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Ausgabe:

1947 Nr. 6

Spalte:

337-342

Autor/Hrsg.:

Gulin, Eelis Gideon

Titel/Untertitel:

Die Kirche Finnlands 1947

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Theologische Literaturzeitung 1947 Nr. 6

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Wir beginnen mit dem Brief, welcher die Hauptstütze der
Lehre vom allgemeinen Priestertum der Christen ist, nämlich
dem ersten Petrusbrief. In diesem Brief wird Jesus Christas
vor allem als Opferlamm geschildert (1. Petr. 1, ig), und direkt
ist von seinem Priestertum nicht die Rede. Immerhin liegt die
Anschauung von demselben zweifellos hinter der Ausführung
2, 24. Der Ausdruck Av^vtyxev wird von Luther richtig mit
„geopfert" wiedergegeben, obwohl das Objekt, rus ä/iapriat
ijfißv, dazu nicht recht paßt, weshalb die meisten neueren
Exegeten das Verbuni lieber in seinem buchstäblichen Sinne
nehmen wollen und den ganzen Satz als einen Ausdruck des
Gedankens vom stellvertretenden Tragen der Sündenstrafe
verstehen. Dann bleibt indessen der Akkusativ fotl rö %vlov
nicht befriedigend erklärt, während er dem drr/veyxcv im
Sinne des Opferbegriffes schön entspricht. In der Tat wird
rö i-vkov als ein Altar angeschaut sein, und rö o<T>/xa als das
eigentliche Opfer. Wenn es trotzdem heißt, daß Christus
unsere Sünden geopfert hat, während sein Leib nur als Stätte
oder Mittel des Opfers bezeichnet ist (ir nö ow/uari avrov), erklärt
sich das als eine Verschmelzung zweier Gedanken, der
Idee des Opfers und der Idee des stellvertretenden Strafleidens
: Indem Christus seinen Leib als ein Opfer auf den
Altar des Kreuzes gebracht hat, hat er die Strafe für unsere
Sünden getragen. Petrus betont damit die aktive Seite des
Leidens Christi. Er war nicht bloß das passive Opferlamm, auf
welches die Strafe für unsere Sünden gelegt wurde, er hat
vielmehr sich selbst bzw. seinen eigenen Leib als Opfer hingegeben
, er handelte als Priester bzw. Hoherpriester; denn
auch Petrus wird an die Opferhaudlung des letzteren gedacht
haben. Wenn er im vorhergehenden Abschnitt des
Briefes die Christen als Priester beschreibt, welche geistliche
Opfer durch Christus Gott gefällig darbringen, setzt das offenbar
die Vorstellung vom Herrn als Hohenpriester voraus. Dies
wird weiter bestätigt durch eine andere Stelle in unserem
Briefe.

Indem derselbe in 3, 18 auf das stellvertretende Leiden
des Heilandes zurückkommt, wird der Zweck seines Todes
um unserer Sünden willen so gekennzeichnet: Iva ifiäe

(rj/uüs) nQooaydyij riö tfe<5. Auch nQoadyav ist ein kultischer

Terminus, wie der Gebrauch sowohl in der Profangräzität
als in der Septuaginta beweist. Allerdings pflegt das Objekt
in dieser Verbindung sehr oft ein Opfertier zu sein (vgl.
die von K.L.Schmidt, Theol. Wörterb. zum NT I S. 131
genannten Beispiele), aber es finden sich in der Septuaginta
auch mehrere Stellen, wo itoondyiw mit einem persönlichen
Objekt stellt und von der Hinzuführung der Priester zum
Heiligtum gebraucht wird, vgl. Ex. 29, 4. 8 (zur Priesterweihe
); 40, 12 (zur Entsündigung); Lev. 8, 24, Num. 8, 9. 10
(die Leviten). Nun ist zwar Moses an den genannten Stellen
Subjekt des TtQoaayur, allein in I. Petr. 3, 18 kommt Christus
gewiß nicht als Autitypus des Moses, sondern vielmehr des
Aaron in Betracht, weil es sich um den Zweck des stellvertretenden
Sühnetodes und insofern um eine hohepriester-
liche Handlung handelt. Die entsündigten Christen sind als
Priester, Christus selbst als Hoherpriester gedacht. Es wäre
an sich wohl möglich, das nQoadyuv aus der Hofzeremoniellsprache
zu erklären, im Sinne einer Introduktion der Betreffenden
zur Audienz, aber der nächste Zusammenhang sowie
die ganze alttestameutliche Orientierung des Gedankengangs
unseres Briefes legt die obengenannte Auffassung viel
näher: weil gerade nach r. Petr. die Christen eine heilige
Priesterschaft sind (2, 5. 9), ist die Tat Christi als das Nahebringen
der eutsündigten Priester und Christus selbst als
Hoherpriester vorgestellt.

Bekanntlich spielt der Begriff der nqoaayu)yr auch bei
Paulus eine wichtige Rolle. Als die Frucht des Versöhnungswerks
Christi wird Rom. 5, 2 neben dem Frieden mit Gott
der Zugang zu der Gnade Gottes, Eph. 2, 18 zu Gott selber
(vgl. 3, 12) genannt, und es wird ausdrücklich betont, daß wir
diesen Zugang durch Christus haben. Ich glaube nicht, daß

die Erklärung etwa von Sanday und Headlam genügen kann,
daß „the idea is that of introduetion to the presence-cham-
ber of a monarch"; auch hier liegt es näher, an das Nahen der
entsündigten Priester zu Gott und an Christus als priesterlichen
TiQnoaywyzvs zu denken. Wie stark auch die Erinnerung
an das alttestamentliche Opferwesen Paulus beherrscht, zeigt
der Hinweis auf dasselbe Rom. 3, 25: ikaarrj^wv wird nicht
abstrakt oder im ganz allgemeinen Sinne = Sühnemittel, sondern
konkret = Gnadenstuhl zu deuten sein. Allerdings ist
dann Christus nicht aktiv als Hoherpriester gedacht, aber
seine Aktivität, seine Selbsthingabe wird an anderen Stellen,
wie Gal. 2, 20 und Eph. 5, 2 unterstrichen, und an der letzteren
Stelle wird ausdrücklich hinzugefügt, daß diese seine
Selbsthingabe den Charakter einer Opferhandlung (Tryooyopä
xal d-voia) hatte. Es kommt hinzu, daß der Apostel Rom. 8, 34
ausdrücklich auf die Interzession des erhöhten Herrn für
die Seinen hinweist, und da dies ivxvy/ävttv sich auf seinen
Sühnetod gründet, wird es sicherlich als eine hohepriesterliche
Fürbitte aufzufassen sein (vgl. Hebr. 7).

Bei Johannes wird der Heiland vor allem als das Lamm
Gottes dargestellt, eine Anschauung, die uns sowohl im vierten
Evangelium als auch besonders in der Apokalypse begegnet. Auf
der anderen Seite betont der vierte Evangelist ja auch mit
besonderer Stärke die eigene Aktivität Jesu, wenn es um seinen
Tod geht. Niemand nimmt sein Leben von ihm, sondern er
läßt es von sich selber (Job. 10, 18). Weder die Juden noch der
römische Statthalter hätten irgendeine Macht über ihn, wenn
sie ihnen nicht von oben herab gegeben wäre. Sein Leiden und
Tod sind somit eine freiwillige Selbstopferung. Das wird auch
in dem großen Gebet Job. 17, das in der Tradition mit Recht
das hohepriesterliche Gebet genannt worden ist, hervorgehoben
. Wenn Jesus dort spricht: ,,Ich heilige mich selbst für
sie, auf daß auch sie in Wahrheit geheiligt seien" (17, 19), so
zielt dies äyiaC,v> k^avxov zweifellos auf seine Selbstweihung
zum Opfertode. Die Heiligung, von der hier die Rede ist, hat
den gleichen Sinn wie diejenige, von welcher der Hebräerbrief
spricht, 2, 11: „Der da heiligt und die da geheiligt werden"
(vgl. 10, 10. 14. 29). Es handelt sich um die Bedingung des
priesterlichen Nahens zu Gott; Jesus Christus ist zugleich als
Hoherpriester und als Opfer vorgestellt, und die Heiligung,
welche die Jünger durch seine Selbstopferung erhalten, bedingt
ihren priesterlichen Charakter. Weil Jesus somit als
Hoherpriester gedacht ist, kann er auch der „Paraklet" der
Seinen bei dem Vater sein, wie ihn der erste Johaunesbrief
nennt; daß seine Fürsprache hier nicht nur als die eines Anwalts
, sondern als eine hohepriesterliche in Betracht kommt,
beweist die Beziehung, in welche sie zu seinem llaa/ws gesetzt
ist (2, 1.2).

In der Apokalypse endlich wird das allgemeine Priestertum
der Gläubigen besonders stark unterstrichen, während von
Jesus Christus bloß gesagt ist, daß er uns zu Priestern gemacht
hat (1, 6). Aber wenn Johannes zunächst sagt, daß Er uns
durch sein Blut gewaschen hat, und sodann, daß Er uns zu
Priestern gemacht hat, liegt es jedenfalls nahe, den Urheber
als Hohenpriester zu betrachten.

Es ließen sich wohl noch mehrere Anspielungen auf das
Priestertum Christi im NT finden. Wenn es aber außerhalb
des Hebräerbriefs bei bloßen Anspielungen und Andeutungen
bleibt, erklärt sich das aus der Veranlassung und dem Zweck
der betreffenden Schriften. Die meisten sind ja für Heiden-
christen bestimmt, und das Verhältnis zum alttestamentlichen
Priestertum war für diese kein aktuelles Problem, wie es für
die Adressaten des Hebräerbriefs gewesen ist. Das muuus
sacerdotium Christi kam bei den Heidenchristen mehr in Betracht
als ein Beweis für die Erfüllung der alttestainentlichen
Vorbilder in ihm. Die Andeutungen aber, die wir auch außerhalb
des Hebräerbriefes gefunden haben, zeigen, daß die Idee
des Hohenpriestertums Christi nicht eine Spezialität des autor
ad Hebr. war, sondern zu dem eisernen Bestand des Schrift-
beweises der apostolischen Männer gehört hat.

Die Kirche Finnlands

Von Bischof E. G. Gul

Treu ihrem lutherischen Erbe hat die Kirche Finnlands
während der unerhört schweren vergangenen Jahre versucht,
ihre Aufgabe zu erfüllen: dem Evangelium — und damit auch
ihrem Volk — zu dienen. Da ich durch diese Zeilen Gelegenheit
habe, die Bruder in der Una Sancta zu grüßen, geschieht
das in dem starken Bewußtsein der Gemeinschaft, die das
Evangelium begründet. Sie ist nicht nur da wo wir uns der

in, Tampere, Finnland

gemeinsamen Gnadengabe freuen, sondern auch in Zeiten der
gemeinsamen Not.

Wir können sicherlich nicht den Schaden, den der Krieg
bei uns verursacht hat, mit den Verlusten des Kontinents
vergleichen, aber unsere Kirche hat doch insgesamt 18 Kirchen
und 24 Pfarrhäuser nebst anderem Eigentum verloren. Wir
haben ausgerechnet, daß allein der Wiederaufbau all dieser