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Ausgabe:

1948

Spalte:

298-299

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schüepp, Otto

Titel/Untertitel:

Schöpfungsbericht und Naturwissenschaft 1948

Rezensent:

Mie, Gustav

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Theologische Literaturzeitüng 1948 Nr. 5

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aus, sondern von der Stelle aus, an der er als Mensch dieser
Zeit steht — und nun allerdings als einer, der von der Christusbotschaft
getroffen ist. So können die damals gehaltenen
Vorträge und das nun erschienene Buch einen selten wirksamen
seelsorgerlichen Dienst leisten.

Der vorliegende I. Teil des Werkes besteht aus zwei
Büchern: 1. „Glaube und Wirklichkeit". 2. „Ich glaube an
Gott den Schöpfer". Das erste Buch beschäftigt sich mit den
Geboten. Nach einer allgemeinen Einleitung über „Dogma
und »Christentum«", „Die innere Lage der Gegenwart" und
„Das Wesen des Katechismus" in den ersten vier Vorträgen,
werden die 10 Gebote im allgemeinen (5. Vortrag), das 1. Gebot
besonders (6. und 7. Vortrag) und das 5. Gebot (8. bis
15. Vortrag) ausführlich behandelt. Zum Schluß des Buches
handeln der 16. Vortrag von dem Lebensbezirk „des Erotischen
" und der 17. Vortrag von den „Geboten Gottes über
die Kunst". Schon dieser kurze Uberblick macht deutlich,
daß es T.s seelsorgerliches Anliegen ist, bedrängende Zeitfragen
zu behandeln, nämlich: Die Würde des Menschenlebens
, die verfeinerten Methoden des Mordens, die Entmenschlichung
des Nächsten, der Krieg, der Staat, das Vergeltungsprinzip
, Politik und Wirtschaft.

Das zweite Buch hat den 1. Artikel des Glaubensbekenntnisses
zum Gegenstand, in der Weise, daß wiederum
bedrängende Zeitfragen behandelt werden, die in den Bereich
des I.Artikels gehören. In 15 Vorträgen wird über
folgende Probleme gesprochen: Der Mensch im Kosmos, Weltbild
und Weltanschauung, die Weltanschauung der Biologie,
Diesseits und Jenseits, die Entstehung des Menschen, Wunder
und Naturwissenschaft, Schicksal und Vorsehung, Freiheit
und Gebundenheit in der Geschichte, Deutschland und Israel,
die gegengöttlichen Mächte in der Geschichte, Willensfreiheit
und Vorherbestimmung.

„Die Grundgedanken des christlichen Glaubens" stellen
lediglich kurze Auszüge der Vorträge dar, die auf Wunsch
der Hörer nach jeder Stunde diktiert und fertiggestellt
wurden. Sie haben ihren Dienst in Kriegsgefangenen- und
Internierungslagern getan. Das Gesamtthema der ersten
Vortragsreihe lautet in diesen Vorträgen „Gebot und Leben".
Die zweite Vortragsreihe schließt mit der Behandlung der
Wunderfrage, enthält also nicht mehr die sechs letzten, nach
Zerstörung der Stuttgarter Stiftskirche in Bad Cannstadt gehaltenen
Vorträge.

Dieser Inhaltsüberblick bestätigt die Feststellung, daß
es dem Verf. auf eine zeitnahe Verkündigung ankommt. Er
will auf keinen Fall den christlichen Glauben verteidigen,
sondern mit der christlichen Botschaft in die „Welt" vorstoßen
. Nur dadurch, daß er sich in die Lage des Hörers
hineinbegibt, glaubt er zu einem wirklichen Gespräch mit ihm
zu kommen, und alle Verkündigung, die nicht Gespräch ist,
bleibt ihm wertlos. Als echter Seelsorger will er den Menschen
wirklich ernst nehmen. Darum dringt er bis in seine
Situation durch und versucht ihn von der Stelle, an der er
gerade steht, „abzuholen". Man kann also wohl sagen, daß
hier der Verf. die notwendige Aufgabe anpackt, Theologie im
Gespräch zu treiben, selbst getrieben von der Erkenntnis,
daß man über Gott nur „auf den Knien denken" (S. 61)
kann, und bemüht ist, den Hörer vor die Glaubensentscheidung
zu stellen. Es wäre unrecht, ihm überholte „Apologetik"
vorzuwerfen, wogegen er sich in dem „Nachwort für theologische
Leser" verwahrt, denn er beseitigt das Ärgernis des
Glaubens nicht, sondern er versucht, überflüssige Ärgernisse
zu beseitigen, um das echte Ärgernis an der entscheidenden
Stelle klar herauszuarbeiten.

Vielleicht führt der Titel des Buches etwas irre. Er erweckt
den Anschein, als handele es sich um eine Darstellung
des christlichen Glaubens, während es in Wirklichkeit eine
Fülle von Einzelfragen zum 1. Hauptstück und zum 1. Artikel
behandelt. Als eine solche Aufsatzsammlung kann man das
Buch nur dankbar entgegennehmen und eifrig, vor allem in
der Jungen Gemeinde und unter nachdenkenden Gemeindegliedern
, benutzen. Natürlich wären zu jedem Vortrag eine
Fülle von kritischen Fragen zu stellen. Geht es z. B. an, die
Frage des Wunders grundsätzlich zu behandeln, ohne sich
auf das Wunder aller Wunder (Inkarnation und Auferstehung
) zu beziehen. Hier macht sich der Nachteil bemerkbar
, der entsteht, wenn man sich die Fragen zu weitgehend
von der Problematik der Zeitgenossen stellen läßt.
Man stößt dann vom Zentrum in vielen Richtungen weit vor
und läßt sich dadurch abhalten, das Zentrum selbst in der
nötigen Klarheit und Vollständigkeit darzustellen. Das Zentrum
aber wäre die eigentliche Glaubenslehre und auch eine
Laiendogmatik müßte dieses Zentrum darstellen. „Nachwissenschaftlich
" (S. 465) ist die Laiendogmatik, der es nach

wissenschaftlicher Durcharbeitung des Stoffes gelingt, sich in
den zentralen Stoffkreisen dem Laien im Gespräch verständlich
zu machen. Bei T. handelt es sich aber darum, daß er
Stoffgebiete, die um das Zentrum einer Laiendogmatik herum
liegen, in „nachwissenschaftlicher" Art behandelt. Auch eine
Laiendogmatik muß klar in begründeter Rede vortragen,
welches die Botschaft der Bibel von Gott, von Christus und
seinem Wort und Werk ist. In der Tat lernen wir vom Verf.
viel von der „Welt vor Jesus Christus". Gerade die Laien,
aber auch wir Theologen, möchten nun gern von ihm in einer
Laiendogmatik hören, wer Jesus Christus ist.

Erfurt Heinrich Benckert

Schüepp, Otto: Schöpfungsbericht und Naturwissenschaft. Biblische

und naturwissenschaftliche Betrachtungen über das Werden der Welt. Basel:
Reinhardt o. J. 167 S. 8".

Das erste Buch der Bibel, 1. Mose, bringt in den Kapiteln
1—11 die Vorgeschichte der Menschheit. Man kann
drei Abschnitte unterscheiden. Kap. 1 berichtet, wie Gott
die Welt in sechs Tagen geschaffen hat. In Kap. 2—4 wird
erzählt, wie Gott den Menschen und die Tiere erschafft, darauf
folgt die Paradiesesgeschichte, der Sündenfall des ersten
Menschen und schließlich die Geschichte von Kain und Abel.
Endlich die Kap. 6—9 bringen die Sintfluterzählung und, wie
Gott dann mit den Menschen und mit allen lebenden Wesen
einen Bund schließt. Kap. 5 und 10 enthalten Geschlechts-
register, in Kap. 11 wird die Geschichte vom Turmbau in
Babel erzählt. Dem modernen Gelehrten muß die biblische
Darstellung der Urgeschichte in gewisser Hinsicht recht kindlich
naiv erscheinen. Die wissenschaftliche Forschung, welche
auf den Funden aus ältesten Zeiten sicher gegründet ist, hat
uns gelehrt, daß die Entwicklung unserer Welt viele Millionen
Jahre in Anspruch genommen hat, und daß zum Schluß der
Mensch im Laufe sehr vieler Jahrtausende aus ursprünglich
sehr primitiven Formen bis zu seinem heutigen Zustand gelangt
ist. Und doch ist die Urgeschichte, wie sie im Anfang
der Bibel berichtet wird, für die ganze Bibel von grundlegender
Bedeutung, immer wieder wird auf sie zurückgegriffen
. Es ist daher für den gläubigen Gelehrten eine sehr
dringende Aufgabe, die beiden Geschichtsbilder, das der
Bibel und das der Wissenschaft, in Beziehung zueinander zu
bringen. Diese Aufgabe wird nun von dem Verf. des vorliegenden
Buches in einer wirklich sehr befriedigenden Weise
gelöst. Den drei Abschnitten der biblischen Urgeschichte
entsprechen in dem Buch drei Teile. In jedem bringt der
Verf. zuerst eine eingehende Besprechung des biblischen Berichtes
an Hand einer sehr genauen Ubersetzung des hebräischen
Textes, wobei auch darauf geachtet wird, daß manche
Wörter in der alten Zeit, in der die Bibel entstanden ist,
noch mit ganz anderen Vorstellungen verbunden waren wie
heute. Anschließend wird darauf das entsprechende naturwissenschaftliche
Bild, wie es uns die modernen Naturwissenschaften
, Physik, Chemie und Biologie geben, durch eine sehr
eindringende Schilderung ihrer Ergebnisse dem Leser vor
Augen geführt. Insbesondere wird die Geschichte der Erde so,
wie die Geologie sie uns lehrt, dargestellt, vor allem auch die
Entwicklung der Pflanzen- und der Tierwelt auf der Erde.
Wenn man nun das wissenschaftliche Bild der Erdgeschichte
mit dem biblischen Bild zusammen betrachtet, so kommt man
notwendigerweise zu dem Schluß, daß der biblische Bericht
als ein Mythus aufgefaßt werden muß, welcher in der symbolischen
Sprache des Traumes zu uns spricht und welcher
uns nicht wirklich Auskunft über den äußeren Gang der Ereignisse
gibt. Dafür aber zeigt er uns, was nun der naturwissenschaftliche
Bericht von sich aus nicht vermag, den
verborgenen Gang, den geistigen Gehalt der Erdgeschichte.
Im biblischen Bericht hören wir immer wieder: „Gott sprach
. . . und es ward". Die Bibel betrachtet die Urgeschichte der
Welt als das Werk Gottes, teleologisch. Die Wissenschaft
dagegen beginnt mit dem Wort: „Es ward", sie betrachtet
das Geschehen kausal, sie forscht nach den einzelnen Schritten
, in denen die Geschichte fortgeht. Aber für das Werden
der Welt aus den einfachen physikalischen Kräften hat sie
keine Erklärung, auch für sie muß schließlich der letzte
Grund des Werdens das Wort Gottes sein, sie muß also
schließen mit: „Gott sprach". Erst wenn man die Geschichte
der Welt von beiden Standpunkten aus betrachtet,
teleologisch mit der Bibel, kausal mit der Naturwissenschaft,
kann man zu einem vollen Verständnis gelangen.

Wenn man die vorliegende Schrift liest, muß man immer
wieder darüber staunen, wie außerordentlich vielseitig die
Kenntnisse des Verf .s in den verschiedensten Wissensgebieten
sind. Dadurch ist es ihm möglich geworden, seine Aufgabe