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Ausgabe:

1947

Spalte:

173-174

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Löfstedt, Einar

Titel/Untertitel:

Syntactica 1947

Rezensent:

Langosch, Karl

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17.i

17 t

statt diese aus der Quelle zu entwickeln. So ist für ihn die „Behauptung
" ein Kerngedanke der Rek. (S.31,46 u.ö.), den er
auch dann anwendet, wenn Ircnaeus selbst ihn nicht erwähnt
(cf. S. 46: ,,analog dem Folgenden könnten wir die Annahme
des Fleisches durch den Logos „Rek." (Be-hauptung)
nennen" und dazu S.46, A.52; S. 70 über Christus als „Haupt"
der Schöpfung und dazu S.70, A.17). Nun hat Loofs auf
Grund seiner jahrzehntelangen Irenaeus-Studien zwar behauptet
, daß Irenaeus den Gedanken von Christus als Haupt
seines Leibes nicht mit der Rek. verknüpfe (Theophilus v. Antiochien
, S.368, A. 1), Scharl glaubt jedoch diese Erkenntnis
durch einen Hinweis auf adv. haer. V 20,2 beseitigen zu können.
Auf Loofs hätte dieses Argument sicher keinen Eindruck gemacht
, weil Irenaeus hier Christus als caput spiritus bezeichnet
, während der spiritus seinerseits Haupt des Menschen
geworden sei!

Von seinen systematischen Prämissen aus hat Verf. endlich
versucht, den Begriff der Rek. in einer „sprachlichen Vorbemerkung
" in seine Bestandteile zu zerlegen (S.6f.). Ausgehend
von d'Ales' Scheidung in eine „logische" und eine „kosmische
" Rek. (S.3) hält er vier verschiedene Bedeutungen
auseinander. 1. Das in Kürze Zusammenfassen, das Inbe-
griffensein (Rö. 13,0) ist die logische oder (sie!) intentionale
Rek., die „absichtliche, vorsätzliche Erfüllung" (S.13), d.h.
etwa die Vorbildung der Heilsgeschichte auf Christus hin. Man
erkennt auf den ersten Blick, daß beides nichts miteinander
zu tun,hat. 2. Die kosmische oder reale Rek. wird vom Wort
ynprdi) abgeleitet, das der Terminus draxnpa).aio>oaathu in sich
enthält (Ephes. 1,10), den Irenaeus nur nicht mit jenem verbindet
. 3. Die Bedeutung „wiederherstellen" gewinnt Scharl
aus der Präposition Ava — zurück, während 4. der Sinn des
„Vollendens" aus der gleichen Präposition äva = äva> -~- „von
oben her" (die Dinge ergreifen, d.h. sie ans Ziel führen, cf.
S.26) zu erschließen sei. Verf. übersieht dabei nur, daß «<«
gerade die entgegengesetzte Bedeutung hat (nach oben hin),
bzw. einfach oben, oberhalb heißt. Aber im Grunde legt er
dieserr sprachlichen Ableitung kaum einen Wert bei, weil das
Schema bereits vorher für ihn feststand. Deshalb stören ihn
auch einige Unstimmigkeiten nicht, die zwischen dieser Vorbemerkung
und der eigentlichen Ausführung obwalten (nach
S.21 heißt alles „reale Rek.", was nicht zur intentionalen gehört
, also Nr. 2—4, während nach S.7 diese Bezeichnung nur
auf Nr.2 beschränkt ist; die Gleichsetzung von real und kosmisch
(Nr. 2) trifft nicht überall zu, allein bei cap.IV ist sie
angebracht, nicht dagegen bei cap. III, andererseits gehört
vieles in die Rubrik des Kosmischen hinein, was cap. I A 2,
S. ißff. unter der Überschrift „intentionale Rek." entwickelt
usw.).

Was hier im kleinen gilt, trifft für die Arbeit selbst im
großen zu: die theologische Welt des Irenaeus ist von bestimmten
systematischen Gedanken aus gestaltet und nicht ohne
Geschick zu einem großen Organismus zusammengefaßt (cf.
S.2,8 und bes. die Schlußabschnitte der einzelnen Kapitel).
Das Schwankende, Unausgeglichene, das einen Gedanken in
der Polemik nur Andeutende, all' das z.T. auch Widerspruchsvolle
und Fragmentarische, was für Irenaeus so kennzeichnend
ist, verschwindet, und an seine Stelle tritt das Feste, Eindeutig
-Klare. Stellte er Ausführungen nebeneinander, die verschiedenen
Traditionen entstammen, so wird vom Verf. alles
auf einer Fläche aufgezeichnet, alles bedenkenlos zu einem
Bilde vereint, was zu einer unerlaubten Verwischung ursprünglicher
Spannungen führen muß. So sehr das Buch daher
als eine selbständige, systematische Durchdringung (und auch
Weiterführung) des Rek.-Gedankens eines gewissen Interesses
sicher ist, so zeigt es doch andererseits deutlich Mängel und
Gefahren einer solchen vereinfachenden und vereinheitlichenden
Betrachtungsweise, die schließlich dazu führen könnte,
wertvolle Erkenntnisse früherer Generationen preiszugeben und
sehr zum Schaden der Sache als überholt beiseite zu schieben.

Mainz Walther Volker

Lötstedt, biliar: Syiltactica. Studien und Beiträge zur hlst. Syntax des
Lateins. T. 1. Lund: C. W. K. Oleerup; Leipzig: Harrassowitz 1942. XXV,
407 S. gr. 8». - Skrlfter utg. av kungl. humanist. vetenskaps-samfundet
I Limd X, 1. RM 13.50.

E. Löfstedt trachtete in seinem „Philologischen Kommentar
zur Peregrinatio Aetheriae — Untersuchungen zur Geschichte
der lateinischen Sprache" (lOIl) vor allem danach,
einige Haupterschdnungeri des Spätlateins auf ihrer historischen
Basis, d. h. mit ihrer Entwicklung in älterer und
ältester Zeit darzulegen und damit der Forschung über das
Spatlatein die ihr bis dahin fehlende Fühlung mit der älteren
Sprachgeschichte zu geben. Mit diesem Werk, in dem er ein

Sprachdenkmal des Vulgärlateins bezw. des altchristlichen
Lateins aus der Mitte des 6. Jhs. untersuchte, machte er förmlich
Schule (das Buch erlebte vor einiger Zeit einen anasta-
tischen Neudruck), und zwar so, daß das Spätlatein recht
eigentlich zum Revier der nordischen Wissenschaft wurde
Von der mehr kommentierenden Art, in der er noch ver
schiedene Arbeiten hielt (z.B. „Amobiana" 1917 Zur
Sprache Tertullians" 1920), ging er dann zur systematisierenden
111 seinen „Studien und Beiträgen zur historischen Syntax
des Lateins" über, deren erster Band 1928, der zweite 191 n
erschien. Der zweite, der „Syntaktischstilistische Gesichtspunkte
und Probleme" und zwar morphologische psychologische
und stilgeschichtliche behandelt und S. 359« eine
Art Bibliographie zum Spät- und Vulgärlatein bietet wurde
damals in größerer Auflage gedruckt, so daß eine Neubearbeitung
vorläufig nicht in Frage kommt» Der erste Teil aber
war seit einigen Jahren vergriffeu und wird jetzt in einer beträchtlich
erweiterten und umgearbeiteten Auflage vorgelebt
in der jedoch die erste nicht so stark verändert wird daß eiii
ganz neues Buch entstand — so erging es L. bei der zweiten
Ausgabe seiner Dissertation mit dem neuen Titel , Vermischte
Studien zur lateinischen Sprachkunde und Syntax" (1936) die
unsere „Syntactica'' durch eine Reihe semasiologischer und
syntaktisch-stilistischer Einzeluntersuchungen ergänzen Die
„Syntactica" wurden bereits bei ihrem ersten Erscheinen lebhaft
begrüßt und nach Gebühr gepriesen. Der neuen Gestalt
wenn auch nur des ersten Teils — möchte es L. in nicht zu
ferner Zeit vergönnt sein, auch den zweiten entsprechend zu
erweitern! — soll hier nichts anderes widerfahren, zumal in
dieser Zeitschrift damals keine Anzeige erschien. Der zweite
der beiden Abschnitte im ersten Teil, der umfänglichste und
gehaltvollste, „Zur Kasuslehre", erhielt ein neues Kapitel
„Zum Gebrauch des Nominativs" (S. 75—90) vorangestellt.
Darin bespricht L. einige eigentümliche Verwendungen des
Nominativs als unkoustruierten Kasus oder Kasus der „syntaktischen
Ruhelage", so beim Nennen eines Namens, in Aufzählung
, Apposition, im appositionell oder prädikativ hinzugefügten
Partizip, im formelhaft erstarrten dicens, in adver-
bialisierter Nominativform des Adjektivs (wie pedes „zu Fuß")
oder des Substantivs (wie antecessus „im voraus"). Auch für
diese Fälle gibt er wie sonst stets reiche Belege, die zugleich
die Entwicklung verdeutlichen und Parallelen aus andern
Sprachen bieten; er leitet sie historisch ab oder gibt ihre psychologische
Begründung. Solche auakoluthhaft anmutenden Überlieferungen
rettet er vor Emendation und lehrt diese Sonder-
verwendungen richtig verstehen.

Noch ein zweites Kapitel kam ganz neu hinzu, das letzte:
„Zur Vorgeschichte des romanischen Artikels" (S. 358—382).
Es erörtert ein besonders interessantes Entwicklungsproblem
und will Alter und Bedeutung der Ansätze dazu im Spätlatein
betrachten, in denen das Demonstrativpronomen sich anschickt,
zum Artikel überzugehen. Zu den Fällen, in denen das Pronomen
seine Demonstrativkraft verliert, gehören zwei Gruppen
, die Anknüpfung der Apposition au einen Namen durch
llle und Gegensätze, Einteilungen, Vergleiche mit kontrastierendem
ille im zweiten Glied (ille alter, ille alias „der andere")
u. ä. in. Ganz gleich, ob man nun dieser zweiten Entwicklungs-
reihe dasselbe Gewicht wie L. zubilligen mag, so zeigen auch
diese an sich richtigen Beobachtungen die Vorzüge von L.s
Forschungsmethode: außer dein liebevollen Heranschaffen
und kritischen Verarbeiten eines großen Materials aus dem
weiten Gebiet der römischen Literatur und dem Heranziehen
anderer Sprachen und ihrer Syntax hauptsächlich die so
fruchtbare Verbindung von Sprachwissenschaft und Philologie
, „wie sie in unseren Tagen besonders Wackernagel und
Wilhelm Schulze . . . mit glänzendem Erfolge verwirklicht
haben", wie L. im Anfang des ersten Vorworts bekannte.

Das 12. Kapitel über den Dativ, das L. durch Einteilung
übersichtlicher machte, vermehrte er durch einen neuen Paragraphen
„Dativ statt des Akk. als Objekt" (S. 200—208) und
auch sonst fast um 50% (von 28 auf 41 S.) und damit am
stärksten von allen Kapiteln, wozu dann noch in den Nachträgen
4 S. Ergänzungen aus der Romanistik durch E. Lerch
kommen. Hier ist — und das gilt ebenso für die übrigen geringeren
Erweiterungen der 2. Auflage —"•nicht nur die inzwischen
erschienene Fachliteratur eingearbeitet, sondern, wie
etwa S. 218 ff. lehren kann, wo aus 12 Zeilen über 3 Seiten
wurden, noch mehr das verschärfte Streben L.s wirksam, seine
Längsschnitte bis ins Mittelalter zu erweitern und das Mittellatein
besonders der Merowingerzeit einzubeziehen getreu der
eignen Mahnung in den „Vermischten Studien" 1936: „Kim-
genauere Erforschung (der mittelalterlichen Latinität) bleibt
eine der nächsten großen Aufgaben der Latinistik . . ."

Berlin K. Langoscli