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Ausgabe:

1948 Nr. 5

Spalte:

302

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Kutter, Hermann

Titel/Untertitel:

Vor dir ist Freude die Fülle 1948

Rezensent:

Lichtenstein, ...

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361

Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 5

302

von der Verkündigung und der Seelsorge das alte Evangelium
und die alte Liebe in neuer Intensität, in dieser neuen Intensität
liegen neue und alte Gefahren, Weisheit ist not — und die
Frucht des aufgerissenen Bodens ist in summa nicht viel
größer als die vordem, wenn auch seltsamer; aber es gilt
1. Kor. 3, 6—9. Es fällt auf, daß das Evangelium nicht als
„Krisis der Krise" erscheint (obwohl von Dänemark eine Zunahme
der Barthischen Theologie berichtet wird, freilich auch
ein Anwachsen des Einflusses der „Gruppe"). Dagegen ist das
Thema „Gesetz und Evangelium" ausdrücklich auf die Formel
„Evangelium und Gesetz" gebracht worden (vgl. z. B. S. 134t.)
„Vom Zentrum des Evangeliums geht der Weg zum Alltagsleben
, und es gilt (daher), sich von der Not der Wirklichkeit
her allzeit in (dies) Zentrum vorzuarbeiten." Das geschieht
denn auch in vorbildlich ruhiger, unerhitzter Weise. Das Buch
macht im ganzen den Eindruck, daß die nordischen Lutherischen
Kirchen in Krisenzeiten sich und die Ihrigen noch
stärker als sonst um ihre Substanz sammeln und so ohne Umsturz
durch die Krise kommen.

Gerne bucht man, daß auch im Norden die Homiletik ihren Hauptgegenstand
im Inhalt der Verkündigung sieht und die „technischen" Fragen erst
in zweiter Linie behandelt (sie scheinen aber in Sigtuna doch merklich interessiert
zu haben, die S. 153—164 sprechen von ihnen: für den Oesprächston,
für und wider die Alltagssprache, gegen die „Salbung" und den „Kanzelton",
für Einfachheit und Wärme, gegen Wiederholungen und Länge, gegen die zu
starken Worte, für und wider die „Spruchpredigt", für die Homilie, gegen die
Häufung von Bibelzitaten — „die Frage nach der Form der Predigt ist nicht
belanglos"). Ebenso erfreut die Sicherheit, mit der aller Verkündigung (außer
in „Vorträgen") der Textinhalt zur Aufgabe gewiesen wird, während die Zeit-
und Hörerzugewandtheit der Verkündigung durch die „Anwendung" des Textinhaltes
erreicht wird. (Westman, S. 16: Der Verkündiger soll in der Not seiner
Zeit und in den Problemen seiner Zeit leben — was er aber predigt, soll nicht
vom Menschen, sondern von Gott her bestimmt sein.) — Und nun die Schilderung
der Krisenzeit, ihrer Not und ihrer Probleme. Die große Säkularisierung
bis zum praktischen Materialismus hatte auch die nordischen Länder kräftig
erfaßt. Die Krisenzeit brachte nun einen neuen Ernst zum Hören auf Gottes
Wort, dazu ein Verlangen nach tieferer Gemeinschaft, eine Wiederbesinnung
auf die sittliche Forderung, sogar der Abendmalilsbesuch nahm zu. Aber je
länger die Krise sich hinzog, um so deutlicher schwächte sich die Geneigtheit
zum Hören wieder ab. der Rundfunk absorbierte viel von der Hörwiiligkeit
(Westman, S. 27: Die Stunden des Nachrichtendienstes im Radio wurden des
modernen Menschen horae canonicae). Was schließlich als Resultat blieb, das
nennt unser Buch immer wieder „die wohlwollende Gleichgültigkeit gegenüber
Christentum und Kirche". Die offene Feindseligkeit gegen Christentum und
Kirche hörte auf aktuell zu sein, doch galt die positive Wertschätzung des
Christentums und der Kirche doch mehr den anderen, den Menschen im allgemeinen
, die eigene Person wurde angenommen. Man erkannte im Christentum
die beste Stütze der Volksmoral, der sittlichen Volkskraft, die Rettung
des Rechtsbewußtseins und der Rechtsordnung, der nordischen Freiheit und
Demokratie — aber lebendiges Christentum entstand an dieser Stelle selten.
Auch blieb die von den Pietisten und Grundtvigianern erhoffte evangelische
Neuerweckung großen Stiles aus; was sich ergab, war die nationale Erweckung.
Wegen der im Norden bestehenden „Volkskirche" erhoffte man trotzdem von
der nationalen Erweckung auch eine kirchliche Förderung — eine Hoffnung,
für welche wir nur starkes Mißtrauen übrig haben. Finnland scheint in etwa
eine positivere Sonderrolle gespielt zu haben, im sog. Winterkrieg" gab es
dort viel christliche Neubesinnung und manches Erlebnis aus dem christlichen
Wesensgrunde — aber mancher wunderte sich nachher dessen und der Rückschlag
war deutlich. Doch wußte sich überall Verkündigung und Seelsorge gerufen
, jenen Ansätzen, Erlebnissen Rückschlägen mit Wort und Sakrament
Pflege zu widmen. Als Voraussetzung erkannte man in Sigtuna die eigene
ernsthafte Christlichkeit des Verkündigers und Seelsorgers, und Berdjajews
Wort vom „rhetorisch unterminierten Christentum, welches manch heiliges
Wort, aber keine wirksame Heiligket" enthält, wurde als Warnung aufgerichtet.
„Es ist nicht genug, auf Seiten der Wahrheit zu stehen, man muß auch in der
Wahrheit leben", sagte ein „Laie" zu den Theologiestudenten von Uppsala.
Scharf bekämpft wurde die These eines hohen schwedischen Offiziers: „Unsere
Feldgeistlichen haben die Aufgabe, den Soldaten Mut einzuflößen" — in Sigtuna
antwortete man darauf: Das Vaterland darf nicht an die Stelle des Reiches
Gottes gesetzt werden, selbst der Friedensgedanke nicht über Christus. Das
Problem „Christentum und Vaterland" wurde stark empfunden; man sagte:
Das Vaterland ist eine Gabe Gottes und ein gottgegebener Ruf, also eine Aufgabe
von Gott herl Interessant: in Dänemark mußte man es gegen die pietistischen
Kreise durchsetzen, daß Christentum und dänischer Volksglaube zusammengehören
, dagegen in Finnland hatte die nationale Bewegung einige ihrer
stärksten Wurzeln im ruotsalainenschen Pietismus. So verlangt man einen
„klaren nationalen Ton" in den Predigten und berief sich für dieses Verlangen
auf die Propheten und die Psalmen, überhaupt auf das AT. Aber man forderte
zugleich: Reinigung des patriotischen Fühlens von der Bibel her, Bekämpfung
alles nationalen Hasses, allen Rachegefühls, allen Staatskults; die Predigt soll
nicht zu einer politischen Aktion führen; Reich Gottes über allem Vaterland,
Friede auf Erden, auch ökumenischer Kirchenfriede, soziale Verantwortung
usw. (Wir Deutschen können den Männern von Sigtuna unser Verständnis und
unsere Hochachtung bezeugen, aber uns hat unsere „Krisenzeit" gelehrt: Auch

das Vaterland ist Welt im Sinne der gefallenen Schöpfung mit allen Konsequenzen
des „Fürsten dieser Welt"; eine „Ordnungstheologie" in einem positiven
Sinn, auch dem der „Anknüpfung", kann bös verführen; so bleibt der
Schluß: Das Vaterland ist für die Kirche ein Stück der durch Gottes Christustat
zu erlösenden Welt, unser Stück Welt, und unsere Liebe gilt der Erlösung
unseres Vaterlandes durch Christus. So übersetzen wir auch das AT ins Christliche
.) Hatte man zunächst in Sigtuna die Ansicht vertreten, „theoretische
Probleme" in der Predigt und Seelsorge zu meiden, so ergab sich aus der
weiteren Diskussion, daß solches Unbarmherzigkeit wäre und daß „Wahrheitsbewußtsein
und Echtheitsforderung" Antwort auch auf solche Fragen verlangen
(der Schicksalsglaube, die Theodizee — hier lasse man besser merken,
daß man auch keine Patentlösung habe und selbst ein mitsuchender und mitleidender
Mitchrist sei! — das Gebet, Gott und der Krieg, Gott und die Politik,
Gott und die Not, der Krieg als Strafe Gottes, aber nicht direkt, sondern
„immanent", der Krieg als Gottesgericht über unsere falschen Wege, das stellvertretende
Leiden, Christi Passion). — Die Seelsorge wurde insonderheit als
Seelsorge von Einzelnen gesehen, so daß sie als Fortsetzung der Predigt, die
Predigt als Einleitung der Seelsorge erschien. Die Beichte wurde als die Hauptform
dieser Seelsorge gewürdigt. Eine bittere Bemerkung Zetterbergs (S. 168):
In Schweden sei die Seelsorge beinahe zur letzten Ölung geworden; aber Ankar
proponierte: Die Einzelseelsorge ist in Schweden im Werden, sie kommt allmählich
auf, die Sache geht vorwärts, wenn auch nicht im Sturmschritt. Von Finnland
wurde gesagt: „Nicht eine einzige Tür ist für den Priester verschlossen".
Als „Grenzen der Seelsorge" wurden bezeichnet: der ärztliche Sonderbereich-
die Erotik, der Dämonismus — aber hier tritt das Gebet und die Liebe des
Seelsorgers durch die verschlossene Tür.

Unter den Quellen zur Geschichte des Christentums in
der neueren Krisenzeit wird Rosenqvists Buch seine Bedeutung
behalten. Für die Praktische Theologie wird es zugleich ein
Lehrbuch werden, das aufgewühlten Zeiten das Kreuz Christi
als Heilszeichen aufrichtet.

Wertingen Leonhard Fendt

Kutter, Hermann, Pfarrer: Vor dir ist Freude die Fülle. Nachgelasseue
Kinderlehr-Blätter. St. Gallen: Schweizerischer CVJM-Vlg. 1946. 198 S.
kl. 8».

Was Hermann Kutter, der Vater, einst vor einem Menschalter
Pfarrer am Neumünster in Zürich, in der Kinderlehre
taufrisch wie die Bächlein in den Walliser Bergen aus
dem 1. Mosebuch kleinen und großen Kindern geboten hat,
um Freude und Erfrischung in müde Herzen zu tragen, das
hat Hermann Kutter, der Sohn, Pfarrer in Basel, herausgegeben
und bietet es unserm müde gewordenen Geschlecht
an. Wir müssen ihm dafür dankbar sein, denn es ist viel
wahres Glaubensleben, oder soll ich treffender sagen: Lebensglaube
, lebendig gewordener Glaube darin — freilich für
Kinder weniger, als für Kinder gebliebene Erwachsene, m. E.
geeignet für solche, die sich Kindersinn bewahrt haben oder
sich ihn — vielleicht durch diese Blätter — von Gott schenken
lassen. Mir fehlt freilich darin das, wie wir heute mehr als
früher gelernt haben — das Alte Testament mit dem
Blick auf Christus zu betrachten; so bleibt doch manches
, wenn auch der Form nach lebensfrisch, im Moralistischen
hängen; immerhin möchte ich Luthers Urteil über die
Apokryphen darauf anwenden: „nützlich und gut zu lesen".
Formell lernen wir daraus, was Katecheten und Kindergottes-
diensthelfern not tut: frisches Erzählen. Und wir merken, daß
„Gottes Brünnlein Wassers die Fülle hat". Das aber muß
heute mehr denn je klar ausgesprochenes Ziel — auch über
alttestamentlichen Texten — sein: „Wer da dürstet, der
komme zu Mir und trinke!"

Berlin F. A. Lichtenstein

Jesus heißt uns leuchtenI Eine Sammlung von Kinderliedern. Zusammengestellt
von A. Reineke und G.Weigdt. Hamburg: Reich & Heid rieh
o. J. 68 S. kl. 8°. RM 1.50.

Es ist eine große Not; wir warten auf gute Liederbücher
für den Kindergottesdienst. Der Papiermangel wirkt
hier katastrophal. Aber so geht es nicht; das Büchlein bietet
171 Lieder, ganz im Gemeinschaftston gehalten. Unsere
größten Choräle fehlen fast ganz. Selbst von der „Festen
Burg" sind nur die beiden ersten Strophen abgedruckt. Dagegen
neben vielen unbekannten „Kinderliedern" „Komm
zu Jesu, komm zu Jesu, komm zu Jesu . . .", „Horch, es
klopfet für und für!", „Himmelsau, licht und blau. . . ",
„Denkt, ich weiß ein Schäfelein . . ." und ähnliche Süßlichkeiten
und Niedlichkeiten! Was der Kindergottesdienstvater
Paul Zauleck erstrebte — ein Choralbuch für die Kinder —,
der Weg ist hier ganz verlassen, — ein entschiedener, bereits
schon überwundener Rückschritt! Die Melodien sind in
unseren Kirchengemeinden zumeist unbekannt, also für die
kirchliche Praxis nicht zu brauchen. Wir brauchen Brot,