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Ausgabe:

1947 Nr. 1

Spalte:

40-42

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Zachariades, George Elias

Titel/Untertitel:

Tübingen und Konstantinopel 1947

Rezensent:

Alibizatos, Amilkas Spyridōnos

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Theologische Literaturzeitung 1947 Nr. 1

Ii)

Gottes könne der Mensch die Gebote Gottes erfüllen und, insofern
dieses für die Menschen erreichbar ist, vollkommen
werden. Die Vorherbestimmungslehre verwirft Coornhert. Es
sei nur die Rede von Gottes Vorherwissen. Der ganze Heilsprozeß
ist synergistisch gedacht. Dabei werden wir immer
wieder an Cicero, Seneca und Boethius erinnert. Die Ethik
Coornherts ist in hohem Maße stoisch bestimmt. Für den
Wohlmeinenden und Tugendhaften gilt das „omnia bona mea
mecum porto". Dabei fehlt es nicht an Spiritualistischen und
mystischen Spuren (Seb. Frauck; Theologia Deutsch). Man
gewinnt stark den Eindruck, daß die Tiefe der Bibel Coornhert
entgeht. Seine ganze Gedankenwelt ist vorwiegend mora-
listisch und rationalistisch. Letzten Endes komme es auf das
tugendhafte Leben au, auf das Kräftig-und-maßvoll-sein. Die
Vernunft habe die Menschen zu leiten. Die Tugend lasse sich
erlernen. Eine große Rolle spielt das Naturrecht.

Dr. Becker hat in einer kurzen Einführung nur die Hauptsachen
behandelt. Viele Wörter werden erklärt, Anführungen
werden in Noten erläutert. Das Buch ist herausgegeben worden
in den Leidener Drucken und Neudrucken seitens der „Maat-
schappij der Nederlandsche Letterkunde te Leiden". Auch
die „Academie van wetenschappen" hat ihrerseits Dr. Becker
diese Ausgabe ermöglicht. Das Ganze ist ein Beweis dafür,
daß Dr. Becker seine Coornhert-Studien in löblicher Weise
fortgesetzt hat.

Utrecht M. van Rhijn

Rusche, Helga: Die Eschatologle In der Verkündigung des schwäbischen
u. niederrheinischen Biblizismus des 18. Jahrh. Heidelberg, Theolog. F.,

Diss. (271 11. 15 S.) 4* [Maschinenschr.]

Der Titel der Arbeit ist enger als ihr wirklicher Inhalt.
Er klingt rein historisch, während die Arbeit selbst auch systematisch
- und praktisch-theologisch ausgerichtet ist. Es liegt
eine unausgeglichene Spannung über dem Verhältnis der Ele-
mente. Davon zeugt schon die an sich sehr praktische Gliederung
des Ganze», Nach einer einleitenden „Theologischen Rechtfertigung"
der Arbeit (S.I—VI) macht der I.Teil (S.i—78) mit den zu behandelnden
Personen bekannt, d.h. mit den Schwaben von Bcngel bis J.M.Hahn und
den Niederrheinern von Collenbusch bis Menken; der 2.Teil (S.79—206; dazu
7 Seiten Excurse) entfaltet unter dem Stichwort ,.Materialien" die eschato-
logischcn Aussagen erst der schwäbischen, dann der niederrheinischen Vertreter
; der 3.Teil (S.207—56) heißt ganz allgemein „Darstellung und Kritik",
beschränkt sich aber nach kurzer Abgrenzung der beiden Gruppen gegenüber
Orthodoxie, Pietismus und Aufklärung auf einige ganz bestimmte Blickpunkte
(spekulative Oedanken, Verhältnis zu andern dogmatischen Aussagen, Stellung
zu Kirche und Bekenntnis); ein kurzer 4.Teil endlich (S.257—71) handelt von
„Eschatologie und Predigt" und mündet in Forderungen an die heutige Predigt.
Danach ist der weitaus größte Teil des Raums der historischen Darlegung
gewidmet, während die systematischen Motive und Ziele nur äußerst knapp,
daher unbefriedigend skizziert werden können. Die Verf. erkennt zwar an, daß
es dabei noch ungelöste Fragen gibt (S.III), steht aber zu sehr unter dem
Bann von Lieblingsmeinungen und Begriffen der letzten Jahrzehnte, um zu
spüren, wie vieles in ihren Oedanken problematisch bleibt. Sie hätte besser
getan, sich auf systematischem Gebiet zurückzuhalten.

Trotzdem ist die Arbeit zweifellos verdienstlich. Die behandelten
Männer sind bisher — von Bengel abgesehen —
höchstens als interessante Außenseiter oder als Vorläufer der
Erweckung nebenbei zur Geltung gekommen. Am ehesten
wurde die Rolle erkannt, die sie für das Werden der ,,heilsgeschichtlichen
'' Betrachtungsweise gespielt haben. Die Bedeutung
, die sie als selbständige Mittelglieder zwischen Pietismus
und Erweckung, als eigen wüchsige Gestalten voll zu-
kunftsträchtiger Gedanken, als innerchristliche Parallelen zu
wichtigen Linien des Deutschen Idealismus besitzen, ist noch
nirgends umfassend gewürdigt. Die Verf. führt hier einen
guten Schritt weiter. Als Schlüssel der Erkenntnis und Maßstab
der Wertung dient ihr das eschatologische Denken, und
sie versteht mit ihm tatsächlich das Verständnis für jene Gestalten
zu erschließen. Indem sie sowohl der Besonderheit der
Einzelnen wie dem Gemeingut der Gruppen sorgfältig nachgeht
, zeichnet sie ein vielseitiges klares Bild der ganzen Bewegung
. Sie vervollständigt z.B. auch die bisherige Kenntnis
durch starke Heranziehung Frickers als eines Hauptvermittlers
zwischen beiden Gruppen und durch gelegentliche kleine
Korrekturen (z.B. S.62). Ihr Urteil ist stets besonnen und
trägt der zeitgeschichtlichen Bedingtheit des Biblizismus
Rechnung. Allerlei geistes- und theologie-geschichtliche Irrtümer
oder schiefe Formulierung laufen unter. So wenn bei
dem richtigen Hinweis auf Beeinflussung Herders durch die
Schwaben schlechthin behauptet wird, daß er „die Ansätze
seiner religiösen Geschichtsbetrachtung" und seinen Lebens-
begriff von ihnen empfangen habe; der Satz „Vom Reiche
Gottes spricht H. später nicht mehr" (S.222) ist direkt

falsch. Ähnlich bei der Heranziehung Luthers S.^48, bei allgemeinen
geistesgeschichtlichen Behauptungen wie S.220. 244,
bei der modischen Ungerechtigkeit gegenüber dem ig. Jahrh.
u.a. Allein solche Unsicherheiten sind bei einer Erstlingsarbeit
, die nicht überall auf eigner Ouellenlektüre fußen kann,
entschuldbar. Im ganzen hat die historische Theologie alle
Ursache, der Verf. zu danken.

Nur die systematischen Erörterungen bedürfen noch eines Wortes. Nerv
des eschatologischen Denkens Ist für die Verf. nicht das endgeschichtlkhe,
sondern das im Anschluß an Siegfried (ZThK 1923) „aktuell" genannte Moment
. Nicht als ob jenes übergangen würde. Aber es erscheint als zeitgeschicht-
lich-biblizistische „Befangenheit" und soll auf seinen wesentlichen Gehalt
zurückgeführt werden. Wenn dabei die Analogie des aus dem Rahmen lösbaren
Bildes gebraucht wird (153f.), so ist das allzu äußerlich. Tiefer führt der Hinweis
auf Bultmanns Entmythologisierungsprogramm (S.252), das auf Transparent
-Machung des Endgeschichtlichen hinausläuft. Das Ergebnis wird sehr
verschieden formuliert. Mit inhaltlich ausgerichteten, vollen Sätzen z.B.
S.254f.; sehr formal dagegen z.B. S.VI (Entscheidungscharakter, Dringlichkeit
) und S.263 („mitten im zeitlichen Leben um das ewige wissen"). Aber
so oder so: könnten die Schwaben und Niederrheiner sich damit begnügen?
Das endgeschichtliche Moment läßt sich nicht einfach in biblizistische Befangenheit
auflösen. Es ist mit der Geschichtlichkeit und mit dem Hoffnung!-
Charakter des christlichen Glaubens untrennbar verbunden. Höchste Vorsicht
Ist hier nötig, um die biblizistische und apokalyptische Gedankenwelt so zu
sichten, daß nur Ihre zweifellos stark mitgestaltenden glaubensfremden Elemente
ausgeschaltet werden. Weder die Analogie der Rahmen-Ablösung noch
die der Transparentierung noch die heute ebenso beliebte der Übersetzung ist
dafür genügend — jede wird nach einzelnen Seiten hin fruchtbar, aber keine
stellt uns mit zureichender Klarheit die Aufgabe, in der Eschatologie wie In
allen Gedankenkreisen des Christentums beständig um die stets gefährdete
Reinheit der christlichen Botschaft zu kämpfen. Unter diesem Gesichtspunkt
würde auch die Wertung der schwäbisch-nlederrheiuischcn Theologen noch
etwas anders ausfallen als in dem vorliegenden Buche. — Das Literatur-Verzeichnis
ist zwar sehr umfangreich, läßt aber einiges für das Thema Wichtige
beiseite; so Paid Ernst, Hamann und Beugel, 1935, und ü.Weth, Die llcils-
geschichte, 1931.

Leipzig Horst Stephan

KIRCHENKUNDE: DIE OSTKIRCHE

Zacharlades, George Elia*: Tübingen und Konstantinopel. Martin

Crusius u. s. Verhandlgn. mit d. griech.-orthod. Kirche. Göttingcn: Ocrstung
u. Lehmann 1941. (I09S.) 4° - Schriftenreihe d. Deutsch-Oricch. Oes. H. 7.

RM 5.—.

Die Arbeit von G. E.Zachariades kann als gut und fleißig
charakterisiert werden. Dennoch glaube ich, daß der Verfasser
selbst keine weiteren Ansprüche auf eine höhere wissenschaftliche
Leistung mit seiner interessanten und gut gearbeiteten
I 'litersuchung erhebt. Das hochinteressante Thema ist bis jetzt
viel besprochen, und durch die oben angezeigte Arbeil wird
kaum ein neuer und zum ersten Mal festgestellter Punkt er- x
örtert. Dabeisei bemerkt, daß der Vf. obschon er, wie es scheint,
ein griechischer Theologe ist (?), keine Stellung zu dem untersuchten
Thema nimmt, sondern sich mit der historischen
Schilderung begnügt.

Einige technische schriftstellerische Fehler weisen auf eine bis jetzt
beschränkte schriftstellerische Tätigkeit hin, sonst würde man kaum das
öftere Fehlen von Zitaten und Litcraturangaben (wie in S.5, 7, 8, 12, 14, 28,
32 etc.) verzeihen können wie auch, daß viele von den Zitaten merkwürdigerweise
in englischer Übersetzung angegeben sind (S.7, 8, 10, 11, 13, 14,
19, 23 etc.). Außerdem ignoriert der V. vieles sowohl von der älteren, wie von
der neueren Literatur, die sich direkt oder indirekt auf sein Thema bezieht
(vgl. J. Oeisius, Dissertatio de destinata inter Constantinopolltanum Patrl-
archam Jeremiam et Theologos Witembcrgenses conjunetione, Witembergae
1705; Kv7t(iiov I'k)iv>v Liber qui vocatur Index Veritatis, Leipzig 1758;
A. Landenberger, Die Reise zweier Württembergischer Gesandtschaftsprediger
nach Constantinopel im Jahre 1573 u. 1577 etc. Stuttgart 1888;
C. Hcfele, Versuche zur Protestantisierung der griechischen Kirche, in s.
Beiträgen zur Kirchcngeschichte, Archäologie u. Liturgik, B. I. Tübingen
1864, S.444, 490 u. in Theologische Quartalschrift 25 (1843) S.541—016;
J. Holtorf, Dissertatio theologica ad controversias Helmstadii 1726; G. Pfi-
ster, Urtheil der Orientalischen Kirche und ihres Patriarchen zu Konstantinopel
über Augsburgische Confession etc. Herbipoli 1827; Chr. Schnurrer,
De Stefano Gerlachio nec non de actis inter Tubingenses Theologos et Patri-
archas Constantinopolitanos etc. Tubingae 1828; E.T.Kimmel, Monumenta
fidel Ecclesiae Orientalis, Jenae 1850; /. Mi oohcopd, 'lepcfttov rov U xai
xöiv iJia/ia(>ivt>ouirv>v 9io).6yu>v rä y(jd/i/iara Ttiq'i rfjs Avyovotatat
bfioloyiai, 'AD-fjvai 1881; J.Schall, Tübingen und Konstantinopel, etc. in
Blätter für Württembergische Kirchengeschichte 7 (1892); J. Mictialcescu,
W^oatpos TiJ» 'Op&odojitai, Leipzig 1904; Ä. J v o ß 0 vvi ait o v,
HinSdows Zvyofiu).ds in "&iokoyia" (1923) 18f. u. 141 f.; O. Hof mann,
Griechische Patriarchen und Römische Päpste. Patriarch Jeremias II. in