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Ausgabe:

1948

Spalte:

299

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Loen, A. c.

Titel/Untertitel:

Inleiding tot de wysbegeerte 1948

Rezensent:

Stegenga, Popke

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 5

300

zu lösen und zu zeigen, daß das naturwissenschaftliche und
das biblische Bild von der Urgeschichte der Welt sich nicht
gegenseitig ausschließen, sondern daß sie sich vielmehr gegenseitig
ergänzen.

Freiburg I. Br Gustav Mie

Loen, A. c, Dr.: Inleiding tot de wysbegeerte. den Haag: Boekencentrum.

Ks Ist nicht leicht, eine berechtigte Geschichte der, oder
Einleitung in die Philosophie zu schreiben, ich meine eine
solche, die etwas Neues gibt und also das Recht hat, erscheinen
zu dürfen neben den vielen in früheren und späteren
Zeiten erschienenen, weil sie etwas Besonderes zu sagen hat.

Das oben genannte Buch hat dieses Recht, soweit ich
sehe, vollständig. Der Autor führt uns nicht allein in die
Problematik ein oder gibt uns nur seinen Blick auf die Geschichte
, obwohl er dies auch sehr auf eigene Weise tut, sondern
er versteht es, in den 190 Seiten seines Buches, uns frei und
frisch, tiefsinnig und deutlich zugleich, mit den heutigen
Fragen des philosophischen Forschers zu konfrontieren. Er
zeigt uns, wie neu die Philosophie seit Hegel geworden ist und
wie einseitig eigentlich das alles war, ehe Kierkegaard erschien
und die Existenz-Philosophie anhob.

Auf die ersten zwei Hauptstücke „Orientatie" (worin die
Problematik) und ,,de Oorsprongen" (worin eine Ubersicht
der Geschichte) folgt ein dritter Teil: „Wy-nu" (Wir heute).
Und hier kommt nun, wenn ich es so sagen darf, der Autor
auf seinen Höhepunkt. Er ist ein gläubiger Christ und hell
und scharf zeigt er an: keine wirklich befriedigende Philosophie
ist möglich ohne die Stütze der Offenbarung, obgleich
er in Beziehung darauf spricht von ,,een wysbegeerte die niet
de wysbegeerte is". Diese Zentralstellung der Religion nicht
nur als Objekt, sondern als Fundament der Philosophie, und
das auf ganz besonderer Weise, ist wohl die Hauptbedeutung
dieses Buches.

Ermelo (Holland) P. Stegenga

Kierkegaard, Sören: Die Tagebücher 1834—1855. Auswahl und Übertragung
von Theodor Haecker. 2. Aufl. Leipzig: Hegner 1941. 649 S. 8".

Lw. RM 12.50.

Der handliche, geschmackvolle Band, den der Verlag mit
gediegener Sorgfalt ausstattete, erweckt anfangs den Verdacht
, als sollte Kierkegaard zu einem Klassiker „religiöser
Belletristik" gemacht werden. Jedoch der Schein trügt: ein
hervorragender Kenner (f 8. 4. 1945) breitet aus einem für den
Laien schier unübersehbaren Stoffgebiet ein behutsam gesichtetes
, nicht „flüssig", sondern „wörtlich" übersetztes
Material aus. Die 1. Auflage erschien in zwei Bänden zu einer
Zeit (1923), da K. in Deutschland literarische „Mode" war.
Inzwischen kam es auch unter uns zu Anfängen einer wissenschaftlichen
K.-Forschung, an der der Herausgeber maßgebenden
Anteil hat. Haecker macht im Vorwort über seine Art zu
übersetzen einige grundsätzliche Ausführungen: „Ich will
nicht bloß in einem abstrakten Sinne die Gedanken K.s oder
Newmans .übersetzen', sondern ich will ,K.' und ,Newman'
übersetzen als große Schriftsteller, die sie sind; und für den
Schriftsteller gilt: le style c'est 1'homme" (n). Diese Absicht
entspringt einer hohen Achtung vor dem großen Dänen, „durch
den die dänische Sprache in die irdische Unvergänglichkeit
dieses Äons eingegangen" ist, so daß sie „bewahrt bleibt, solange
es .Menschen' gibt" (9). In solchem Urteil spricht sich
nicht nur stilistisches Feingefühl aus, sondern ein spezifisches
Verständnis für Sachliches. Welcher Art ist dieses Verständnis
, das dem „Stück" das Vorzeichen setzt, damit der Leser
es in der rechten „Tonart" hört ? Antwort: K. lebt „als natürlicher
Geist vorzüglich in der Vergangenheit". Er ist „ein
Mensch der Vergangenheit, so wie auch Newman" und
Augustinus. „So viele Werke K.s sind geradeswegs Werke
abgründiger Erinnerung von Erinnerungen" (14). Haecker
will die Tagebücher als Konfessionen des „Pönitierenden" verstanden
wissen. Dreierlei ist darin einbegriffen: sie sind
a) Tagebücher eines Menschen der Erinnerung, „der ein
geistiges und geistliches Leben führte, eines Schwermütigen,
immer auf Grenzposten im Niemandsland des Geistes, wo
Dämonen, .Gewalten und Fürstentümer' mit Engeln Gottes
um die Seele des Menschen kämpfen", formell Tagebücher
„des" — „totalen" — Schriftstellers (16). Sie sind b) „weiterhin
Tagebücher eines Mannes, der eine Mission hat, die allein
und einsam macht, eines, der es nicht mit Versuchungen zu
tun hat, sondern „mit Anfechtungen, ob er ein Recht habe,
das zu tun oder — jahrelanger Kampf! — tun zu wollen, was
er tut oder erst tun will". Dieser Reflexionshungrige ist
schließlich c) ein „großer Beter" voll „unbegreiflicher Kindlichkeit
" (17). „Man hat das wenig beachtet, wiewohl die Tagebücher
darüber klar aussagen und ein Zweifel an der Echtheit

und Ehrlichkeit nur heilloses Unverständnis wäre, ja, wiewohl
er zu dem Paradox sich hinreißen ließ: Meine Genialität ist
mein Beten" (18).

So gewiß diese Feststellungen richtig sind, so sehr, fragt
es sich, ob K. damit nicht biographisch überdeutet wird. K.
rückt liier offenbar als besonders interessantes Bild in die
große Galerie der „homines religiosi", der „Virtuosen der Religion
", ein. Aber ist das nicht ein allzu direktes, ein allzu undialektisches
Unterfangen, ja am Ende ein Mißverständnis ?
Was würde K. selbst dazu sagen ? Er, der sich bei aller Mehrdeutigkeit
seiner vielschichtigen Produktion doch stets als
Korrektiv, nie als Regulativ verstand? Dem naheliegenden
Mißverständnis vorbeugend, sagt er bereits als Quidam der
„Leidensgeschichte": „Im humanen Sinn kann sich niemand
nach mir bilden. Noch weniger bin ich im historischen Sinn
prototypisch für irgendeinen Menschen" (Jen. Ausg. IV, 332).

Die „Tendenz" der Auswahl ? Haecker ist selbstverständlich
viel zu gebildet, um solche Fragestellung überhaupt
zuzulassen. Aber ein „Scopus" ist sicherlich vorhanden: der
(s. o.!) von ihm selbst angegebene. Ein Herausgeber ist stets
in günstiger Lage: sich zurückzuhalten, und dem Autor das
Wort zu geben. Diese Kunst wird hier vorbildlich geübt. Der
Herausgeber läßt K. selbst ausgiebig reden und ihn seine sich
von Jahr zu Jahr verschärfende Kritik Luthers und der ihm
zur Last gelegten Verweltlichung des Christentums; sein Lob
des Asketischen, des Klosters; seine Zitate aus Bernhard,
Tauler und Alfons de Liguori; seine positiven Bemerkungen
über Katholizismus und Jesuitismus vortragen. Muß nicht der
Leser wie von selbst den Schluß ziehen: dieser „im eminenten
und idealen Sinn: Publizist" (622) redet als ein gewissermaßen
— verhinderter Konvertit?! Freilich: K. müßte
nicht er selbst sein, wenn er nicht auch in dieser ihm von
seinem Interpreten verliehenen „Pseudonymität" (die subjektiv
gewiß nicht beabsichtigt ist!) immer und überall —
Kierkegaard bliebe! „Ist irgend etwas eine Forderung der Zeit,
so ist es das, daß man wieder einmal die Geißel der Komik
schwingt, um auf dem Gebiet der Religion Ordnung zu
schaffen . . . Eine schneidende Satire auf den Tiefsüin der
Spekulation . . ."!

Ein fühlbarer Mangel der Ausgabe ist das Fehlen jeder
historischen Einführung. Viele zeitgeschichtliche Anspielungen
bleiben dem Leser verborgen. Besonders wird der Zusammenhang
zwischen den Tagebüchern und der literarischen
Publikation verdeckt und damit auf eine wesentliche Verständnishilfe
verzichtet. (So bleibt etwa der dialektische Bezug
, der sich in der Wahl des alten Abtes vom Sinaikloster,
Johannes Climacus, zum Pseudonymen Verfasser der,,Brocken"
und ihrer „Nachschrift" ausdrückt, völlig unangerührt.) Statt
der entbehrlichen sprachphilosophischen Partien des „Vorwortes
" wären Anmerkungen, wie sie Hermann Ulrich
seiner zuverlässigeren Ausgabe (Berlin: Hochweg-Vlg. 1930)
beigibt, wünschenswert. Die letzten Gespräche mit seinem
Freunde Emil Boesen im Frederikshospital und die Auszüge
aus den „Erinnerungen" der Nichte Henriette Lund im „Anhang
" (623—637) vermögen so wenig wie die „Zeittafel"
(638—641) dieses Defizit auszugleichen.

Haeckers „Auswahl" zeigt, gerade weil sie „interessant"
ist, wie dringend wir, um künftigen Fehlinterpretationen zu
entgehen, einer deutschen philologisch-kritischen Gesamtausgabe
der „Werke" und der „Tagebücher" bedürfen.
Wer wird sie uns erarbeiten?

Jena Gerhard Gloege

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Rosenqvist, G. o.: Förkunnelse och själavärd i kristid. Ett nordiskt

tankeutbyte (Verkündigung und Seelsorge in Krisenzeit. Ein nordischer Gedankenaustausch
). Stockholm: Svenska Kyrkans Diakonistyrelses Bokför-
lag. 1942. 186 S. 8° = Nordiska Ekumeniska Institutets skriftscrie. Kr. 4.50.

Vom 4.-6. März 1941 tagte, vom Nordischen Ökumenischen
Institut einberufen, in Sigtuna in Schweden eine Konferenz
, welche die neue Lage von Predigt und Seelsorge in der
damaligen Krisenzeit behandelte. Eine reiche schriftliche Vorbereitung
war vorausgegangen. Aus Schweden, Finnland,
Dänemark kamen die Konferenzteilnehmer. („Mit Bedauern
muß man konstatieren, daß Norwegen an diesem Gedankenaustausch
nicht teilnehmen konnte.") Der Professor der Praktischen
Theologie in Abo, G. O. Rosenqvist, erhielt den Auftrag
, die Diskussion und ihre schriftlichen Unterlagen in einem
Buche auszugsweise zu behandeln; dieses Buch liegt uns hier
vor. Sein Inhalt kann dahin zusammengefaßt werden: Krisenzeiten
revolutionieren die Lage, die veränderte Lage fordert