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Ausgabe:

1948 Nr. 5

Spalte:

287-289

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Duensing, Hugo

Titel/Untertitel:

Der aethiopische Text der Kirchenordnung des Hippolyt 1948

Rezensent:

Spuler, Bertold

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 5

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seits bewußt festzuhalten, solange dieses Festhalten nicht um
den Preis einer Verleugnung oder Minderung der christlichen
Substanz erkauft werden muß.

5. Aus kirchlichen Notwendigkeiten der neuesten Zeit
sind neben den theologischen Fakultäten einige besondere
theologische Lehrstätten (Kirchliche Hochschulen usw.) entstanden
, die ihr Lebensrecht bewiesen haben. Ihr Dasein soll
aber nicht dazu führen, daß die Fakultäten als Normalform
theologischer Lehre (s. o. zu 4) aufgehoben oder verdrängt
werden. Käme es, über den jetzigen Bestand hinaus, zum Aufbau
von Lehrstätten für jede einzelne Landes- oder Gebietskirche
, so würde die Lebens- und Wirkfähigkeit der Universitätsfakultäten
ernstlich in Frage gestellt werden. Die höchst
erwünschte theologische Initiative der verfaßten Kirchen wird
am zweckdienlichsten dem Ausbau bzw. Wiederaufbau der
Predigerseminare sowie der sog. Fortbildung der Pfarrer zuzuwenden
sein.

II. Wünsche und Vorschläge

6. Die Zusammengehörigkeit zwischen Fakultäten und
verfaßter Kirche wird grundsätzlich zumeist bejaht; sie wirkt
sich aber in der Praxis nur lückenhaft aus. Die Begegnungen
und Gespräche konzentrieren sich allzu genügsam auf Einzelfragen
der Verwaltung und Fürsorge, oder sie heften sich an
strittige Kompetenzfragen. Es wäre nötig, diesen Zustand
durch die Ordnung eines plan- und regelmäßigen Austausche
zwischen Kirchenleitungen und Fakultäten zu überwinden,
sowohl innerhalb der einzelnen Kirchengebiete wie für den
Gesamtbereich der evangelischen Kirchen Deutschlands. Die
Spezialfragen und ebenso die auftretenden Differenzen
könnten hier in die größeren Lebenszusammenhänge von
Kirche und Theologie eingeordnet werden. Kirchenleitungen
und Fakultäten würden sich daran gewöhnen, einander nicht
mehr als gleichsam politische Verhandlungspartner gegenüberzustehen
. Die Funktionseinheit des Leibes Christi, die
Kirche und Theologie im voraus verbindet, will in beständiger
gegenseitiger Beratung und in gemeinsamer Planarbeit sichtbar
werden.

7. Dieser Schau des Verhältnisses zwischen Kirche und
Fakultäten entspricht der Weg der direkten Verständigung
in allen bisher umstrittenen Rechts- und Ordnungsfragen. —
Eine besonders wichtige Frage betrifft die Beteiligung der
Kirchenleitungen an dem Berufungsverfahren der Fakultäten.
Das sog. Vetorecht der Kirchenleitungen, soweit es tatsächlich
noch besteht bzw. ausgeübt wird, ist im Geist eines Staatsund
Behördenkirchentums gedacht, das die umfassende Verantwortung
der Kirche für das theologische Amt kasuistisch
einengt; es verlangt nach Ablösung durch eine sachgemäßere
Art der Mitwirkung. Unbeschadet aller etwa noch bestehenden
bzw. künftig neu entstehenden Rechtssetzungen sollte schon
jetzt der Grundsatz gelten, daß zwischen Fakultät und Kirchenleitung
ein Einverständnis hergestellt wird, bevor die Berufungsvorschläge
der Fakultät an die Regierung eingereicht
werden. — Ähnliche Gesichtspunkte müssen auch für die Behandlung
der sog. Lehrkonflikte maßgebend sein, über die
neuerdings häufig diskutiert wurde. Es gehört zum unveräußerlichen
Auftrag der Kirche, ,, Lehre zu urteilen". Aber das
ist selbst ein theologischer Auftrag, den die Kirche nur mit
Hilfe von gründlichen Sachkennern ausüben kann. Uber konkrete
Maßstäbe und Leitlinien solchen „Lehre-Urteilens"
sollten Mitglieder der Kirchenleitungen und der Fakultäten
nach bestimmten Plänen Austausch pflegen, ehe Konfliktsfälle
eintreten.

8. Die vornehmste Aufgabe ist aber die Herstellung einer
positiv-praktischen Arbeitsgemeinschaft zwischen den Kirchenleitungen
und den theologischen Lehrstätten. Neben den
Fragen des Prüfungswesens und der Förderung des Studentennachwuchses
, die schon Gegenstand spezieller Erörterung
sind, wären als wichtige Beispiele solcher Arbeitsgemeinschaft
etwa folgende Punkte zu bezeichnen:

a) Praktische Förderung der theologischen Lehrarbeit
seitens der Kirchen: fortlaufende Orientierung der Fakultäten
über die Notwendigkeiten und Notstände der Pfarrervorbildung
, wie sie sich aus den Erfahrungen des kirchlichen Dienstes
ja heute ergeben; gleichzeitig aber auch Information der Fakultäten
über die theologischen Pläne der Kirchenleitungen
(Predigerseminare, Pfarrerrüstzeiten, Konventsarbeit usw.).

b) Engere Fühlungnahme in Sachen der theologisch-
kirchlichenForschung: gemeinsamesErwägen der kirchenkund-
lichen Forschungsgegenstände, nähere Verknüpfung der kir-
cliengeschichtlichen und der praktisch-theologischen Gesichtspunkte
, Zuleitung alles publizistischen Materials (amtliche
Veröffentlichungen, Zeitschriften usw.) an die Fakultäten.

c) Planmäßige Bestandsaufnahme der im Bereich der
Einzelkirchen vorhandenen theologischen Bibliotheken (Pfarr-
und Superintendenturbüchereien usw.); gemeinsame Prüfung
ihrer Auswertungsmöglichkeiten, parallel dazu Hilfe zur
Bücherbeschaffung für Theologiestudenten, speziell für Bearbeiter
bestimmter Gebiete und Themen.

d) Kirchliche Hilfe für die Heranbildung und Verbreiterung
des theologischen Dozentennachwuchses, Betrauung geeigneter
jüngerer Theologen mit Ämtern, die für theologische
Arbeit Spielraum geben, Sonderaufträge für theologische Forschung
usw.

9. Das Verhältnis von Kirche und Theologie, verfaßter
Kirche und theologischen Lehrstätten will nicht nach der Ordnung
des Gesetzes, sondern nach der Ordnung des Evangeliums
angesehen sein. Die Fakultäten wissen sich in allen Bereichen
ihres Tuns der Kirche verantwortlich, — der Kirche
Christi, darum auch je ihrer Landes- und Gesamtkirche. Die
Kirche spricht: Die Theologie ist mein, weil die Verkündigung
mein ist. Daraus folgt eine Verbundenheit, die alle einzelnen
Rechtssetzungen und Anlässe übergreift. Daraus folgt aber
auch die um ihres reformatorisch-kritischen Auftrages willen
unentbehrliche Freiheit der Theologie, eine Freiheit, die nur
die Kehrseite ihrer Verantwortlichkeit ist.

10. Ein Gespräch in glücklich zusammengesetztem
Kreise, innerhalb dessen die vorstehenden Sätze mit kurzen
Erläuterungen dargeboten wurden, hat gezeigt, wie weitgehend
für die hier angedeutete Sicht beinahe allerseits Willigkeit
besteht, es hat zugleich aber auch gezeigt, wie schwer es
offenbar ist, über die zu Einzelvereinbarungen drängenden
Tagesfragen hinaus zu konkreter Besinnung über den Kern
des hier umrissenen Problems zu gelangen. Solange man sich
dazu nicht die Zeit nimmt oder die etwa im Hintergrund
lauernden unaufgehellten Differenzen durch bloße Erörterung
der praktischen Augenblicksnöte verdrängt, wird die um der
Verkündigung und Mission der Christenheit willen geforderte
reinliche Klärung nicht erreicht, und es besteht Ursache zu
der Sorge, daß trotz allen besseren Erkenntnissen die schon
tief eingewurzelte Tendenz wechselseitiger Entfremdung von
Theologie und Kirche zu wechselseitigem Schaden für Kirche
und Theologie weiterwuchert.

Rostock Martin Doerne

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Duensing, Hugo: Der äthiopische Text der Kirchenordnung des

Hippolyt. Nach 8 Handschriften hrsg. u. übersetzt. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1946. 148 S. gr. 8" = Abhandl. d. Akademie d. Wiss. in
Göttingen. Philolog.-Hist. Klasse. 3. Folge Nr. 32. RM 10.—.

Die Bedeutung der äthiopischen Version der ,,Kirchenordnung
des Hippolyt" (früher meist als die „ägyptische
Kirchenordnung" bezeichnet) beruht, sachlich gesehen, vor
allem darauf, daß sie einen vollständigen Text bietet, während
das griechische Original verloren ist und die lateinische Version
nur aus Bruchstücken besteht. Freilich ist der äthiopische
Text nicht unmittelbar aus dem Griechischen geflossen, entstammt
vielmehr einer (von Kopten angefertigten) arabischen
Version, die wir besitzen, die aber auch sachlich die äthiopische
Ubersetzung deshalb nicht voll ersetzt, weil diese ihr gegenüber
eine Reihe von Erweiterungen aufweist. Diese sind zwiefacher
Art: Sie enthalten zum großen Teil Stücke, die im
arabischen Texte offensichtlich ausgefallen sind, so hinsichtlich
der Ordination der Bischöfe (S. 17—31) und der Ordnung
der hl. Taufe (S. 63—65, 81—127). Daneben steht eine geringere
Anzahl von Stellen, wo der äthiopische Text spätere
Einschübe aufweist. Nur in diesen zusätzlichen Teilen ist die
Ubersetzung auch sachlich von Interesse; freilich erweist ein
Vergleich mit dem arabischen Text, daß sich verschiedentlich
Ubersetzungsfehler und Mißverständnisse eingeschlichen
haben, die dazu nötigen, gerade diese nur äthiopisch erhaltenen
Teile besonders vorsichtig zu werten, wenn man sie
zur Erhellung der frühchristlichen Gemeindeverfassung heranzieht
.

Daneben besitzt die äthiopische Version natürlich auch
philologisch ihre Bedeutung. Die vom Herausgeber sorgfältig
ausgewählten Varianten seiner acht Handschriften dienen zu
einem sehr wesentlichen Teile der Aufhellung dieser Probleme,
die aber im Rahmen dieser Zeitschrift nicht im einzelnen zu