Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1947 Nr. 6

Spalte:

360-361

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Reimann, Arnold

Titel/Untertitel:

Die älteren Pirckheimer 1947

Rezensent:

Schornbaum, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

359

Theologische Literaturzeitung 1947 Nr. 6

360

schrieb Stephan von Bourbon, O.Pr.: Tractatüs de diversis
materiis predicabilibus, eingeteilt nach den sieben Gaben des
Hl. Geistes. (Darin ist Jakob v. Vitry benützt.) Stephan bringt
2857 Exempel. Ein Auszug aus seinem Werk hieß Pantheon.
Eine kleine Sammlung von Exempelu zum Mitnehmen für
wandernde Meudikantenprediger ist des Arnold v. Liege, O.Pr.:
Alphabetum narracionum. Unsere Copia exemplorum ist die
erste durch einen Weltgeistlichen verfaßte Exempelsammlung.
Die Copia benützt sowohl das Alphabeticum narracionum, als
den Tractatüs de diversis materiis predicabilibus, wie auch die
alphabetische Tabula exemplorum eines Franziskaners, dazu
eine Sammlung Miracula beatae Mariae Virginis. Alle diese
Quellen sind französischen Ursprungs, in Paris konnte man
sie (gegen eine Gebühr) abschreiben — durch Studenten aus
Schweden (darunter war eben auch unser Mag. Mathias)
kamen Abschriften nach Schweden. Liturgie und Predigt
des 14., ja schon des 13. Jahrhunderts, sind in Schweden
nachweisbar von den Mendikanten beeinflußt worden.

Die Mendikantenpredigt des 14. Jahrunderts ist die Predigt
Schwedens im 14. Jahrhundert, und nicht bloß in den
Zentren des Landes. Aus den Exempelbüchern und den Homiletiken
, besonders der des Humbert de Romanis, O.Pr., und
der des Psevido-Bonaventura, O.S.Fr., geht für die Mendikantenpredigt
folgendes hervor: 1. in der Messe des Sonntags
mußte das Evangelium des Tages erklärt werden; 2. die
Predigt überhaupt hatte den Zweck, die Gemüter zu erschüttern
und den Erschütterten den Trost der Barmherzigkeit
Gottes zuzusprechen — die Predigt ist also primär Büßpredigt
. Und hierzu, zur Predigt der Buße und des nachfolgenden
Trostes, waren eben die Exempla das Hauptmittel.
Die Exempla mußten aber Autorität besitzen. Darum waren
die besten die aus der Bibel, die zweitbesten die aus den
Schriften der Kirchenväter, die drittbesten die aus den Vitae
Patrum (= Leben der ägyptischen Mönche, lateinisch durch
Rufinus), die viertbesten die aus der Heiligenlegende (Jacobus
a Voragine), die fünftbesten die aus den Klassikern; weit voran
standen auch die Gleichnisse aus der Natur, da die Natur
ihren Schöpfer predigt (analogia entis!) — darum wurden
auch naturkundliche Bücher für die Prediger geschrieben, so
von Bartholomaeus Anglicus, O.S.Fr.: De proprietatibus
rerum. Bloße Unterhaltung sollten die Exempel nicht leisten
dürfen (obwohl etliche Autoren selbst dies genehmigen wollten,
nämlich um Schlafende aufzuwecken und Gelangweilte zu
interessieren). Erbauung allein war der Zweck der Exempel.
Strömberg macht es deutlich, daß Birgittas Offenbarungen von
solcher Mendikantenpredigt Einflüsse aufweisen. In Vadstena
(dessen Bibliothek heute einen Teil der Universitätsbibliothek
zu Uppsala bildet) hatte man den Tractatüs des Stephan von
Bourbon, das Alphabeticum des Arnold v. Liege, den liber de
dono timoris (= Tractatüs de abundantia exemplorum) des
Humbert de Romanis und die Copia des Mathias.

Die Erschütterung der Gewissen wurde in der Mendikantenpredigt durch
Exempel von der Hölle, dem Fegfeuer, dem Gericht, vom Satan und seinerMacht,
,,direkt" getan — die Tröstung durch Hinweis auf die Barmherzigkeit Gottes, die
Geburt Christi, sein Leben, Leiden, Sterben, aber auch durch Hinweis auf
die Macht der Gottesmutter Maria. Immerhin: die terrores conscientiae und
der Trost durch das (katholisch gesehene) Evangelium waren vorhanden. Die
reformatorische Predigt hat nicht die Richtung, aber die Mittel geändert;
Exempel benutzte die reformatorische Predigt wenige, wenn aber, dann meist
biblische — aber die evangelische Predigt des 17. Jahrhunderts war exempel-
reich wie nur je, erst das 18. Jahrhundert hörte damit auf. — Das Buch Strömbergs
ist zugleich ein Gegenbeweis gegen die Behauptung von der Predigtmisere
im Mittelalter. — Wichtige Literatur zur Exempelsache: J. Th. Welter,
L'exemplum dans la litterature religieuse et didactique du moyen äge, Paris
et Toulouse 1927; Th. M. Charland, Artes praedicandi. Contribution ä l'histoire
de la rhetorlque du moyen äge. Paris et Ottawa 1936; G. Frenken, Die exempla
des Jakob von Vitry. München 1914.

Wertingen Leonhard Fendt

Guardini, Romano: Vision und Dichtung. Der Charakter von Dantes
göttlicher Komödie. Tübingen: Rainer Wunderlich [1940]. 60 S. 8" = Brunnen-
Bücherei Nr. 1. Pp. RM2.50.

Die neue und feine Studie von Romano Guardini läßt
uns den Wunsch aussprechen, seine Dantestudien bald einmal
in einem Sammelband zu besitzen. Denn er äußert auch jetzt
wieder selbständige Erkenntnisse: über die im Tode losgelöste
Seele bei Dante (S. 19), „Vorentwurf des einstigen auferstandenen
Leibes, welcher dem Wesen nach bereits in der Seele
angelegt ist". Was G. weiter über den Traum (,,da sind die
Gesetze der Ausschließung, welche die irdische Ordnung bestimmen
, aufgehoben"), über die Vision („eine andere Weise
des Erlebens und Schauens, welche mit dem Traum das freie
Schalten über den Wirklichkeitsstoff teilt") sagt, führt in die

letzten Geheimnisse der Göttlichen Komödie ein („Ich glaube,
Dante hat wirklich ein visionäres Erlebnis gehabt, in welchem
er das Wesen der Welt, den Sinn der Geschichte und den
seines persönlichen Daseins erfaßt hat"). Der Versuch, am Bericht
über die Himmelsrose die visionäre Macht am Werke
zu zeigen, zwingt den Leser „Vision mitzuvollziehen", wenn
er in den Vorgang gelangen will. Das Geschehen der Divina
Commedia vollzieht sich in einer Vision. Die Erklärung der
Himmelsrose führt dann in weite östliche Fernen (die Man-
dalabilder), nach denen die Rose die Ganzheit des Daseins in
seiner ewigen Vollendung bedeutet. Im Hinblick auf die Vision
gewinnt der Schluß der Vita Nuova eine vertiefte Bedeutung.
Jena Friedrich Schneider

Reimann, Arnold: Die älteren Pirckheimer. Geschichte eines Nürnberger
Patriziergeschlechtes im Zeitalter des Frühhumanismus (bis 1501). Aus d.
Nachlaß hrsg. v. Hans Rupprich. Mit einer Einf. v. Gerhard Ritter. Leipzig:
Koehler & Amelang 1944. 258 S., 1 Stammtaf. gr. 8«. RM 9.—.

Es hat seinen Reiz, den Almen eines bedeutenden Menschen
nachzugehen, zu erkunden, ob und wie die ihn gestaltenden
Fähigkeiten und Eigenschaften sich bei diesen
schon gezeigt haben. Reimann untersucht zu dem Behüte die
Almen Wilibald Pirckheimers. Obwohl sich der Name oft genug
findet, läßt sich doch dieses Geschlecht nur für ein Jahrhundert
vor dessen Geburt nachweisen; seine Herkunft liegt
zudem noch ganz im Dunkel. Reimann unterscheidet drei
Linien: die Konradinische, die Linie Hans I. und Hans II.
Erstere dürfte bereits 1480 verschwunden sein; ihr bedeutendster
Vertreter ist der Pfarrer von Kehlheim Jobst P. Die Linie
des Hans I. erlosch wohl 1505 mit dem Kartäuserprior Georg
P. Auch die Hansische Linie II starb schon 1563 mit der
Äbtissin zu St. Klara, Katharina P. aus. Immer wieder kann
der Verf. zeigen, wie von Hans II. f 1400 ab bei allen bedeutenden
Mitgliedern dieser Familie, sei es bei dem Juristen,
Kirchenpolitiker und Pfarrer von Kehlheim Thomas P. f 1473,
dem Großvater Hans t T492 und dem Vater Dr. Johann
f I50I, sich die Fähigkeiten und Charakterzüge zeigen, die bei
Wilibald gewissermaßen zum Abschluß gekommen sind. Die
Bedeutung dieser Arbeit geht aber viel weiter. Sie ist bei der
Exaktheit der Forschung ein wertvoller Beitrag zur Kulturgeschichte
jener Zeit. Der Verf. hat es verstanden, die einzelnen
Persönlichkeiten so zu gestalten — man denke nur an
Thomas Pirckheimer —, daß die ganze Zeit lebendig vor Augen
tritt. Aber noch mehr, wir haben hier einen der wertvollsten
und aufschlußreichsten Beiträge zur Geschichte des Humanismus
in Deutschland und besonders in Nürnberg. Die Anschauungen
M. Herrmanns werden richtiggestellt; die Verschiedenheit
des deutschen und italienischen Humanismus
klar herausgearbeitet; an dem Kartäuserprior Georg P. wird
ersichtlich, wie sich hier Neuplatouismus und Christentum
finden konnten.

Die Arbeit konnte nur von Reimann geleistet werden; sie ist ganz aus
kleinen und kleinsten Bausteinen erstellt; die Fülle der dazu nötigen Literatur
stand wohl nur ihm zu Gebote. Ja, ihm war es gegeben, kraft der ihm eigenen
Kenntnis der ganzen Zeit, alles zu einem Gesamtbild zu vereinigen. Dazu ist
er der erste, der dem Nachlaß Pirckheimers in England nachgegangen und
ihn völlig durchgearbeitet hat. Es ist aber ein opus postumum — dankbar
liest man das Lebensbild Reimanns, wie es Gerhard Ritter gezeichnet hat.
Es erhebt sich die Frage nach der Berechtigung der Herausgabe. Die Forschung
ist seitdem weiter fortgeschritten. Aber man kann Rupprich nur danken, wenn
er sich dazu entschlossen hat. Es ist mit der Arbeit ein gewisser Abschluß
erreicht. Bestimmte Resultate sind gewonnen. Es ist daher dem Herausgeber
nur beizustimmen, wenn er von größeren Veränderungen Abstand nahm und
nur offenbare Unrichtigkeiten richtigstellte. Man nimmt in Kauf die Mühe
des Aufsuchens vieler Verweisungen; das oft gebrauchte „oben" ist oft nur
schwer festzustellen. Aber In Rücksicht auf den Verf. selbst hätten dessen Bemerkungen
über mangelndes Entgegenkommen seitens des Kreisarchivars,
späteren Staatsarchivars Nürnberg gestrichen werden sollen. Wie die Einsichtnahme
der Benützer-Akten ergibt, sind sie gänzlich unbegründet;
es ist unverständlich, wie sie erhoben werden konnten. Von 1896—1914 ist
Reimann weitgehendst unterstützt worden; ihm wurde nicht nur alles vorgelegt
, Gewünschtes nach Berlin gesandt, sondern sogar die Einsichtnahme
sämtlicher Repertorien gestattet (29. Juli 1914). Später hat er nie mehr im
Staatsarchiv Nürnberg gearbeitet. Zu weitcrem Forschen möchten folgende
Notizen anregen: Th. I. Scherg hat 1932 Bavarica aus dem Vatikan 1465—1491
mitgeteilt (München, 4. Beiheft der archivalischen Zeitschrift); die Nrn. 137,
181, 182, 310, 183, 193 betreffen den Can. und Kehlheimer Pfarrer Thomas P.
6. V. 1471 gestattet Paul IL, daß er seine Propstei zu Mainz dem Gg. Pfinzing
gegen eine jährliche Pension von 160 fl. resigniert. Vermittler war Joh. Lochner.
Am 8. IL 1473 wird sowohl sein Regensburger als Augsburger Canonlcat
weiter vergeben. Am 16. II. 1473 wird seine Pfarrei, die 40 fl. ertrug, nach dem
Verzicht eines Gabriel de Schafenat dem Breslauer Canonicus Hch. Lebenter
übertragen. Seine Custodia zu Regensburg wird 26. IV. 1473 dem Regens-
burger Canonicus und Propst von Mattsce Doct. decret. Joh. Tröster über-