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Ausgabe:

1947 Nr. 3

Spalte:

175

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen der nach Gottes Wort reformierten Kirche 1947

Rezensent:

Weber, Otto

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175

Theologische Literaturzeitung 1947 Nr. 3

176

KIRCHENKUNDE

Niesei, Wilhelm: Bekeniitnisschrlften und Kirchenorduungen der nach
Gottes Wort reformierten Kirche. Im Auftrag des Reformierten Bundes u.
d. Reformierten Konventes d. Bekenntnissynode d. Deutsch. Ev. Kirche
unt. Mitarb. v. W. Boudriot, Hans Otto Oeorgii, W. Herrenbrück, H. Klug-
kist Hesse, Th. Hesse u. E. Pfisterer hrsg. von W. Niesei. 2. Aufl. Zollikon-
Zürich: Evang. Verlag 0. J. VII, 358 S. gr. 8».

Das Werk ist ein — so weit ich sehe — unveränderter Abdruck
der 1938 erschienenen 1. Auflage (München, Chr. Kaiser).
Es hat sich in dieser bereits bestens bewährt, auch im akademischen
Unterricht. Der Zolliker-Verlag verdient auch unseren
Dank für diesen sorgfältigen Neudruck, wobei der Schmerz
nicht ohne Ausdruck bleiben kann, daß uns solche und andere
wertvolle Veröffentlichungen im allgemeinen noch nicht zugänglich
sein können.

Die Notwendigkeit einer neuen Ausgabe reformierter Be-
kenntnisschriften bestellt seit längerem. Die bekannte Ausgabe
von E. F. K. Müller ist lange vergriffen; ihr Auswahlprinzip
konnte zudem da und dort fraglich erscheinen. Die vorliegende
Ausgabe will die immer noch geplante größere nicht ersetzen,
sondern die entstandene Lücke vorläufig ausfüllen. Sie tut dies
auf vorbildliche Weise. Dabei fallen zahlreiche Bekenntnis-
schriften, die Müller darbot, vorläufig fort, darunter sämtliche
des ursprünglich zwinglischen Typus. Andererseits werden,
was sehr notwendig war und höchsten Dank verdient, mit den
Bekenntnisschriften zusammen nun auch Kirchenordnungen
gebracht: die französische Discipline ecclesiastique, die kurpfälzische
Kirchenordnung, die Genfer Ordonnances in der
späteren Fassung von 1561, die Emder Synodalbeschlüsse und
die Kirchenordnung für Jülich und Berg von 1671. Endlich
bietet diese Ausgabe drei zeitgenössische Zeugnisse, darunter
die Barmer Erklärung vom 31. Mai 1934. Diese beiden Erweiterungen
der von Müller eingenommenen Basis sind den
Erkenntnissen entsprungen, die seit 1933 im Kampf der
Kirche geschenkt wurden, und es darf als ein Zeichen der Zeit
hervorgehoben werden, daß hier als reformiertes Bekenntnis
auch ein Zeugnis erscheint, das keineswegs allein ein solches
der reformierten Kirche ist: das Vorhandensein der Barmer
Erklärung in dieser immerhin nicht privaten Sammlung ist ein
nicht zu übersehender Flinweis darauf, daß die reformierte
Kirche in Deutschland dem Koufessionalisnnts abgesagt hat,
ohne dabei das Zeugnis ihrer Väter geringzuachten.

Im übrigen ist es schon richtig, wenn W. Niesei im Vorwort
erklärt: „Jede Auswahl ist fragwürdig." Man wird indessen
urteilen müssen, daß jedenfalls die wichtigsten Urkunden
hier beieinander sind; ich würde einzig das Fehlen der
Dordrechter Canones bedauern. Das Werk will nicht in erster
Linie der kirchengeschichtlichen Arbeit dienen, sondern Zeugnisse
darbieten, die ,,für unsere Gemeinden heute noch rii li-
tungsgebend sind" (Vorwort). Das ist voll erreicht. Wer sich
ein verantwortliches Urteil über die reformierte Kirche bilden
will, findet hier das Nötige beieinander, und man kann mir
wünschen, daß diese Ausgabe auch dem heute wieder so lebendigen
Gespräch der „Konfessionen" zugute kommt. Die Texte
sind sorgfältig im Rückgang auf die ältesten erreichbaren
Fassungen reproduziert, die Einleitungen bei aller Knappheit
gut orientierend und zum Teil weit über Müller hinausführend.
Ein Apparat fehlt bei manchen Urkunden fast ganz; er ist
auch, wo er vorhanden ist, äußerst sparsam angebracht, dem
Zweck der Ausgabe entsprechend.

Die Zusammenstellung von Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen
hat ein Ergebnis gezeitigt, das besonderer Hervorhebung
wert ist: die Einfügung des Heidelberger Katechismus
in die kurpfälzische Kirchenordnung. Sie wird sehr dazu
helfen können zu zeigen, wie wenig es im Bekenntnis um
Doktrinen allein geht.

PH Es bestand meines Wissens schon bei der ersten Ausgabe
der Plan, eine Übersetzung der wichtigsten Urkunden folgen
zu lassen. Er konnte bisher wegen der Kriegsereignisse nicht
verwirklicht werden. Es sei aber noch einmal ausgesprochen,
wie wünschenswert eine solche Ergänzung ist: es muß ja auf
jeden Fall vermieden werden, daß das Bekenntnis der Kirche
eine Sache der gelehrten Arbeit wird und der Gemeinde entgleitet
. So möge der Dank an die Herausgeber in diese Bitte
an sie ausmünden.

Oöttingen Otto Weber

Böhme, Dr. Kurt: Der Oekumenisclie Rat der Kirchen. Seine Vorgeschichte
, Aufgaben, Dokumente. In deutscher Sprache hrsg. Berlin:
Christi. Zeitschriftenverlag [1947]. 47 S. 8°.

Diese kleineBroschürevoii47 Seiten füllt eine Lückeaus. Es
ist dem Hauptschriftleiter der,, Kirche" zu danken, daß er neben
seiner reichen publizistischen Arbeit sich die Zeit genommen hat,

dem in der Tagespresse und in Versammlungen viel diskutierten
Thema eine dokumentarische Grundlage zu geben, ohne die die
weltbewegenden Vorgänge in der Christlichen Kirche leicht
dem flüchtigen Gerede der Uneingeweihten preisgegeben sind.

In einer kurz gehaltenen „Einführung" des Herausgebers,
die bei einer neuen Auflage vielleicht noch ausgedehnt und vertieft
werden könnte — die ökumenische Bewegung hat viele
Motive und Impulse aufzuweisen —, erhalten wir einen Einblick
in das Werden eines neuartigen Versuche», die Gesamtchristenheit
zu einem unüberhörbaren Zeugnis für die Herrschaft
Christi in einer verworrenen und ratlosen Welt in Not
zu bringen. Der Bericht des Generalsekretärs des Okumen-
nischen Rates, Dr. Visser t'Hooft, auf der Genfer Tagung im
Herbst 1946 erstattet, erweist die Richtung, Begrenzung und
Spannweite der Aufgaben, wie sie der Vorläufige Ausschuß
sich in den letzten 8 Jahren herauszuarbeiten genötigt sah.
Wohltuend berührt die glaubensstarke, illusionslose Schau der
andrängenden Probleme. Der von allen Ausschußmitgliedern
namentlich unterzeichnete Einladungsbrief an die Kirchen, der
im Wortlaut angefügt ist, ist auf den eigentlichen Auftrag der
Kirche des 3. Artikels ausgerichtet: Die Evangelisation in der
Welt. Die „Verfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen"
läßt das Bestreben erkennen, das Verhalten des Rates elastisch
und wirklichkeitsnahe zu halten und auch die Beziehungen zu
anders gestalteten ökumenischen Vereinigungen lebendig und
möglichst reibungslos verlaufen zu lassen. Die Genfer „Botschaft
" des Vorläufigen Ausschusses ist ein tröstliches und aufweckendes
Glaubenszeugnis, das sorgsam und hellhörig gelesen
werden sollte. Die „Entschließungen" über die Flücht-
lingsnot in Europa und Asien, über Antisemitismus und die
Judenfrage verbinden grundsätzliche Aufschlüsse mit praktischen
Weisungen, die von hohem Wert sind. Alles in allem -
eine verdienstvolle Handreichung.

Berlin Diestel

S zab ö, Gcza, Dr.: A magyar reformatus orthodoxla. a xv 11. szäzad teoiö-

giai irodalina. Geschichte der reformierten Theologie in Ungarn Im Zeitalter
der Orthodoxie. Mit ausführlichem deutschem Auszug. Budapest: Balas
1943. 148 S. 8«.

Der reformierte Glaube in Ungarn ist eine der charakteristischsten
Schöpfungen der ungarischen Geistigkeit. Die
ersten ungarischen Verkünder der Gedankenwelt der Reformation
, wie Devai Bfrd, Szegedi und Sztarai, waren Schüler
von Luther. Sie hielten aber nicht an seiner Lehre fest, sondern
untersuchten mit scharfer Kritik die Werke der Zeitgenossen,
und mit einer originellen Wertung der Quellen formten sie ihre
Olaubensprinzipien. Sie standen zwischen Zürich und Wittenberg
. Das auf Grund der originellen Auffassung der ersten
ungarischen Reformation entstandene Lehrsystem der ersten
großen Synode in Debrecen 15O7 kann als eine Mischung der
eigenen ungarischen Theologie und der Lehren von Zwingli,
Melanchthon und Bucer angesehen werden. Obwohl der größte
Teil des Ungartums in der Mitte des 16. Jahrhunderts sich von
Luther abgewandt hat, stand vorläufig die junge reformierte
Konfession, „der ungarische Glaube", nicht unter dem unmittelbaren
Einfluß Calvins. In der Ausbildung der ungarischen
reformierten Orthodoxie war aber die immer wachsende
Wirkung Calvins sehr bedeutend. In den letzten Jahrzehnten
des Jahrhunderts der Reformation, in dem Zeitalter der Bildung
der einheitlichen protestantischen Kirchen, besuchte
nämlich die ungarische reformierte Jugend diejenigen Universitäten
Deutschlands, Hollands und der Schweiz, die überwiegend
unter dem unmittelbaren Einfluß des Genfer Reformatoren
wirkten. An der Wende des 16. und 17. Jahrhunderts
entstand neben der holländischen, schweizerischen, französischen
und deutschen reformierten Orthodoxie die spezifisch
ungarische Richtung des Festhaltens der Gesamtkirche an der
reinen calvinistischen Lehre. Nach der Organisation der Kirchenverwaltung
und nach der Kodifizierung der dogmatischen
Lehren mußte die Orthodoxie auch in Ungarn die innerkirchlichen
Gegenströmungen bekämpfen. Die als Gegner ihres versteinerten
Systems auftretenden Bewegungen der Gefühls-
religiösität: die puritanischen und presbyterianischen Prinzipien
, die Lehre des Coccejus und Decartes gelangen alle nach
Ungarn. Das Schicksal der erwähnten vier antiorthodoxen Bewegungen
in der ungarischen Literatur wurde schon dargestellt
, es ist ein großes Verdienst des Verfassers, in dem vorliegenden
Werk die Reaktion der ungarischen ref. Orthodoxie
diesen Strömungen gegenüber zusammenfassend zu charakterisieren
. Er beschränkt sich allerdings nur auf die Aufzählung
und Betrachtung der literarischen Kampfmittel und geht nicht
auf die Darstellung des interessanten gesellschaftlichen und
politischen Ringens ein, das unter den Vertretern der verschiedenen
religiösen und theologischen Strömungen in Ungarn aus-