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Ausgabe:

1947 Nr. 6

Spalte:

353-355

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Nikolainen, Aimo T.

Titel/Untertitel:

Der Auferstehungsglauben in der Bibel und ihrer Umwelt 1947

Rezensent:

Schweizer, Eduard

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Theologische Literaturzeitung 1947 Nr. 6

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kämpfung des Vitalismus eine große Rolle spielte. Er bejahte
durchaus das naturwissenschaftliche Wirklichkeitsbild und die
Determiniertheit des Kosmos, anerkannte aber den Eigenwert
der sittlichen Normen und Kultur und Geschichte als
Schöpfungen geistiger Kräfte. An diesen Fragen des Wert-
problema muß jeder konsequente Materialismus und somit
auch der Biologismus sich bewähren.

Ich kann die zuletzt aufgenommene Frage in der Kürze
nicht beantworten, warum aus nur biologischem mechanistischen
Denken auch unter Mitheranziehung gesellschaftsökonomischer
Lehren eine allgemeine Ethik nicht genügend
begründet werden kann. Auch Rousseaus „natürliche Religion
" mit Herausstellung des Mitleids als natürlicher Quelle
alles ethischen Denkens oder die Annahme eines naturgegebenen
„Solidaritätsgefühls" der Menschheit seien nur
noch als mögliche Wege angedeutet. Es kam mir im letzten
Teil meiner Darstellung mehr darauf an zu sagen, daß aus der
ärztlichen Kenntnis vom Wesen des Menschen bisher kaum
eine originelle und tief begründete allgemeine Ethik gegeben
wurde.

Im Zeitalter der naturwissenschaftlichen Medizin lagen
uns diese Probleme fern. Ärztliche Ethik war kein Lehrfach.
Geisteswissenschaftliche Probleme und besonders Metaphysik
lehnte der Mediziner meist mit Spott und Verachtung ab. Die
neue Studienordnung versucht hier Wege zu eröffnen. Freilich
ist es ja nun nicht gleich möglich, Medizinstudierende in Logik,
Psychologie, Erkenntnistheorie usw. auszubilden und prüfen
zu lassen, wie es inzwischen einmal vorgeschlagen worden war.
Es gibt aber eine natürliche Einbruchspforte der Geisteswissenschaften
in die Medizin, das ist die moderne Psychiatrie, die
darum vielen Studenten schon in ihrer Begriffswelt so fremd
erscheint. Hier ist der Ort, wo eine medizinische Psychologie
gelehrt werden kann und wo auch die Probleme der ärztlichen
Ethik am kritischsten und tiefsten gesehen werden können.
Von dort aus sind wohl auch am ersten die Aufgaben einer
„medizinischen Anthropologie" zu lösen. Wir Biologen
wollen dagegen unsere Aufgaben unbeirrt mit naturwissenschaftlichen
Methoden weiter bearbeiten und die Frage des
Lebens mit Hebeln, Zangen, Chemikalien und mechanistischen
Werkzeugen weiter wie bisher verfolgen. Wir zweifeln nicht,
daß unser Weg keine Sackgasse ist, aber die Kritik des Forschers
muß sich, wenn er den Menschen als Objekt betrachtet,
bewußt bleiben, daß der Mensch mehr als ein Mechanismus
und tierhafter Organismus ist. So bin ich mit meinen Ausführungen
wieder am Ausgangspunkt dieser Betrachtung zurückgekehrt
.

Lassen Sie mich nun aber zum Schluß einer letzten Frage
nicht ausweichen, die vielleicht mancher von Ihnen doch noch
an mich richten will, nachdem ich mit meiner Darstellung die
Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit philosophischen
und religiösen Gedanken angedeutet habe. Führt naturwissenschaftliches
biologisches Denken nicht schon
zum Glauben au Gott als Schöpfer dieser Welt und genügt
nicht ehrfurchtsvolle Verehrung eines solchen Gottes als
Grundlage jeder Sittlichkeit, auch der ärztlichen Ethik ?
Mancher wird hier auch mit Recht darauf hinweisen, daß so
große Geister wie Goethe und Spinoza in diesem Sinne
von einer „Gott-Natur" sprachen. Mancher wird sich aber
auch begnügen wollen mit der positivistischen Auffassung,
daß Gott eben die „immanente Naturgesetzlichkeit des Kosmos
" sei und daß keine Schöpfung des ewigen Alls angenommen
werden müsse oder dürfe. Der Vertreter der letzten
Meinung muß sich freilich darüber klar werden, daß die Konsequenzen
seines Denkens für die sittliche Haltung in unserer
Darstellung wohl genügend kritisiert wurden.

Wer an einen Schöpfergott glauben will, wird in solcher
religiösen Bindung gewiß auch sittliche Pflichten finden. Die
Anerkennung dieses außerweltlichen, irrationellen Wesens, zu
dem hin die Natur geordnet ist, kann aber nicht aus naturwissenschaftlicher
Erkenntnis bewiesen werden. Naturwissenschaftliches
Denken kann uns die Wunder der Schöpfung bis
in tiefste Einzelheiten hinein aufzeigen. Es wird, wie Planck
und vor ihm so viele bedeutende Naturforscher so oft gesagt
haben, nichts an Beweisen gegen Gottes Existenz erbringen,
aber kaum mehr als die Wahrscheinlichkeit einer Schöpfung
der Natur begründen können. Und ist Gott nicht mehr als
der Schöpfer, ist er nicht der Vater, die Liebe, wie es das
Christentum lehrt ? Dies freilich kann weder Naturwissenschaft
noch Philosophie beweisen.

Pascal, der große christliche Denker, verwehrte sich ausdrücklich
gegen den sog. „Gott der Philosophen" und „bekannte
sich zu dem persönlichen Gott der Bibel", und Kierkegaard
, der große dänische Denker, nannte es eine Heuchelei
zu glauben, die Naturwissenschaft führe zu Gott. Dies sei die
vornehme Weise zu denken, aber eben darum eine „Nase-
weisheit".

So wollte ich mit meinen Anregungen heute auch nur
Wege zeigen von der ärztlichen Ethik her zu Problemen der
Philosophie und Religion, aber ich will nicht auf den Weg der
Naseweisheit führen, zu glauben, daß man vom biologischen
Denken her ethische Haltung und Gottesglauben finden könne.

BIBEL WISSENSCHAFT

Nikolalnen, Aimo T.: Der Aufcrstehungsglauben in der Bibel und in

ihrer Umwelt. I. Religionsgesch.Teil. — Helsinki: Finnische Literaturges.
1944. gr. 8«. XIII, 206 S. = Annales Academiae Scientiarum Fcnnicae.
Bd. XLIX.

Der vorliegende erste Teil, dem ein zweiter mit der Darstellung
des neutestamentlichen Auferstehungsglaubens folgen
soll, behandelt in summarischem Überblick den Auferstehungsgedanken
in Ägypten, Persien, im semitischen und hellenistischen
Synkretismus, im Alten Testament und im Judentum.
Der ägyptische Glaube kennt zwar eine Auferstehung, die aber
kaum wesentlich mehr ist als ein Mumienleben und durch
magische Handlungen mehr als durch ethische Haltung erreicht
wird. Er basiert auf Animismus und Naturglauben. Im
Parsismus wächst der Auferstehungsglaube erst nach Zara-
thustra, indem sich der Glaube au eine unsterbliche Seele und
der an die Auferstehung des Leibes verbinden. Anders als in
Ägypten lebt hier die Vorstellung einer allgemeinen, gemeinsamen
Auferstehung beim Kommen des Messias. Vor allein
sind die ethischen Forderungen betont. Anders ist das in der
babylonischen Naturreligion, wo der Gedanke an Unsterblichkeit
sehr schattenhaft bleibt. Nur der Glaube an sterbende
und auferstehende Götter geht einen Schritt weiter. Wieweit
aber die Gläubigen am Schicksal dieser Naturgötter teil-
bekommen, ist fraglich; doch ist dies wohl für den König und
später auch für andere der Fall. Ahnliches gilt für die phö-
nizisch-kanaanäische Religion, wenn auch hier die Verbindung
des Menschen mit dem Schicksal des Gottes noch
fraglicher bleibt. Also herrscht auch auf semitischem Boden
grundsätzlich Naturreligion ohne betonte ethische Grundlagen
. In Griechenland entwickelt sich aus dem Animismus
<lcs Volksglaubens einerseits die homerische Unterweltsvorstellung
, die praktisch einer Verneinung des Lebens nach dem

Tode gleichkommt, andererseits im Orphismus und bei Piaton
der Glaube an die unsterbliche Seele, die sich schließlich im
düsteren Kreislauf der Wiedergeburten freimacht vom Gefängnis
des Leibes. Anders verhält es sich in den Mystcrien-
religionen. Entgegen Rhodes Meinung handelt es sich zwar
kaum um Naturreligionen, wohl aber fehlt ein eigentlicher
Auferstehungsgedanke, da sie, wie auch der kleinasiatische
Attiskult, kaum über die Vorstellung der unsterblichen Seele
hinauskommen, auch wenn diese dem Mysten durch die Teilnahme
am Schicksal des sterbenden und wiedererstehenden
Gottes garantiert wird. Im Alten Testament hingegen wird
der Auferstehungsgedanke der Naturreligion wie des Animismus
abgelehnt. Allein das Wissen um Jahwe, den Herrn über
Leben und Tod, führt zum Auferstehungsglauben. Wenn beim
Eindringen des Vergeltungsgedankens, bei der Charakterisierung
der Auferstehung als eines endzeitlichen und allgemeinen
Geschehens und bei der Verbindung mit dem Messiasgedanken
parsischer Einfluß mitwirken mag, so doch nur ganz
am Rande. Im Spätjudentum findet sich Ablehnung jeglichen
Lebens nach dem Tod neben dem Glauben an die Unsterblichkeit
der Seele, an ein ewiges Leben für die zur Zeit des
Messias Lebenden und an Auferstehung, sei es nur der Gerechten
, sei es aller Menschen. Hier entwickelt sich auch die
Lehre vom Zwischenzustand, der Unsterblichkeit der Seele
und Auferstehung des Leibes verbindet. Philon und Josephus
sind stark vom Hellenismus bestimmt. Wird der Leib auch
positiver gewertet als dort, so kommen sie doch nicht über
den Glauben an die unsterbliche Seele hinaus. Bei den Rabbinern
, die zum Teil nur eine teilweise, zum Teil eine allgemeine
Auferstehung lehren, ist die Verbindung mit dem
alten Leib (dessen Geschlechtsleben und körperliche Gebrechen
übernommen werden) sehr stark betont. Sowohl die
Lehre von der Auferstehung als auch besonders die vom
Zwischenzustand ist stark bestimmt durch das Postulat einer