1948 Nr. 7

Spalte:

429-431

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Koschaker, Paul

Titel/Untertitel:

Europa und das römische Recht 1948

Rezensent:

Mitteis, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 7

430

Rudolf Koch, der Werkmann Gottes, hat daran erinnert,
daß zur Tempelreinigung zunächst einmal Scheuereimer,
Besen und Staubtuch gehören. Wer kann sagen, daß diese
Erinnerung heute überflüssig ist ? Und wenn einer klagt, „dergleichen
gibt's ja nicht", dann frage er nur alle, die ihre Kirche
noch lieb haben, er wird, es finden.

Aus einem Grundsatz folgt alles: Wort und Sakrament
sollen dem vor dem Angesicht seines Herrn versammelten
Volke Gottes, der Gemeinde Christi, die dem Rufe des guten
Hirten folgt, als nutrimentum spiritus, als Wegzehrung auf
dem Wege zwischen den Zeiten, zwischen den beiden Welten,
sie sollen den Heimkehrern Gottes, seinen verlorenen Kindern,
die sich aufmachen wollen und zu ihrem Vater gehen, als Brot
des Lebens, als Himmelstrank, der den Durst der Seele stillt,
geboten werden. Wort und Sakrament sollen unserm armen
schwachen Geist von Gottes heiligem Geist gespendet werden.
Deshalb helle Kirchen! Kirchen im Sachstil unseres arm gewordenen
Landes! 'AnXovs 6 fiv&og rrjs äXt}&ebt.e Keine Plastik!
Man sollte Bucer nicht allzu leichtfertig mit Judas (Job. 12,1 ff.)
in eine Reihe stellen, wenn er schreibt (Grund und Ursach):
„Den Christus von Holz und Stein schmücken wir, während
der Christus auf der Gasse nackend bleibt." Keine Glasgemälde
, keine Bilder über dem Abendmahlstisch oder an der
Wand, keine Bilderzyklen, erst recht keine Pastorenbilder,
keine vieldeutigen Symbole, keine lateinischen, keine griechischen
Inschriften! Das heißt nicht: kahle, kalte Räume!
Wir haben Beispiele genug dafür, daß reformierte Kirchen
traulich und erhaben zugleich anmuten können, wenn sie einen
Baumeister gefunden haben, dem es Gott gelingen ließ, einen
Baumeister, der Interesse für seine Kirche hat, so daß er mit
beiden Füßen drinnen und nicht draußen steht, mit seiner
Kirche lebt, betet, glaubt, hofft und liebt. Reformierte Kirchen
müssen nicht, wie Dehio einmal Smend geklagt hat, den
Gipfel der Stimmungslosigkeit darstellen. Schmucklose Kirchen
sind nicht kunstlose Kirchen. „Das Fehlen von Form '

KIRCHENGES CHI CHTE: ALL GEMEINE S
UND TERRITORIALKIRCHENGESCHICHTE

Koschaker, Paul: Europa und das römische Recht. München/Berlin:

Biederstein 1947. XII, 378 S. gr. 8». RM 12.50.

Es ist eine Freude, ein Werk anzeigen zu können, das
schon in normalen Zeiten als Großleistung gegolten hätte, jetzt
aber die repräsentativste Erscheinung der Nachkriegszeit darstellt
, und zwar über weit das engere Fachgebiet hinaus. Ein
Forscher, der, vom römischen Rechte ausgehend, in unendlicher
Mühe das Gebiet der altorientalischen Quellen (des
„Keilschriftrechtes") der Wissenschaft neu erobert hat, gibt
hier auf breitester Basis in gesamteuropäischer Schau einen
Rechenschaftsbericht über den großen Kulturprozeß der Aufnahme
des römischen Rechtes, über seine Stellung in Vergangenheit
, Gegenwart und Zukunft — ein Thema, das nicht
nur den Juristen, sondern jeden geistesgeschichtlich Interessierten
unmittelbar angeht. Eine staunenswerte, mit strenger
Kritik gepaarte Belesenheit hat ihm das Eindringen in
Problemkreise ermöglicht, die dem antiken Rechtshistoriker
bislang fernlagen. Schon 1938 hat K. eine Schrift mit dem
Titel „Die Krise des römischen Rechtes" erscheinen lassen,
deren zweite, auf mehr als das Doppelte erweiterte Auflage
das Buch von 1947 darstellt. Galt es damals, verständnislosen
Angriffen gegen das römische Recht und seine Lehre mutig
entgegenzutreten, so wird jetzt, bei veränderter Sachlage, der
ganze Stoff in die Sphäre echter Wissenschaft erhoben, wenn
auch die bange Frage nach der Zukunft des romanistischen
Rechtsunterrichts immer noch im Hintergrund steht.

K. beginnt mit dem Problem der Bildung einer europäischen
Kultur, wobei er, den Spuren H. Pirennes folgend,
de n ursächlichen Zusammenhang mit dem Auftreten des Islam
und die dadurch endgültig gewordene Trennung des Ostens
vom Westen scharf hervorhebt. Zum antiken und christlichen
tritt als drittes Kulturferment das germanische; das richtige
Mischverhältnis dieser drei Elemente zu bestimmen wird wohl
noch lange ein Hauptanliegen der Kulturgeschichte bleiben.
Auf ihnen beruht auch das Imperium Karls d. Gr., dessen
rein staatliche, römisch-antike Komponente von der im germanischen
Sinne umgeformten christlichen überlagert wird.
Das Imperium Romanum war nur Substrat, nicht Substanz
des Karlsreiches. Dem Mediaevisten wird hier in dem Buche
eines Romanisten die derzeit beste Uberschau der Problemlage
geboten. Weiter verfolgt K. das überdauern der „Rom-
idee", deren kulturelle Seite sich von der politischen wohl

und Farbe kann genau so stark dem Worte Gottes den Eingang
wehren, wie ihre Auffälligkeit und Aufdringlichkeit"
(Albertz, Kirchenbuch S. 341)'. Möglichst viele Plätze auf
möglichst kleinem Raum, möglichst nahe an der Kanzel und
an dem leicht zugänglichen Abendmahlstisch! Nach den
Regeln der Akustik ist der rundliche Grundriß bei weichen
rauhen Flächen, die mäßig erhöhte Kanzel vor den fächerförmig
ansteigenden Sitzen anderen Anlagen vorzuziehen
(ebenda S. 342). Die Orgel und der Sängerchor der Gemeinde
haben ihren Platz im Angesicht, nicht im Rücken der Gemeinde
, mit der sie doch verkehren, mit der sie sich doch in
Lob und Dank, Bitte und Fürbitte, in das gesungene Wort
Gottes, das gesungene Bekenntnis teilen sollen, ohne daß sich
viele erst umzudrehen brauchen. Der Taufstein und der
Abendmahlstisch stehen inmitten der Gemeinde. Dort hat
auch der Diener am Wort mit den Presbytern seinen Platz,
nicht in der Sakristei. So entspricht es der norma normans,
d. h. dem Worte Gottes in der Heiligen Schrift, der Anwendung
ihrer Grundsätze hier und heute.

Christus spricht: „Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die
müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten" (Joh. 4, 24).

Ich kann nicht besser schließen als mit dem Wort, mit
dem Luther seine Schrift „Von der Ordnung des Gottesdienstes
in der Gemeinde" (1523) geendet hat:

Die Summa sei die, daß .. . das Wort im Schwang gehe und nicht wiederum
ein Lören (Ableiern unverstandener Worte) und Tönen daraus werde, wie
bisher gewesen ist. Es ist alles besser nachgelassen, denn das Wort, und ist
nichts besser getrieben denn das Wort; denn daß dasselbe sollte im Schwang
unter den Christen gehen, zeigt die ganze Schrift an, und Christus auch selbst
sagt, Luk. 10, 39. 42: Eins ist vonnöten, nämlich daß Maria zu Christi Füßen
sitze und höre sein Wort täglich, das ist das beste Teil, das zu erwählen ist
und nimmer weggenommen wird. Es ist ein ewig Wort, das Andere muß
alles vergehen, wie viel es auch der Martha zu schaffen gibt. Dazu helfe uns
! Gott! Amen."

kaum scharf trennen läßt. Sie begründet das Wiedererwachen
des Rechtsromanismus, das von den Kaisern geförderte Studium
in Bologna, in dem eine echte Praetorenaissance zu erblicken
ist, da sich die Kontinuität des römischen Rechtes in
Italien nicht erweisen läßt. Vielleicht könnte man den Einfluß
der Frühscholastik und der sich gleichzeitig formenden Kano-
nistik noch schärfer betonen als es K. tut. Diese nuova scienza
liefert schon den Saliern, erst recht den Staufern die Waffen
gegen päpstliches Machtstreben, aber später auch den werdenden
Nationalstaaten gegen das Imperium. Da seine Kraft
mehr auf Autorität als auf Qualität beruhte, mußte sein Sieg
in Deutschland am vollständigsten sein, wo die Reichsidee es
trug und kein geschlossenes Nationalrecht ihm Widerpart
leistete. Zugleich entstellt im Zeichen der Hoch- und Spätscholastik
die erste europäische Rechtswissenschaft als
„Juristenrecht". Diese soziologische Kategorie erstmals beschrieben
zu haben, ist ein besonderes Verdienst K.s. Der
Juristenstand ist stets traditionalistisch und konservativ, er
drängt zur Kodifikation und fordert das Monopol der Exegese,
kann aber nicht, wie Savigny es wollte, als Exponent des
„Volksgeistes" aufgefaßt werden. Bei dieser Gelegenheit
möchte ich anregen, einmal eine Geschichte des juristischen
Prüfungswesens zu versuchen; es würde sich wohl ergeben,
daß der Zwang zur examensmäßigen Aufbereitung des Stoffes
auf die juristische Denktechnik nicht ohne Einfluß geblieben
ist.

Die Frage des Juristenrechts führt weiter zum Hauptthema
der Rezeption des römischen Rechts selbst. Es mag
wohl an der Unerschöpflichkeit des Stoffes liegen, daß trotz
glänzender Einzelpartien diese Kapitel keinen geschlossenen
Gesamteindruck vermitteln. Ausgezeichnet beobachtet ist hingegen
wieder das Herauswachsen der historischen Rechtsschule
aus dem Naturrecht. „Historismus und Naturrecht
sind Antipoden, die sich mit den Füßen berühren" (S. 248).
Aus dieser Synthese erwuchs die Pandektistik des 19. Jahrhunderts
, die gerechter gewürdigt wird als es meist geschieht.
Der eigentliche „Historismus" bricht indessen erst am Ende
des kl Jahrhunderts durch; er beseitigt das Monopol des Corpus
juris, ebenso aber seine Autorität, indem er es historischer
Kritik unterwirft — die Analogie zur Bibelkritik liegt nahe —;
er erobert große neue Gebiete — Franz Wieacker spricht von
einem „Alexanderzug" — und entwirft das großzügige Programm
einer antiken Rechtsgeschichte, innerhalb deren das

') Vgl. auch den Aufsatz von Reg-Baurat Touren über den ,,Reformierten
Kirchenbau" in den Mitteilungen aus dem Kirchl. Hilfswerk der EKD
1948, Nr. 14, S. 244 f.