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Ausgabe:

1948 Nr. 5

Spalte:

296-298

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Thielicke, Helmut

Titel/Untertitel:

Unsere Welt vor Jesus Christus 1948

Rezensent:

Benckert, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 5

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Sveo-gothorum 1642. Darüber hinaus ist er der Verf. vieler
Streitschriften, in welchen eine Reform der schwedischen
Kirche verfochten wird: Harmonia evangelica 1627; 5 Apologien
; Discursus theologicus 1628, Neuausgabe 1636; Ortho-
doxus consensus 1628; Ilqootpdiv^an ad rev. episcopos ecclesiae
suecanae 1629 (dazu etliche Erklärungs- und Verteidigungsschriften
); Brevisac sirnplex explicatio Koheleth 1629; Erklärung
der Apokalypse des Johannes 1629; mehrere Dispu-
tationes und Explicationes; eine Dissertatio de legitima voca-
tione ministrorum verbi Dei; sogar die Leichenpredigt für
Anna Mänsdotter 1630 dient der Reform; über Baazius' ganzes
Lebenswerk geben Aufschlüsse die Collectanea historica et
theologica Joannis Baazii in der Stifts- und Landesbibliothek
Linköping unter T 61 und 62. B. war ein streng lutherischer
Theologe ohne Makel. Aber kirchenrechtlich stand er nicht
einfach bei den schwedischen Bischöfen, sondern verlangte
eine Reform des bischöflichen Kirchenregiments. Die Bischöfe
vertraten ein Kirchenrecht, wie es im 16. Jahrhundert besonders
durch Melanchthon geformt worden war (cura reli-
gionis der christlichen Fürsten und Magistrate als der prae-
eipua rnembra ecclesiae), das aber auch mittelalterliche schwedische
(also katholische) Tradition enthielt; B. hingegen war
Anhänger eines „modernen" Kirchenrechts, welches der weltlichen
Obrigkeit nicht bloß Pflichten in der Kirche zusprach,
sondern Rechte (potestas majestatis in religionem, nämlich
potestas ecclesiastica externa, während die potestas eccle-
siastica interna dem geistlichen Amte verblieb). — Dieses
,.moderne" Kirchenrecht folgte der in Deutschland tatsächlich
eingetretenen Entwicklung, die im 17. Jahrhundert ihre
volle Ausformung erhielt (so Kjöllerström, vgl. Lundin S. 83).
B. bekämpfte aber nicht die schwedische Bischofsverfassung,
sondern nur die Alleinherrschaft der Bischöfe, die er für un-
reformatorisch ansah, da tota ecclesia das Kirchenregiment
habe. So wollte B. das Kirchenregiment der Bischöfe sanieren
durch ein aus Bischöfen und politici (= die obersten Reichs-
ämter) gemischt besetztes Oberkonsistorium, und durch aus
Bischof, Domherren und politici (= die obersten Staatsämter
der Provinz) gemischt besetzte Diözesan-Konsistorien.
B. dachte also nicht an Demokratie in der Kirche, sondern
bekämpfte die Monarchie der Bischöfe zugunsten der Aristokratie
der Bischöfe und politici! Im Hintergrunde dieses
Reformwillens stand bei B. der Wille zur Kirchenzucht, und
dieser Wille wiederum wurde getragen von der Überzeugung,
daß das Jüngste Gericht noch im 17. Jahrhundert eintrete.
So war f ür B. das konsistoriale Kirchenrecht Mittel zur Kirchenzucht
— in den Einzelgemeinden sollte die Teilnahme der
Gemeinde-Würdenträger an der Kirchenzucht ein Abbild der
konsistorialen Ordnung werden. Einbegriffen in dieses Streben
nach Kirchenzucht war die bei aller Staatsfreundlichkeit des
B. überraschende Bekämpfung der vielerlei weltlichen Sonderaufgaben
im Auftrage cles Staates, welche die Priester der
schwedischen Kirche von der tieferen Erfüllung ihres geistlichen
Amtes abhielten: Verfassung von Listen und Viehverzeichnissen
, Zoll- und Steuerlisten, ja Steuererhebung selbst,
schließlich Mitwirkung bei der Rekrutenaushebung! Hier
wenigstens hatte B. Siege zu verzeichnen, während sein
Kampf sonst nur als Ferment in die Zukunft einging. Der
König, Gustav Adolf IL, stand kirchenrechtlich auf Seiten des
B., ebenso Axel Oxenstierna: das königliche Oberkonsistorium
war ihr Ziel.

Lundin stützt sich für die Geschichte des deutschen Kirchenrechts außer
auf Gierke, Ricker, Sehling u. a. besonders auf J. Heckel (Cura religionis,
ius in sacra, ius circa sacra, in der Festschrift für Ulrich Stutz 1938). Man vermißt
Werner Eiert, Morphologie des Luthertum I und II. Baazius stand nach
Lundin kirchenrechtlich auf den Schultern von Henning Arnisaeus (De jure
majestatiS 1635, De subjectione et exemtione clericorum 1612) und Johann
Gerhards (Gerhard wurde 1605 persönlich bekannt mit Pareus). Gustav
Adolf II. hatte als Vorbild den Holländer Justus Lipsius (Politicorum sive
civilis doctrinae libri VI, 1589), der schwedische Adel las Th. Reinkingk (Dispu-
tatio de brachio saeculari et ecclesiastico 1616), welcher den Ausspruch des
Optatus von Mileve zum Motto erhob: ecclesiam esse in republica, non vero
rempublicam in ecclesia (damit war der Melanchthonische Standpunkt in sein
Gegenteil verkehrt). In Uppsala las Jonas Magni über des Lipsius Politica
(Jonas Magni wollte eine Machtverteilung wie in der Kirche Englands, ähnlich
die Juristen Loccenius und Wexionis = Gyldenstolpe).

Lundin durfte die noch ungedruckte Abhandlung Sven Kjöllerströms
über das schwedische Kirchengesetzproblem 1571—1682 (Kyrkolagsproblemeti
Sverige) benutzen (dazu vgl. Kjöllerströms Aufsatz „Der Streit um die KO.
von 1571", Svensk teologisk kvartalskrift 1940). Kjöllerströms These ist überzeugend
: auf der einen Seite das Kirchenregiment durch die Bischöfe — auf
der anderen Seite der König und der Hochadel, die schließlich doch ein königliches
Kirchenregiment durch ein Oberkonsistorium anstrebten, analog der
deutschen Entwicklung (die u. E. eine Fehlentwicklung war). Aber wohin gehörte
nun Baazius? Lundin setzt ihn auf die Seite der Königlichen, muß aber

dann so viele Abstriche zugunsten der Bischöfe machen, daß nur der Schluß
übrigbleibt: B. war kein Parteimann, sondern ein ernster reformatorisch gesinnter
Kirchenmann, der die Schäden der Bischofslinie durch die Königliche
Linie ausgleichen wollte, aber wiederum die Schäden der Königlichen Linie
durch die Bischofslinie. In etwas gleicht seine Stellung der Luthers, der auch
die Fürsten und den Adel gegen die Hierarchie zu Hilfe nahm, aber gegen die
Fürsten wieder die scharfe Trennung zwischen dem geistlichen Wesen und
der Fürstenmacht einschärfte.

Lundings Buch gibt einen Einblick in die damalige
schwedische Kirchenordnung, der dem Leser eine Kirchenkunde
von beachtlichem Format vermittelt.

Wertingen Leonhard Fendt

Tyciak, Julius: Der Kelch des Heiles. Gedanken über die Opferwirklichkeit
der Kirche. Düsseldorf: Bastion-Verlag 1947. 88 S. 8«. Pp. RM 4.60.
Der als Kenner des ostkirchlichen Lebens bekannte Verf.
will in dieser Studie „aus der Fülle der Opferwirklichkeit
einige Gedanken herauslösen und den verbindenden Linien
nachgehen, die die transzendente Welt des Göttlichen mit dem
erlösenden Heilstum Christi und seiner Vergegenwärtigung
im Opfer der Kirche verknüpfen" (Vorwort). Er bietet demnach
keine neue Opfertheorie, sondern unternimmt es, den
tiefsten Sinn des Opfers als ewiger und zeitlicher Tatsache zu
deuten. Unter Zugrundelegung des apokalyptischen Wortes
über die Schlachtung des Lammes von Urbeginn, sucht er die
Urgestalt des Opfers von Gott her, also in eigentlich „theologischer
" Sicht zu verstehen. Daraus entspringt ihm die kosmische
Bedeutung des Opfers und so geht ihm auch das Heilsopfer
als Opfer der Versöhnung, als universales Opfer und
namentlich als eucharistisches Opfer auf. Tyciak weiß den
schwierigen Problemen neue Seiten abzugewinnen. Er kennt
Scheebens Theologie ausgezeichnet und die moderne Mysterientheologie
nicht minder. Sein Ausgleich zwischen beiden
ist beachtenswert. Manche Gedanken überraschen durch ihre
Kühnheit. Die Sprache ist von überzeugtem Enthusiasmus
beherrscht. Ostkirchliche Ideen klingen deutlich durch das
Ganze. Es ist Förderung der Theologie; aber auch — im guten
Sinn — christliche Erbauung.

Würzburg Georg Wunderle

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Thielicke, Helmut: Der Glaube der Christenheit. 1. Teil. Unsere Welt

vor Jesus Christus. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1947. 472 S. 8".
Geb. RM7.50.

— Die Grundgedanken des christlichen Glaubens. Genf: ökumenische

Kommission für die Pastoration der Kriegsgefangenen. 0. J. 66 S. 8".

Auf jeden Fall trägt das erstgenannte Werk den Charakter
des Besonderen. Schon als Zeitdokument hat es eine
bleibende Bedeutung, denn es enthält zwei Vortragsreihen,
die in den Jahren 1943 und 1944, also in der Zeit des Nationalsozialismus
, in Stuttgart vor mehreren tausend Zuhörern gehalten
worden sind. In ihnen spiegelt sich das Zeitgeschehen
deutlich wieder, nicht nur seine innere Problematik, sondern
auch seine äußere Dramatik, bis hin zu den verheerenden
Bombenangriffen auf Stuttgart. Schon die damalige Wirksamkeit
dieser Vorträge ist wohl ohne Parallele. Denn wo
wären sonst noch regelmäßig Tausende von Zuhörern, weithin
grade auch der jüngeren Generation, zu solchen gottesdienstlichen
Vorträgen zusammengeströmt ? Man kann aber
auch jetzt noch feststellen, daß sie auf den gebildeten Leser
einen bedeutsamen Einfluß ausüben. Jüngere, dem christlichen
Glauben ferner stehende junge Menschen sagen wohl:
Wenn man uns so über den christlichen Glauben unterrichtet,
dann können wir ihn ernst nehmen.

Worauf ist diese geradezu evangelistische Wirkung des
gesprochenen und auch noch des gelesenen Vortrags zurückzuführen
? Man wird kaum sagen können, es sei im wesentlichen
die äußerst lebendige und zeitgemäße Sprache und
Vortragsweise, die das Buch treu — es enthält die stilistisch
überarbeiteten Stenogramme — bewahrt. Gewiß macht die
Sprache bisweilen den Eindruck, als sei die Gefahr des Jargon
nicht allzufern. Immerhin wird man ernst nehmen müssen,
wenn der Verf. sagt, es läge in dieser Beziehung keine einzige
Improvisation vor (S. 468). Aber Sprache ist ja nicht eine
Angelegenheit der Form, sondern spiegelt jederzeit inhaltliche
Vorgänge wieder. So kommt man dem Geheimnis des
Erfolges wohl näher, wenn man an der zeitnahen Sprache
die innere Solidarität des Verfs. mit dem Zeitgenossen erkennt
. T. kennt die Situation des Mitmenschen nicht von
außen, sondern als eigene Lebensmöglichkeit. Er spricht
nicht von einem fernen, überlegenen christlichen Standort