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Ausgabe:

1947

Spalte:

32-33

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Klostermann, E.

Titel/Untertitel:

Symeon und Macarius 1947

Rezensent:

Völker, Walther

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3]

Theologische Literaturzeitung 1947 Nr. 1

32

sehen Analysen, welche Pedanterie und Gottlosigkeit inspirierte
", und gegen die „hyperkritischen Werke", die ,,an verehrungswürdigen
Texten nagen, Interpolationen über Interpolationen
konstatieren, phantastische Hypothesen erheben
und unverrückbare Daten zerstören", anzugehen und die
Fruchtbarkeit der traditionellen Paulus-Auffassung zu demonstrieren
. Die beiden zuerst genannten Zwecke hat der Verfasser
geradezu glänzend erreicht, den dritten Zweck wenigstens
nicht unsympathisch zu erreichen gesucht. So entstand ein
Buch, das in der Form einer fesselnden Reisebeschreibung
Leben und Lehre des Paulus aufbaut (die „Lebens"-Stücke
geraten dem Verfasser besser als die ,,Lehr"-Stücke) und den
Leser im besten Sinne erbaut. Ein modernes Buch zugleich,
mit beachtlichen literarischen Qualitäten.

Wo der Stoff fehlt, ergänzt der Verfasser aus eigenen, manchmal doch
recht fraglichen Schrift-Kombinationen — aber im Ganzen ist die Exegese
gesund und überraschend vorurteilslos. Er greift gelegentlich auch nach Legenden
, aber in erträglicher Weise; als Spanier ist er überzeugt, daß Paulus
in Spanien gewirkt hat (wofür er I. Clem. und den Canon Muratori anführt).
Ausdrücklich erklärt er im Vorwort: „Ich biete hier keine Neuigkeit für die
Historiker, nichts, was die Gelehrten als Bereicherung, die Spezialisten als
Überraschung buchen könnten." Das Neue an dem Buche ist der Appell zu
paulinischer Haltung, gerichtet an die akademische und literarische Jugend
des spanischen Katholizismus.

Wertingen Leonhard Fendt

Helm, Karl: Die Königsherrschaft Gottes nach Texten aus dem Mar-

kusevangelium. Stuttgart: Quell-Verlag 1940. 63 S. 8°. RM —.80.

Nach Texten aus dem Evg. des Markus entwickelt der
bekannte Tübinger Systematiker in 4 Betrachtungen Wesen
und Ziel des Gottesreiches, wie Jesus es uns verkündet hat.
Wie in einer Fuge bildet das Weinberggleichuis Mk. 12, 1—12
das Thema der ersten Betrachtung und zieht sich als Grundakkord
durch die 3 folgenden hindurch. Es wird zunächst der
zwingende Nachweis geführt, daß der Mensch der Forderung
Gottes, ihm zu geben, was ihm gehört, beharrlich Widerstand
entgegensetzt und Gottes Boten entsprechend behandelt, obwohl
doch „ganz selten ein Mensch ohne irgendeinen Vermittler
den Weg zu Gott findet". Darauf folgt eine höchst eindrucksvolle
Schilderung der Vaterliebe Gottes, der sich, anstatt zu
vernichten, in einen Kampf mit uns einläßt, weil er will, daß
allen Menschen geholfen werde. „Gott grenzt dabei auf dem
Boden dieser Welt ein Gebiet ab, mit dem er einen besonderen
Zweck hat". Hier soll eine Stätte sein, wo das sichtbar wird,
was eigentlich auf der ganzen Erde gelten sollte, die Gottes
Eigentum ist. Die zweite Betrachtung (Mk. 8, 31—33; 10, 32
—34 und 15, 24—37 liegen zugrunde) macht klar, daß der
Widerstand gegen Jesus, der sich zu tödlichem Haß und dem
Willen, ihn zu vernichten, steigert, nicht aus einer Weltanschauung
erwächst, die unserer Art entspricht, sondern aus der
Forderung des Weinbergbesitzers „nichts mehr zu besitzen,
was wir nicht Gott jeden Augenblick mit Freuden herzugeben
bereit sind". Offenbart sich nun bei allen religiösen Führern
nach anfänglichem Erfolg solch ein Rückschlag und Widerstand
, so ist zu beachten, wie sie ihn in seiner Wirkung auszuschalten
oder ihn zu überwinden bestrebt sind. Muhammed
bildet eine fanatisierte Kampftruppe, um die.seii Widerstand
zu brechen und damit die Welt für seine Heilslehre zu erobern.
Er geht den Weg des Kampfes und Machtwillens. Piaton und
Buddha ziehen sich mit ihren Schülern von der verständnislosen
Masse zurück, Aristokraten, die sie nun einmal sind, erwarten
sie für die Zukunft, daß ihre Lehre sich wegen ihres
sachlichen Gehalts einmal durchsetzen wird. Jesus geht demgegenüber
den dritten Weg, „den nur er allein von allen Männern
der Geschichte einschlug". Er blieb bei den Menschen,
die ihn zurückstießen, völlig wehrlos! Von daher wird die Auf
regung der Jünger bei Caesarea Philippi verständlich. Sie wollten
, was menschlich ist, nicht, was göttlich ist. Mit Zwangsgewalt
erobert man Leiber, aber nicht Herzen. Gott will jedoch
den guten Menschen. Ebensowenig konnte Jesus den Weg vornehmer
Zurückgezogenheit gehen; er hätte damit vor der
Macht der Sünde kapituliert. So bleibt nur der dritte, gottgewollte
Weg: er beugt sich unter die Last der Sünde und trägt
sie für die Welt.

Ist damit Jesu Weg ein einsamer oder Anfang einer neuen
Gemeinschaft ? Da letzteres der Fall ist, so folgt aus Jesu Verhalten
eine neue Lebensordnung für alle seine Jünger, und
diese entfaltet die dritte Betrachtung anhand von Mk. 8, 27
—30; 8, 34—38 und 10, 35—45. Indem die Jünger sich zu
Jesus, dem vom Volk-Verlassenen und seinen geistigen Führern
Verachteten, als Messias bekennen, vollziehen sie den Bruch
mit dem ganzen bisherigen Judentum und binden ihr Lebens-
sclücksal bedingungslos au seine Person. In diesem Augenblick

entsteht die Kirche, eine Gemeinschaft, die Jesus nicht für
eigene Zwecke gebraucht, wie die Masse das wollte. Und 111111
folgt das Erstaunliche: Jesus verlangt von seinen Jüngern
nicht bloß, daß sie allgemein menschliche Leiden in der Welt
ertragen, sondern wie er den Kreuzesweg gehen. Nicht abseits
derWelt in klösterlicher Abgeschiedenheit, sondern mitten in ihr!
Von nun an befindet sich diese Welt in einem Übergangszu
stand, von nun an stellt diese kleine Schar die heue Lebensordnung
des anbrechenden Gotfesreiches dar! Sie wird sieht
bar 1. in einer neuen Rangordnung, die neben die alte, in der
Welt gültige tritt. („Wir sind umso größer je näher wir in unserer
Haltung gegenüber den Mitmenschen dem gekreuzigten
Christus stehen"). 2. in einer neuen Stellung zu den Mitmenschen
(Frage nicht: Wie komme ich vor anderen vorwärts,
sondern: w ie kann ich den anderen dienen ?), 3. in einer neuen
Einstellung zu unserem Lebensschicksal (Wer sein Leben verliert
um Jesu willen, wird es gewinnen), 4. in einem reicheren
Gebetsleben (Durch Fürbitte auch für die Feinde).

Die vierte Betrachtung behandelt nach Stellen aus Mk. 13
die Vollendung des Reiches Gottes. Hatte Jesus schon durch
seine Antwort auf das Messiasbekenntnis, wie Matthaeus sie
bietet, die Jünger erschüttert, „so war ihnen bei Ankündigung
der Zerstörung des Tempels, als würde ihnen der Boden unter
den Füßen weggezogen." Der Untergang der Welt kommt,
aber nicht plötzlich, sondern in langsamer Stufenfolge. Zunächst
Kriege und Revolutionen, dann Verfolgung der christlichen
Gemeinde, sodann Kämpfe in ihr und endlieh ein weltumfassender
Terror, ausgeübt durch einen Herrscher über die
ganze Welt. Sinn dieser Stufenfolge: Die Erziehung einer Gemeinde
Gottes, die bis ans Ende beharrt und diesen Stürmen
standhält. Zwar sind Vorzeichen dieses Endes zu beobachten,
aber einen festen Zeitpunkt kann auch Jesus nicht angeben.
(Heim möchte y"'"' ,n Mk. 13, 30 nicht auf „diese

Generation", sondern auf „dieses Volk" beziehen. „Wenn es
aber bedeutet: Das Judenvolk wird nicht vergehen, ehe das
alles geschieht, so haben wir damit einen Zeitraum, den wir
nicht abgrenzen können." (S. 60. Jesus sage darum immer nur
das eine: Wachet! Doch wie steht es mit Mk. 9, 1 ? Und meint
er mit dem tyed&t in 14, 62 wirklich ferne Geschlechter ? Hier
wäre doch ein Einwand zu erheben). Bringen Weltgericht und
Weltvollendung die Lösung der Spannung, so warnt Heim zum
Schluß doch vor müßigen Phantasien und Spekulationen.

Überblicken wir diesen kurzen Gedankengang, so müssen
wir sagen: Bei positiver Wertung gerade solcher Quellenstücke,
welche die historische Kritik gern als vaticinia ex eveutu oder
Produkt späterer Gemeindetheologie ansehen wollte, entsteht
hier ein Bild Jesu von großer Geschlossenheit und Eigenart.
Daß der Verfasser in der bei ihm bekannten und geschätzten
Weise zahlreiche Gleichnisse und Beispiele aus der Gegenwart
einstreut, um seine Gedanken dem heutigen Leser nahezubringen
, ist fast selbstverständlich. Hinter der Schlichtheit und
Klarheit der Darstellung spürt mau die Ergriffenheit einer
reifen Meisterschaft, welche aus jahrzehntelangem Umgang
mit den Texten erwachsen ist. Wie vielen Zweifelnden, Fragenden
und Suchenden könnte gerade im gegenwätigen Augenblick
mit dieser Schrift geholfen werden!

Halle a. S. Erich Pascher

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Klostermann, E.: Symeon und Macarius. Bemerkungen zur Textgcstalt
zweier divergierender Überlieferungen. Berlin: in Kommiss. bei Walter de
Gruyter&Co. 1944. (26 S.) 4". - Aus den Abhandlungen der Preuß. Akad.
d. Wiss. 1943 Nr. II.

Wie ich bereits in meiner Besprechung von H, Dörries'
Buch „Symeon von Mesopotamien" (1941) erwähnt habe, ist
E. Klostennann mit einer Edition der 50 (bzw. 57) Homilien
des Macarius und des durch die glücklichen Funde von H. Dörries
neu zugänglich gemachten Stoffes beschäftigt (ThLZ 68,
1943, Sp. 130). In vorliegender Akademie-Abhandlung gibt
Verf. einen kurzen, sehr erwünschten und wertvollen Bericht
über seine bisherigen Arbeiten und Resultate sowie über die
Grundsätze, die sich daraus für die Edition ergeben.

Nach einigen einleitenden Bemerkungen beginnt er mit
einer Übersicht über die einzelnen Handschriften, die in zwei
Gruppen eingeteilt werden. Sammlung I, die 64 Logoi des
„Symeon" s), die uns am vollständigsten im Vat. gr. 694
(B) erhalten ist, daneben in einer Auswahl von 27 Logoi in
Vat. gr. 710 (A); Sammlung II, die 50 Homilien des Macarius
(= m), denen bei der editio prineeps die Codices Paris, gr. 1157
und 587 (Pa, Pb) zu Grunde gelegen haben sollen; H. J. Floß
erweiterte die handschriftliche Grundlage durch Hinzuziehung