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Ausgabe:

1947 Nr. 6

Spalte:

362

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Scherer, Christoph

Titel/Untertitel:

Der Philosoph Johann Baptist Schad und sein Schicksal 1947

Rezensent:

Haubold, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1947 Nr. 6

362

tragen. Ob Hans und Fritz Pirckheimer, die 14. III. 1498 als Salmänner des
Georg Küdorfer erscheinen, hierher gehören, muß erst noch festgestellt werden.
Fischer, Hans: Katalog der Handschriften der Kgl. Bibliothek zu Bamberg
1912. III, S. 215. Im Eichstätter Ordinariatsarchiv liegt eine Urkunde vom
5. VIII. 1455, wonach der bischöfliche Vikar Joh. Heller und der Dompropst
Sigm. v. Leonrod als Vertreter des Bischofs Joh. v. Eichstätt und des Propstes
von Herrieden, Thomas Pirckheimer, sich über die zum Stift Herrieden gehörigen
Ämter einigen: Nr. 317. Die Urkunde 475 vom 19. II. 1498 führt
Sabina und Felicitas, Konventualinnen des Klosters Bergen, auf. — S. 66 Z. 13
v. 0. Oermasgew ■ Garmisch. — Zu S. 68 Z. 10 v. u. wären wohl die Arbeiten
von Ruf heranzuziehen. — Die Urteile S. 180 Z. 17 v. u. und 215 Z. 9 v.u.
dürften auch nicht zutreffend sein. Auf die Beilagen Im Anhang 3 sei besonders
hingewiesen. Über Euphemia und Charitas Pirckheimers Verhältnis zu
Kloster Bergen im Ordinariatsarchiv einige Notizen (Nr. 587, Rep. S. 184,
S. 372, Nr. 1197).

Nürnberg Karl Schornbaum

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Sperl, Wilhelm: Dr. Heinrich Stephan), Schul- und Kirchenrat, dann
Dekan in Günzenhausen, der Führer des Rationalismus in Bayern 1761
—1850. München: Albert Lempp fr. Christian Kaiser. 1940. XIV, 400 S.
1 Taf. 8° = Einzelarbeiten zur Kirchengeschichte Bayerns, hrsg. von Karl
Schornbaum. Bd. 20. RM 12.—.

Der Verfasser bietet mit der vorliegenden, aus einem weitschichtigen
gedruckten und ungedruckten Quellenmaterial geschöpften
Darstellung einen außerordentlicli beachtenswerten
Beitrag zur bayerischen, ja zur deutschen Kirchen- und
Geistesgeschichte in der ersten Hälfte des ig. Jahrhunderts.
Als Schulmann (1808—1817) stand Stephani an der Spitze
des Erziehungswesens in Ansbach: seiner Aufsicht und Fürsorge
waren damit der dritte Teil aller Volksschulen in Bayern
und eine entsprechende Anzahl von Lehrern anvertraut. Als
Dekan von Günzenhausen (1818—1834) ga° Stephani einem
gutorganisierten und lebendigen protestantischen Kirchenwesen
Frankens die Richtung. Es sind also nur gut zweieinhalb
Jahrzehnte öffentlicher Tätigkeit betrachtet in einem fast
neun Jahrzehnte durchmessenden Menschenleben. Aber diese
25 Jahre waren ausgefüllt mit viel Arbeit und Leistung, mit
schriftstellerischer Tätigkeit und politischem Kampf, mit
Lehre und Erziehung, Seelsorge und wissenschaftlicher Forschung
. Und wie das ganze Leben Stephanis, so waren auch
die 25 Jahre seiner öffentlichen Wirksamkeit getragen von
einem gläubigen Optimismus und einer festen Zuversicht auf
den Sieg der Vernunft, d.h. auf den menschlichen Fortschritt.
Die Lehre Jesu Christi nämlich wendet sich nach Meinung
des auch in Bayern üblichen Rationalismus an die Vernunft,
und je mehr die Vernunft gehoben wird, um so mehr ist sie
geeignet, die Lehre Jesu Christi aufzunehmen, sie zu verbreiten
und die Menschen anzuleiten, ihr nachzuleben. Mit
dieser rationalistischen Grundanschauung, die wir immer
wieder in Reden, Aufsätzen und größeren Schriften Stephanis
vorgetragen finden, stand Stephani weder in Bayern noch in
Deutschland allein. Auch Stephani war von seiner vernünftigen
Anschauung der Dinge her und im Hinblick auf den
überall konstatierten Kulturfortschritt und die Entwicklung
der Menschluit der Meinung, daß die Aufgabe der christlichen
Kirche im Wesentlichen bald abgeschlossen sei und daß nunmehr
der Staat und seine Organe die weitere Erziehungsarbeit
an der Menschheit übernehmen müßten. Das ist so wenig ein
originaler Vorschlag des fränkischen Schulmannes wie etwa
Richard Rothes (Zur Orientierung über die gegenwärtigen
Aufgaben der deutsch-evangelischen Kirche, in Allg. kirchl.
Zeitschrift 1862. Vgl. dazu etwa Horst Stephan, Geschichte
der evangelischen Theologie 1938, S.i77ff. — Peter Meinhold
(,,Die Bewertung der Inneren Mission bei Richard Rothe,
ein Beitrag zur Beurteilung der Inneren Mission im 19. Jahrhundert
" in: Zeitschrift für Kirchengeschichte Jg. 60: 1941/42
S. 475—482) versucht erneut die Theorie Rothes von der Überwindung
oder Ablösung der Kirche und der Übernahme ihrer
Aufgaben durch den Staat hervorzuheben und für sie Stimmung
zu machen. Rothe wie Stephani und neuerdings Meinhold
gehen dabei von einem falschen Kirchenbegriff aus: die
Kirche aber ist keine sozialethische Anstalt, kein Unternehmen
der Volkswohlfahrt und kein pädagogischer Betrieb. Hier
wirken sich neben allgemeinen Grundsätzen der Aufklärung
insbesondere bestimmte Theorien des Josephinismus aus.

Stephani, der auf den von ihm bearbeiteten Gebieten in
Schule und Kirche mit wissenschaftlicher Gründlichkeit, mit
durchaus eigenen Ideen und mit einem absolut unbürokratischen
Elan zu Werke ging, war ohne Zweifel eine fesselnde,
menschlich anziehende Persönlichkeit, ein glänzender Redner
und ein überaus fruchtbarer Schriftsteller. Aber er mußte abtreten
, als der Rationalismus in Bayern abgewirtschaftet hatte,

als im Oberkonsistorium unter Friedrich v.Roth eine Wendung
zur Kirche eintrat und als in Erlangen mit dem reformierten
(!] Gottlieb Krafft die große Zeit der Fakultät begann.
Daß Stephanis Abgang sich nicht ganz ohne seine Schuld in
etwas brüsken und lieblosen Formen vollzog, ist bedauerlich.

Die anregende, feurige und optimistische Persönlichkeit
Stephanis wirkte besonders auf den damals wie überall in
Deutschland so auch in Bayern gedrückten Lehrerstand,
dessen geistige, menschliche und wirtschaftliche Hebung der
Ansbacher Schulrat sich angelegen sein ließ. Es verstand sich
von selbst, daß Stephani die Forderungen von Schule und
Kirche, von Pfarrern und Lehrern auch in der Ständekammer
des Landtages vertrat, wo er neben dem Würzburger Professor
und Oberbürgermeister Behr und dem pfälzischen Advokaten
Köster einer der führenden Liberalen war. Wenn das Bild,
das der Verfasser von Stephanis Abgeordnetentätigkeit gibt,
völlig negativ ausfällt, und wenn Stephani selbst mit dieser
Tätigkeit in der Kammer auch gar nicht zufrieden war, dann
lag das an den Verhältnissen, an der Geschäftsordnung des
Landtags, an der von der Regierung herbeigeführten Reaktion
usw., die den parlamentarisch-politischen Gang der Staatsmaschine
lähmten, die jede wirkliche Regung politischen
Lebens unterdrückten. Das Bild Stephanis im Kreise seiner
politischen Freunde im Landtage, wie es Sperl gibt, wird
übrigens nach allen Seiten hin abgerundet und vertieft aus
den Berichten des Wiener Gesandten in München an seine
Regierung (,,Gesandtschaftsbericlite aus München 1814—1848''
hrsg. von Anton Chroust, Abt. II 1930—1943, vgl. Theol. Lit.
Ztg. 1944 Nr.9/10 Sp.2i5ff.). Auch die in diesen Berichten
gegebenen Schilderungen von dem Beamtentum und dem
Staatspragmatismus unterstreichen das dunkle Bild, das Stephani
gibt, und das Sperl etwa S.63 und S. 139 aufzuhellen sucht.

Im Ganzen war Stephani eine Persönlichkeit, wie wir
sie mit Sympathie und Interesse in der Verwaltung von Kirche
und Schule in der Zeit des Rationalismus begrüßen, wie sie
aber immer seltener werden, und schließlich ganz fehlen, je
mehr aus dem ärarisch-fiskalischen Polizeidezernat eine an das
Bekenntnis gebundene Kirche wird.

Berlin Otto Lerche

Scherer, Christoph: Der Philosoph Johann Baptist Schad und sein

Schicksal. Bamberg: Philos.-Theolog. Hochschule 1942. 51 S. 8».

Es geht dieser aus dem Nachlaß des 1942 verstorbenen
Professors der Philosophie an der Philos.-Theolog. Hochschule
Bamberg herausgegebenen Studie um das philosophische Werk
und um das bewegte menschliche Schicksal des Johann Baptist
Schad. Sie zeichnet als die wichtigsten Abschnitte seines
Lebens die Klosterjahre in der Abtei Banz, die fruchtbare Zeit
des Wirkens als Privatdozent in Jena, die Lehrtätigkeit in
Charkow und die wieder üi Jena verbrachten letzten Lebensjahre
des aus Rußland Ausgewiesenen. Als Konventuale in
Banz, dann als Professor der Philosophie an der dortigen
Novizenschule lernt Schad die kritische Philosophie Kants
kennen, und er gerät hier in den für den deutschen Katholizismus
jener Zeit bezeichnenden, uns z. B. auch bei K. L. Rein-
hold begegnenden inneren Zwiespalt zwischen den Forderungen
des Mönchtuins und der aufgeklärten, freien modernen
Denkungsart, der ihn nach unerquicklichen Streitigkeiten zur
Flucht aus dem Kloster und zum Ubertritt zum Protestantismus
führt. Eine Lösung aus diesem Zwiespalt findet Schad in
dem Freiheitsbegriff der Wissenschaftslehre Fichtes, dessen
Anhänger er, wie dem Verf. nachzuweisen gelingt, bereits 1796
geworden war. So erscheint er während der Lehrtätigkeit in
Jena von 1800—1804 als „der treue Knappe Fichtes" (Wundt,
Die Philosophie an der Universität Jena, Jena 1932, S. 317),
als der er vor allem in seiner „Gemeinschaftlichen Darstellung
des Fichteschen Systems und der daraus hervorgehenden
Religionstheorie" (Bd. 1 u. 2, 1800, Bd. 3, 1802) in selbständiger
, freier Darstellung der Fichteschen Lehre für diese ein
tieferes Verständnis zu erwecken versucht, bis er selbst in
seiner weiteren philosophischen Arbeit eine größere Nähe zu
Sendlings Ideutitätssystem gewinnt.

Die hiermit angedeuteten Probleme, die Schad als Philosoph
und als Mensch aufgibt, sind vom Verf. sorgsam abwägend
behandelt. Ist es die Wirksamkeit im Interesse der
Fichteschen Philosophie, in der Schads plrilosophische Arbeit
ihren Höhepunkt findet, und in der sie ihre eigentliche Bedeutung
gewinnt, so steht im Mittelpunkt diestr Arbeit der
Freiheitsbegriff Fichtes, den Schad in besonderer Weise wertet
und zur Klarheit bringt (S. 22). Der Kampf um die Freiheit
des Geistes und der Lebensgestaltung aber scheint uns derSchlüs-
sel zum Verständnis des Menschen Schad zu sein, ein Kaiimf,
aus dem ihm zugleich sein bewegtes Lebensschicksal erwuchs.

Gustavsburg/Hessen Wilhelm Haubold