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Ausgabe:

1948 Nr. 6

Spalte:

362-363

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Kittel, Helmuth

Titel/Untertitel:

Evangelische Unterweisung und Reformpädagogik 1948

Rezensent:

Esken, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 6

362

RELIGIONSPÄDAGOGIK

Kittel, Heimuth, Prof.: Vom Religionsunterricht zur Evangelischen
Unterweisung. Wolfenbüttel-Hannover: Woifenbütteler Verlagsanstalt
1947. 115 S. 8» = Arbeitsbücher für die Lehrerbildung, Hrsg. Prof. Dr.
O. Haase, Bd. 3. RM 6.—.

Das Buch ist als Band 3 der „Arbeitsbücher für die
Lehrerbildung", Herausgeber Prof. Dr. Otto Haase, erschienen
und will der Arbeit in den Hochschulen für Lehrerbildung
dienen. Einem grundlegenden Abschnitt über „Lage
und Aufgabe" folgen „theologische Lehrtexte aus Luthers
Werk" als Material für Übungen, „Arbeitshilfen" und ein
„Lehrplan für die Evangelische Unterweisung an Volksschulen
" von Prof. Ilse Peters.

Der grundlegende Abschnitt führt die Besinnung weiter,
die mit Theodor Heckeis Buch: „Zur Methode des Religionsunterrichts
" 1928 und Bohne: „Das Wort Gottes und der
Unterricht" (1929) einsetzte und von Martin Rang: „Biblischer
Unterricht" (1936) und Oskar Hammerbeck: „Kirchlicher
Unterricht" (1939) zu einem gewissen Abschluß gebracht
wurde.

Während sich diese Bücher an kleinere und seit 1933 an
kleinste Kreise wandten, sucht die vorliegende Schrift diese
Besinnung für die breite Schulwirklichkeit fruchtbar zu
machen und, wie der Titel zeigt, den Weg zu einer neuen Gestaltung
des öffentlichen Religionsunterrichts zu bahnen. In
dem Abschnitt „Lage und Aufgabe" wird zunächst die Notwendigkeit
der Änderung der Fachbezeichnung begründet.
Seit der Aufklärung ist das „Christentum nur noch als Religion
unter Religion" erschienen. „An die Stelle Gottes als Inhalt
eines konkreten Glaubens trat entweder ein religionsphilo-
sophischef Begriff, wie z.B. „das Absolute", oder ein religious-
psychologisches Phänomen, wie z. B. „Das Gefühl der Unendlichkeit
" (S. 5). Im Unterricht der Schulen traten „neben die
christlichen Stoffe bald auch halbchristliche" (S. 6), und diese
Mittel sollten genutzt werden, „die religiösen Anlagen des
Kindes zu wecken und zu pflegen". (Amtliche Richtlinien für
den evangelischen Religionsunterricht 1922.)

In diese Entwicklung „ist nun die evangelische Theologie
(Barth, Gogarten) eingebrochen" und hat „sämtliche theologischen
Disziplinen befruchtet" (S. 6). Von dort erfuhren auch
„Theorie und Praxis des Religionsunterrichts heilsame Einflüsse
" (Bohne, Rang), „sämtliche didaktischen und methodischen
Probleme waren neu zu durchdenken" (S. 7), es war
„ein Beginnen, in dem wir heute noch mitten inne stehen"
(S. 7). Daran waren nach 1933 auch Kreise der bekennenden
Kirche beteiligt, Albertz und Fork: „Evangelische Christenlehre
" und Oskar Hammerbeck s. o. Das Ergebnis dieser Besinnung
und der Ausgangspunkt unserer gegenwärtigen Arbeit
ist die Erkenntnis, daß der Inhalt des Religionsunterrichtes
allein das Evangelium von Jesus Christus ist. Das soll der
neue Name sichtbar machen. Die Auswirkung erstreckt sich
auf alle Gebiete der Evangelischen Unterweisung,
die als Ziel ein „gemeinsames Hören von Lehrer und Kind
auf Gottes Anrede in der Heiligen Schrift" (S. 17) hat. Im
Vordergrund steht die Bibel als das Wort Gottes au uns.
„Evangelische Unterweisung ist Unterweisung im rechten Umgang
mit dem Evangelium", „Gottes Wort in Jesu Christi Wort
und Werk hören", von Gott wirklich angeredet sein. Es kommt
darauf au, „die Bibel den Kindern nicht zum bloßen historischen
Dokument, nicht zur Sammlung religiöser Theorien, nicht zum
moralischen Gesetzbuch, sondern zur Offenbarung des Heiligen
(persönlich, nicht sächlich) an uns werden zu lassen" (S. 9).
„Zum Lehrer der heiligen Schrift wird man nur durch das
Gebet um Gottes Geist" (S. 10).

Die anderen Lehrgebiete sind auf dieses Zentrum ausgerichtet
, das Gesangbuch ist „Lehrbuch zum Beten" und
als solches „Siugebuch" (S. 10), der Katechismus enthält
„die Lehre der Schrift in bündiger Form" und ist „Maßstab
unserer Auslegung der Schrift". Daraus erwächst die Forderung
der „geschlossenen Behandlung" und der „lebendigen
Aneignung der Texte aus unserem Heute und Hier heraus"
(S. 12). Die Kirchengeschichte ist eingeordnet in den
„eigentlichen Sinnzusanimcnhang", der vom Evangelium bestimmt
ist und hat „Beispiele des Geisteseinpfangs aus den verschiedensten
Epochen bis zur Gegenwart zu geben" als
„exempla fidei" (S. 13).

Der Sinn der Schulandacht ist „Vollzug dieses Betens
um den heiligen Geist, der die Heilige Schrift aufschließt"
(S. 17) im „Bitten um Sündenvergebung, im Dank und Lobpreis
Gottes" (S. 18).

Ein solcher Unterricht, der Anrede Gottes ist, muß dann
führen zur „Heiligung unserer Schulgemeinschaft" (S. 20) in

der Gestaltung des Schulalltages. Nachdem so der Sinnzusammenhang
der verschiedenen Gebiete der Evangelischen
Unterweisung aufgedeckt worden ist, werden Folgerungen gezogen
. Die Methode wird entscheidend zweitrangig. Sie soll
helfen, „Gottes Wort in der eindeutigen und einmaligen Bestimmtheit
seiner gegenwärtigen Anrede vernehmlich zu
machen" (S. 21). So kann hier keine Normalmethode herrschen
, sondern Freiheit. Für die übrigen Volksschulfächer
sieht der Verf. eine Abkehr von dem „bürgerlich-idealistischen
Menschenbild", das als „Bildungsideal" (S. 22) die „Arbeit
der Volksschule" beherrscht, zu einer „Entmächtigung der
Fächer als weltanschaulicher Basis", zu ihrer Freiheit in echter
Weltlichkeit.

Alles Ausgeführte steht schon im Zusammenhang des
kirchlichen Lebens „von der Kirche her" und „auf die
Kirche zu" (S. 26), nimmt teil an der Aufgabe unseres Geschlechts
, die sichtbare Kirche „von der Kirche des Glaubens
her und auf sie zu zu erneuern" (S. 27). So ist das Kind angesprochen
als Getauftes, als Geschöpf Gottes, unter seinein
Gesetz stehend und dagegen verstoßend, aber zur Kindschaft
berufen. Der Lehrer hat „Auftrag und Amt zur Evangelischen
Unterweisung von der Gemenide Christi erhalten"
(S. 33) und kann es nur unter der Voraussetzung ausführen,
daß er selbst Gottes Wort in der Bibel gehört hat. „Redet
Gott nicht zu dem bestimmten Lehrer, dann kann dieser eben
nicht Gottes Wort sagen" (S. 37). „Ergriffenheit von Jesus
Christus" im Sinn von Phil. 3, 12 ist für ihn Voraussetzung.
Ihm wird ein Amt der Kirche übertragen und so bestellt eine
„Amtsbrüderschaft zwischen Pfarrern und Lehrern" (S. 38),
wenn sie in gemeinsamem Schriftstudium und gemeinsamem
Gebet deii Geist empfangen, durch den Gott sie zu Brüdern
macht.

Sehr beachtlich ist das zur Schulpolitik der Kirche

Gesagte.

Von einem Verständnis der Kirche als „geistlicher, nicht
politischer Realität" ausgehend, gibt es keine „christliche
Schule und christliche Lehrerschaft", die als Partner in einem
Verhältnis zu ihr ständen, sondern sie sind immer schon ihre
Glieder. „Das Leben ohne Macht ist das eigentliche Leben
einer Kirche" (S. 41) und darum „kann eine evangelische
Kirche keine Schulpolitik machen", statt dessen „müssen wir
als Glieder unserer evangelischen Kirche alles daran setzen,
Kirche in der Schule zu leben" (S. 42).

Das Kapitel „Freiheit" — „die uns mit dem Evangelium
geschenkt wird" (S. 44) — führt zum letzten, das der
Verf. zu sagen hat. Sie ist „Geschenk des Geistes Gottes, der
nun die Führung der Freigesprochenen übernimmt" (S. 44)
und Grundlage des Lehrerseins. „Als die durch Gott von
unserer Schuld Befreiten haben wir unseren Kindern nur noch
Gottes Gesetz und sein Evangelium zu sagen." „Unsere
eigentliche Wiedergeburt als Erzieher wirkt sich dahin aus,
„daß wir unsere Kinder zu lieben vermögen als die, die sich
selbst verwarfen" (S. 46).

So ist das erste Erfordernis der Umkehr vom Religionsunterricht
zur Evangelisehen Unterweisung ein „Umdenken"
des Lehrers selbst, der, um das Evangelium sagen zu können,
lernen muß, die Schrift auszulegen, so daß er zu einem „Leben
und Denken von der Schrift her" (S. 48) geführt wird. Diesem
Umdenken sollen die Luthertexte dienen, die über ein Drittel
des Buches füllen.

Zu beachten ist auch der angefügte Lehrplau von Prof.
Ilse Peters, der wirklich neue Wege versucht.

Das Buch ist ein Beitrag zur Besinnung über den Neubau
des Religionsunterrichts. Es betont als Entscheidendes
das Wirken Gottes selbst, der Glauben wirkt. Die Evangelische
Unterweisung ist aber nicht nur Verkündigung, sondern
als Unterricht hat sie auch die Aufgabe, Wissen zu vermitteln,
einen Stoff, der Mcnscheuwort ist, die Kraft Gottes in sich
enthaltend. Dieser „weltlichen Seite" der Evangelischen
Unterweisung geht der Verf. in dem Büchlein „Evangelische
Unterweisung und Refonnpädagogik" nach.

Nierenhof/Uuhr W. fisken

Kittel, Heimuth, Prof. Lic: Evangelische Unterweisung und Reformpädagogik
. Eine Untersuchung zur Methodenlehre evangelischer Unterweisung
. Lüneburg: Heliand-Verlag (1947]. 47 S. H°.

In dem oben besprochenen Buch treten die methodischen
Probleme in den Hintergrund. In allen Veröffentlichungen
zur „Neubegründung einer eigenständigen Evangelischen
Unterweisung" (S. 3) geht es wesentlich um eine neue Erfassung
des Gegenstandes. „Wer künftig Evangelische Unterweisung
erteilt, soll sich in erster Linie zur Schriftauslegung
berufen wissen, überzeugt, daß ihm, wenn sie gelingt, auch der
Unterricht gerät" (S. 3).