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Ausgabe: | 1948 Nr. 4 |
Spalte: | 212-213 |
Kategorie: | Altertumswissenschaft |
Autor/Hrsg.: | Nötscher, Friedrich |
Titel/Untertitel: | Biblische Altertumskunde 1948 |
Rezensent: | Elliger, Karl |
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211 theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 4 213
aus nicht typisch ist. Von diesem kommt Ker^nyi auf den
Delphin selber und schafft sich nun durch etymologische Beziehung
tu Delphoi den Ubergang vom Meer zum Land: wie
der Delphin der „Mutterleib" unter den Tieren ist, so Delphoi
das Nämliche unter den Landschaften; damit wird die FeLsen-
welt ein dem Urwasser gleichbedeutendes Symbol, und jede
Höhle kann im selben Sinne gefaßt werden, besonders dann,
wenn sie mit einer Quelle in Verbindung steht — immerhin ein
dürftiger Ersatz für die Wogen, aus denen der finnische Däumlingsheld
aufsteigt! Wenn Kerönyis Mythologem das „Ur-Un-
entschiedene" symbolisiert, so zeigt sich das eben in einer so
weitgehenden Auswechselbarkeit gleichbedeutender Vorstellungen
, daß auch Sonnenaufgang und Kindsgeburt äquivalent
werden können, ganz abgesehen von den disparaten Ausdrucks-
möglichkeiten einer und derselben seelischen Lage, die Jungs
Ausführungen ergeben. Wie in der soeben berührten Deduktion
Meer und Delphin miteinander vertauscht sind, so wird
S. 65 Aphrodite mit dem Phallos des Uranos identifiziert und
durch Zusammenfall von Zeugung und Geburt der Urzustand
ganz ins Vage gerückt. Nur zu leicht erhalten manche Momente
eine tiefere Bedeutung, die ihnen nicht zukommt; ich
kann die Schildkröte des Hermes nicht als urweltliches Tier
ansehen, da sie ja nur dazu dient, ihre Schale für die Leier
des Gottes herzugeben: das ist kein Mythologem, sondern einfach
ein Stück ältester Musikgeschichte.
Die Sagen der Griechen liegen nun einmal in einem von
hellstem Bewußtsein geformten Zustand vor. Kerönyi hat das
natürlich wohl ebensowenig wie Jung übersehen, aber es muß
daraus auch die Konsequenz gezogen werden, daß das Griechische
, wenn überhaupt, nur mit äußerster Behutsamkeit den
Rekurs auf Mythologeme eines vorbewußten Stadiums erlaubt,
wo nach Jungs Worten die Archetypen ein unbekanntes und
unformulierbares Drittes aussagten; das gilt besonders dann,
wenn diese Motive nicht durch ganz alte Tradition weitergegeben
, sondern in verhältnismäßig späten Zeiten aus dem
Unbewußten aufgestiegen sein sollen. Im ganzen scheint sich
mir die Sache so zu verhalten, daß die Griechen Vorstellungen
von Götterkindern nur im biographischen Sinne bewahrt oder
selber entwickelt haben (vgl. Nilsson, Gesch. d. griech. Rel. I
15. 293ff. 550); ob man den kretischen Zeus — dann aber die
sterbenden und wiederauflebenden Götter der Vorgriechen
überhaupt — von dem neuen Standpunkt aus besser verstehen
kann als etwa nach der üblichen Deutung als Vegetationsgeister
, wird noch zu klären sein. Es ist wirklich ein
beachtenswertes Phänomen, daß man in Kreta einen Gott,
der nach der Sagengeschichte seine Jugend längst hinter sich
hat, doch noch immer, wenn auch nicht als Kind, so doch als
„Großen Jüngling" anrufen kann (Hymnos von Palaikastro
Diehl, Anth. lyr. II2 6, 131 ff.), und so halte ich es trotz aller
Bedenken für ein Verdienst Kerönyis, in Gemeinschaft mit Jung
auf die Möglichkeit eines zeitlosen Götterkindes den Blick gelenkt
zu haben. Das Buch ist in der geschmackvollen Ausstattung
der Schriftenreihe Albae Vigiliae gehalten und mit
einigen Abbildungen von Kinderbildern geziert, darunter
einem zum ersten Male veröffentlichten Eroskopf hadrianischer
Zeit, der vermutungsweise auf ein Original des Lysipp
zurückgeführt wird.
Bonn Hans Herter
PALÄSTINAKUNDE, ALTER ORIENT
Ravn, 0. E., Ph. D., Professor of Assyriology at the Universlty of Copen-
hagen: Herodotus' Description of Babylon. Herodots Beskrlvelse af
Babylon. With 16 plates and 2 dlagrams. Transl. from the Danish by Margaret
Tovborg-Jensen, A. B. Vassar College, N.Y., U. S. A. Kj0benhavn:
Nyt Nordisk Forlag Arnold Busck 1942. 108 S. gr. 8«.
Dies, dem Gedächtnis Robert Koldeweys (1855—1925)
gewidmete Buch des Kopenhagener Assyriologen will nachprüfen
, wie weit die von Herodot in seinen „Geschichten" I,
178—200; III, 150—159 gegebene Beschreibung Babylons
zu den Ergebnissen der 1899—1917 im Auftrag der Deutschen
Orient-Gesellschaft von Robert Koldewey durchgeführten
Ausgrabung der Stadt übereinstimmt, eine Nachprüfung, die
um so berechtigter ist, als diese Ausgrabung namentlich das
Babylon des Nebukadnezar (605—561) bloßgelegt hat und angenommen
werden darf, daß die Stadt, als Herodot ihr
zwischen 470 und 460 v. Chr. seinen Besuch abstattete, im
wesentlichen noch die ihr von Nebukadnezar gegebene Gestalt
aufgewiesen hat. So vergleicht der Verf. nach einer über
Babylons Vorkommen in der israelitischen und in der griechischen
Literatur sowie über die Ausgrabung der Stadt handelnden
Einleitung (S. 5—15) an der Hand guter Abbildungen
Herodots Angaben über die Befestigungsanlagen von Babylon
(S. 16—38), über die von der Königin Nitokris mit dem
Euphrat vorgenommenen Regulierungs- und Uberschwem-
mungsmaßnanmen (S. 38—42), über den Hoch- und Tieftempel
(Etemenanki und Esangila) des Zeus Belos, also des
Marduk (S. 42—55), über den Lauf des Euphrat in der Stadt
(S. 58—66), über ihre Häuser und Straßen sowie ihre Euphrat-
Brücke (S. 66—80) mit dem Ausgrabungsbefund, schließt
daran eine Gesamtwürdigung von Herodots Bericht über
Babylon, die auch seine Angaben über Sitten und Gebräuche
der Babylonier sowie über die Geschichte der Stadt und des
nach ihr benannten Reiches berücksichtigt (S. 81—96) und
faßt S. 96L seine Ergebnisse dahin zusammen: „Dieses Erinnerungsbild
Herodots gibt mehr und weniger als der auf
Grund wissenschaftlichen Studiums entworfene Plan der
Stadt. Es gibt weniger, denn es beruht nicht auf einer Ge-
samtschau des Ganzen. Die Zusammenfassung aller Einzelheiten
, mögen sie noch so genau beobachtet sein, ergab nicht
und konnte nicht ergeben einen so zuverlässigen und so umfassenden
Plan, wie ihn eine durch Messungen zustande gekommene
Aufnahme zu liefern vermag. Anderseits bietet es
in zweifacher Hinsicht mehr als der wissenschaftliche Plan.
Es liegt in literarischer Form vor. Die beobachteten Tatsachen
werden überschattet von der Persönlichkeit des Beobachters
. Seine Neigung für übertriebene, auffallende, zur Erweckung
des Eindrucks der Monumentalität bestimmte Zahlen
hat ihn weit von der Wirklichkeit abirren lassen. Aber die
literarische, seines Autors Persönlichkeit widerspiegelnde Art
des Erinnerungsbildes bedeutet ein Plus über den wissenschaftlichen
Plan. Es bildet einen Teil der großen Schau der
Völker der alten Welt, ihrer Länder und ihrer Geschichte,
ihrer Sitten und ihrer Gebräuche, wie sie erstmalig Herodot
gesehen und dargelegt hat. Sein auf Einfühlung in sie beruhendes
Verständnis der Sache und die Anmut seiner Form
und Diktion werden auf die Leser aller Zeiten Eindruck
machen."
Aufs Ganze gesehen, wird man den Ergebnissen der mit
besonnener Kritik durchgeführten Untersuchung Ravns zustimmen
dürfen, um so eher, als ein an der Ausgrabung von
Babylon und der Auswertung ihrer Ergebnisse maßgebend
beteiligter Gelehrter, Friedrich Wetzel, in einem, durch
Ravns Buch angeregten Aufsatz über „Babylon zur Zeit
Herodots" (Zeitschrift für Assyriologie und vorderasiatische
Archäologie 48, 1944, S. 45—68), den man zugleich mit dem
Buch lesen sollte, sich etwa im selben Sinne wie Ravn geäußert
hat.
Halle/Saale OttoEißfeldt
Nötscher, Friedrich, Prof. D. Dr.: Biblische Altertumskunde. Bonn:
Peter Hanstein 1940. XVIII, 392 S., 48 Taf. gr. 8' - Die Heilige Schrift des
Alten Testaments übers, und erklärt. Ergänzungsband III.
RM 14.50; geb. 17.—
Das stattliche Werk ist als Ergänzungsband III zum
„Bonner Alten Testament" erschienen. Rücksicht auf den
Leserkreis der Sammlung, die sich auch an den weiteren Kreis
der fachlich nicht vorgebildeten, aber religiös interessierten
katholischen Welt wendet, hat den Verf. auf die Diskussion
der mancherlei Probleme so gut wie ganz verzichten lassen.
Nicht, als ob diese Problematik dem Verf. nicht bekannt wäre!
Er gibt in vielen Fußnoten gewissenhaft die einschlägige Literatur
an, bei der jetzt vor allem die beiden neuesten Werke von
W. F. Albright (From the Stone Age to Christianity2 1946 und
Archaeology and the Religion of Israel2 i946)nachzutragen
wären. Die Darstellung selbst aber hält sich im wesentlichen
von der Erörterung einzelner Streitfragen frei, sondern stellt
unter den geläufigen Topoi in der Hauptsache die Belege aus
dem Alten und Neuen Testament zusammen und formt daraus
einen leicht lesbaren Text, so daß ein Kompendium der biblischen
Archäologie im guten alten Sinne daraus entstanden
ist. Der gleichen Rücksicht, aber auch der starken Skepsis des
Verf .s gegenüber chronologischen Möglichkeiten ist es wohl zuzuschreiben
, daß ein geschichtlicher Aufriß des Ganzen nicht
versucht wird und historische Gesichtspunkte nur in Teilabschnitten
zur Geltung kommen.
Mit wahrem Bienenfleiß sind die literarischen Quellen,
auch außerbiblische, gesammelt und, soweit es sich um biblische
handelt, wohl erschöpfend in die Darstellung eingearbeitet
. Darüber hinaus ist das eigentlich archäologische
Material, das besonders die Ausgrabungen der beiden Jahrzehnte
zwischen den Weltkriegen zutage gefördert haben, in
weitem Umfange herangezogen. Und darin liegt der Hauptvorzug
des Werkes gegenüber den älteren Vertretern seiner
Art; es ist die erste zusammenfassende Darstellung des Stoffes,
die im Zusammenhang die neuesten Ergebnisse der Boden-