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Ausgabe:

1947 Nr. 6

Spalte:

356-357

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Boson, Giustino

Titel/Untertitel:

Il Libro della Fede 1947

Rezensent:

Jursch, Hanna

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Theologische Literaturzeitung 1947 Nr. 6

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gerechten Vergeltung. So hat auch hier die parsische Religion
Einfluß gefunden.

Diese kurze Zusammenfassung zeigt wohl, daß das Buch
einen guten und brauchbaren Uberblick bietet. Mehr allerdings
nicht. Bei dieser Breite der Untersuchung ist es natürlich
ausgeschlossen, daß der Verf. auf eigenen Quellenstudien
fußt. Er muß sich auf die Arbeiten anderer stützen. Und hier
macht sich besonders unangenehm der Umstand bemerkbar,
für den der Verf. natürlich nicht belastet werden kann: daß
während der Kriegszeit die neuere Literatur nicht zur Verfügung
stand. Chantepie de la Saussaye wird in der Auflage
von 1897 zitiert! Und für das Griechentum wird doch sehr
weit nur mit Rohdes Psyche gearbeitet, einem glänzenden,
aber teilweise doch auch überholten Werk. Und was ist doch
auch zu den Ras-Schamra-Texten an Literatur erschienen!
So ist — ohne Verschulden des Verf. — seine Arbeit doch
kein so sicherer Boden, wie man ihn wünschte. Doch fehlen
mir als Neutestamentler die engeren Fachkenntnisse zur Nachprüfung
. Hingegen rächt es sich im Abschnitt über das Alte
Testament, daß der Verf. versucht, im allgemeinen über das
Alte Testament zu schreiben, ohne zu versuchen, die Entwicklung
innerhalb der durch Jahrhunderte getrennten
Bücher aufzuzeigen. Es genügt doch nicht, zu erklären, es sei
„abwegig, feststellen zu wollen, wann der Auferstehungs-
glauben (sie! solch kleine Ubersetzungsfehler stören aber nie
wesentlich) des AT entstanden" sei, da die Auferstehung „als
Gedanke im ganzen AT bekannt" sei (S. 121). Auch die Einzelexegese
strittiger Stellen müßte ganz anders kritisch und eingehend
erfolgen, um wirklich glaubhaft zu werden. Daß z. B.
„der sittliche Monotheismus des AT", der viel höher steht
als die Nachbarreligionen, nur darum den Auferstehungs-
gedanken nicht ausdrücklich erwähnt, weil er in der Form
der Nachbarreligionen falsch ist, und ihn nicht aufnehmen
kann, „ehe die dem AT eigenen religiösen Grundsätze ihn
zuließen", ist an sich diskutierbar; aber das müßte in gründlicher
Einzelexegese, die auch alte und jüngere Schichten
scheidet, nachgewiesen werden. Richtig und gut aber ist, daß
der Glaube an den Herrn über Leben und Tod (und nicht
irgendetwas im Menschen Seiendes) zum Gedanken der Auferstehung
hinführen muß, wenn auch Stellen wie die erwähnte
Ps. 88, 6 gründlicher untersucht sein müßten. Mit
welchem Recht wird Am. 9, 2 als die alte alttestamentliche
Auffassung dargestellt und nicht die vielen andern Stellen,
die das Gegenteil sagen ? Leider scheint der Verf. nur den
Artikel ava.ora.01s im Theologischen Wörterbuch zum NT1 benützt
zu haben, nicht aber den gerade hier sehr instruktiven
Artikel £a>ij von R. Bultmann. Man wird also im einzelnen
schärfer und genauer graben müssen, wird aber das Buch als
allgemeinen Uberblick gerne benützen und seine Hauptgedanken
mindestens als Hypothesen hören.

Mainz Eduard Schweizer

Lindeskog, Gösta: Bibeln och den nyare forskningen. (Die Bibel und

die neuere Forschung.) Uppsala: J. A. Lindblad 1941. 207 S. kl. 8".

Eine Einleitung in die Bibel, mehr ins NT, gedacht für
weitere Kreise, aber durch die eingehende Darstellung der neu-
testamentlichen Forschung und ihres Weges durch die Zeiten
ebenso brauchbar für Studenten und Männer im Amte. Zuerst
bespricht Lindeskog die archäologischen Funde zur Bibel
(die Ausgrabungen in Ur, die Funde von Ras Schamra, Jericho,
Tell-el-Amarna, die Kalendertafeln von Gezer, den Mesa-Stein,
den Sarkophag des Achiram, die Sinai-Inschriften, die Lachis-
Briefe), dann zeigt er die Fragwürdigkeit des zum Jesus-
bildnis und zur Topologie des Lebens und Sterbens Jesu beigebrachten
pseudoarchäologischen Materials. Hierauf schildert
er mit reichen Einzelangaben die Textgeschichte der Bibel.
Die moderne Evangelienforschung (Zweiquellen-Theorie, Lite-
rarkritik, formgeschichtliche Methode) kommt zu ausführlicher
und objektiver Darstellung. An der Bergpredigt Jesu
wird ein Beispiel des Fortschritts der Exegese gegeben (von
der liberalen zur eschatologischen und von da zur ganzheitlichen
Exegese, welch letztere sowohl das Eschatologische als
das Ethische als das Soteriologische in der Bergpredigt konstatiert
) . Eine besonders lehrreiche Einführung wird der Leben-
Jesu-Forschung gewidmet (von Reimarus zu Schweitzer, Bultmann
und Otto). Die Frage „Jesus und Paulus" wird aufgerollt
und dieser Lösung zugeführt: Der Christusglaube des
Paulus ist von Jesus selbst gegründet und verursacht (der
Menschensolm als der Ebed JHWH). Grundsätzliches zur

') Sonst ist es leider kaum benützt. Wäre nicht darin auch ein so bekanntes
Zitat wie ,,..eotai yä(? t)ulv ex novotv oanrj^ia" zu verifizieren
gewesen? (oder sollte das vom Verf. fälschlich zugefügte twv nach tx Druckfehler
sein?)

Exegese bringen die letzten Kapitel, wo Lindeskog für die
Notwendigkeit der wissenschaftlichen Exegese gerade in der
Erforschung des wirklichen und nicht erträumten Bibelinhalts
streitet; freilich die negative Kritik, die den Christusglauben
vernichten soll, tut er ab, aber für wirklich historisch-kritische
Forschung plädiert er („realistische Bibelauslegung"). Einerseits
: „Die Frage nach der Wahrheit in der neutestamentlicheu
Wirklichkeitsauslegung zu beantworten, kommt nicht der
Wissenschaft zu". Anderseits: „Zum Evangelium gehört ebenso
das paulinische Christuserlebnis und die daraus gezeugte
Christologie". Dieser Christusglaube als Einheit schafft die
Ganzheit im NT — also heißt die Forderung: Ganzheitsexegese!
(Von ihr wird aber die Exegese im Sinne der „Fundamentalisten
" und der „Dogmatiker" ausgeschieden.) — Ein für uns
besonders dankenswerter Einschlag des Büchleins liegt in der
Einbeziehung jüdischer Forschung über die Evangelien und
das Leben Jesu (Gottlieb Klein, C. G. Montefiore, J. Klausner)
und der englischen wie der skandinavischen Forscher — neben
den vielen deutschen.

Über die „realistische Bibelauslegung" siehe A. Frldrlchsen, Svensk
exegetisk ärsbok I 1936, 20—30 und VI 1941,43—Ü4. Vgl. damit J.Schniewind,
Theologie und Seelsorge, Evangelische Theologie 1947, H. 7/8, S. 363—367
(die Theologie „echte Didache" und so „Paraklese").

Wertingen Leonhard Fendt

Boson, Giustino, Prof.: II LibrO della Fede. L'antico testamento. II nuovo
testamento. Vita dl N. S. Gesü Cristo. GH Apostoll. (Canonico Giuseppe
Brean:) I Santi e i martiri. Padua: Anonima Padovana Ed. 616 S. gr. 8".
L. 195.—.

Es handelt sich um ein katholisches, von dem Präfekten
der Ambrosiana mit einem Vorwort versehenes Bibelwerk, das
alle alt- und neutestamentlichen Disziplinen samt einer Geschichte
der Heiligen und Märtyrer (von Brean) zu umfassen
bestrebt ist: alt- und neutestamentliche Einleitungsfragen,
exegetische Probleme, Leben Jesu und der Apostel, biblische
Dogmatik und Ethik, ja ein Stück Kirchengeschichte (durch
die Einbeziehung der Viten von Märtyrern und Heiligen), das
alles ist hier in einem Bande vereinigt. Es ist reizvoll, sich
den Aufbau näher zu verdeutlichen, da das Anordnungsprinzip
nicht in einer Aufeinanderfolge, sondern in einer Durchdringung
jener eben genannten Disziplinen gelegen ist.

Der alttestamentliche Teil entwickelt nach einer gründlichen
Einleitung über Text, Übersetzungen usw. die Geschichte
des alten Testaments in drei Abschnitten und in einem zweiten
Teil das Kulturleben, das als vita civile, sociale e familiäre,
als vita religiosa und als vita iutellettuale entwickelt wird. Die
Propheten werden nicht in derl geschichtlichen Ablauf eingeordnet
, sondern als Kernstück der vita religiosa behandelt,
also unter dem Obertitel des Kulturlebens, und die poetischen
und didaktischen Schriften als Kernstück der vita iutellettuale
. — Beim neuen Testament folgt auf die allgemeine Einleitung
im ersten Teil eine Einführung in die einzelnen Bücher
des neuen Testaments, im zweiten Teil eine neutestamentliche
Geschichte und Kulturgeschichte, die in einem Dreitakt
Geschichte (von der Himmelfahrt bis zum Tode des Johannes),
Kritik (umstrittene Fragen wie z.B. die beiden Genealogien,
den Primat des Petrus u.a.) und biblische Dogmatik und Ethik
umfaßt. — Die formale und inhaltliche Mitte des Buches bildet
das Leben Jesu Christi. Wieder ist ein einleitender Abschnitt
(über Quellen und Chronologie) vorangestellt. Der ersteHaupt-
teil erzählt das Leben Jesu in vier Phasen (Privates Leben,
öffentliches Leben, Leiden und Tod, Verherrlichung), während
der zweite Jesus als Wundertäter, Lehrer und Gottessohn
schildert, also der historischen eine dogmatische Betrachtung
folgen läßt. — Die Apostel werden in Form von Viten abgehandelt
(Petrus, Paulus und die übrigen elf), denen in einem
zweiten Teil wieder Lehre und Ermahnungen, die sich aus dem
apostolischen Schrifttum ergeben, folgen. — In dem letzten
Buch über die Heiligen und Märtyrer werden, wiederum nach
einer ausführlichen Einleitung, zunächst die Märtyrer, Apologeten
und Lehrer (bis auf Augustiu) berüc ksichtigt, dann im
zweiten Teil die Ordensgründer, die Mystiker und die bedeutendsten
italienischen Heiligen samt den Seligen des Hauses
Savoien.

Bei einer flüchtigen Betrachtung entsteht der Eindruck,
als handle es sich um ein Werk, das die ganze moderne Problematik
berücksichtigt (vergl. z. B. die Ausführungen über die
Handschriften und die vielen guten Abbildungen von Bibeltexten
) . Aber diese Modernisierungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen
, daß dem Ganzen eine strenge Inspirationslehre
zugrunde liegt (vergl. die Ausführungen über die Hermeneutik
S. i8ff.). Unter der einen Voraussetzung, daß es sich um eine
historia sacra handelt, können alle modernen Erwägungen zu