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Ausgabe:

1947

Spalte:

321-336

Autor/Hrsg.:

Schlier, Heinrich

Titel/Untertitel:

Zur kirchlichen Lehre von der Taufe 1947

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Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Unter Mitwirkung von Professor D. Ernst Sommerlath, Leipzig
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR LIC. KURT ALAND, HALLE-BERLIN

NUMMER 6 72. JAHRGANG DEZEMBER 1947

Spalte

Zur kirchlichen Lehre von der Taufe.

Von Heinrich Schlier................. 321

DasPriestertum Christi im NT außerhalb
des Hebräerbriefs, von Olaf Moe..... 335

Die Kirche Finnlands, von E. o. Oulln. 337

Das Ethos des Arztes. Von Dedo Müller. 341

Biologisches Denken und ärztliche

Ethik. Von L. Lendle............... 345

Barth: Die kirchliche Lehre von der Taufe.
2. Aufl. (Schlier) ...................... 321

Boson: II Libro dclla Fede (Jursch) ...... 356

Guardini: Vision und Dichtung (Fr. Schneider
) ................................. 359

Spalte

Haggenmüller: Heilige Qottesgeburt

(Duenslng)........................... 366

Lindeskog: Bibeln och den nyare forsk-

nlngen (Fendt) ....................... 355

Luther speaks (Pfeiffer).................. 363

Neuß:Das Problem des Mitteialters(E.Wolf) 357
Nikolainen: Der Auferstehungsglauben in

der Bibel und in ihrer Umwelt (Schweizer) 353
Reimann: Die älteren Pirckheimer(Schornbaum
) ............................... 360

Scherer: Der Philosoph Johann Baptist

Schad und sein Schicksal (Haubold)..... 362

Sperl: Dr. Heinrich Stepani (Lerche)...... 361

Strömberg: Magister Mathias och fransk
mendikantpredikan (Fendt) ............ 358

Spalte

Tyciak: Wege östlicher Theologie (Onasch) 365

Von Personen:

Zum 60. Geburtstag von Friedrich Baum-
gärtel (Alt)......................... 367

Von den deutschen wissenschaftlichen
Bibliotheken........................ 367

Zeitschriftenschau:

Theologische Zeitschrift (Rost).......... 369

Bibliographie:

Russische Arbeiten zur Psychologie...... 382

Zum vorliegenden Heft:............... 383

Zur kirchlichen Lehre von der Taufe1

Von Heinrich Schlier, Bonn

I.

Als die Vervielfältigung dieses von Barth 1943 gehaltenen
Vortrages während des Krieges über die Grenze kam, erregten
seine Thesen bei den deutschen Theologen erhebliches
Aufsehen. Aber es war nicht die Zeit zti ergiebiger theologischer
Auseinandersetzung. Um so mehr müssen wir uns jetzt
der Tragweite seiner Sätze bewußt werden. Denn in ihnen geschieht
nichts Geringeres, als daß unter dem Titel „Die Kirchliche
Lehre von der Taufe" eine Lehre von der Taufe und
damit vom Sakrament überhaupt vorgetragen wird, die weithin
der Lehre der Kirche widerspricht. Das wird schon an
dem Ziel des Vortrages deutlich. Er soll zur „Wiederherstellung
" der Taufe aufrufen und verlangt im Namen der „Ordnung
" der Taufe „sehr schlicht: an Stelle der jetzigen Kin-
dertaufe eine auch auf Seiten des Täuflings verantwortliche
Taufe" (S. 40).

Vergegenwärtigen wir uns zuerst kurz den Inhalt und Gedankengang
der Ausführungen Barths und lassen wir dabei
den Verf. möglichst selbst zu Wort kommen.

Das Wesen der Taufe besteht nach ihm darin, daß sie „das Abbild der
in Jesus Christus zwischen Gott und Mensch sich ereignenden Heilsgeschichte"
(S. 8) ist. Sie „bezeugt" „das Ereignis, in welchem Gott In Jesus Christus den
Menschen zu seinem Kind und Bundesgenossen macht, durch diese seine Gnade
seinen Glauben erweckt und ihn zum Leben in der Kirche beruft. Sie bezeugt
ihm, daß dieses Ereignis nicht seine Einbildung, sondern objektive Wirklichkeit
ist, ... die Gott selbst unter allen Umständen aufrecht zu erhalten sich
selber verpflichtet hat. Sie bezeugt Ihm, daß Gott mit allen seinen Worten
und Werken gerade auf ihn gezielt hat und zu zielen nicht aufhört. Sie bezeugt
ihm das, wie es ihm schon durch das slg nim audibile des Wortes christlicher
Unterweisung und Belehrung bezeugt worden .. . Sie bezeugt es ihm
aber als Signum visibile . . ." (S. 7).

Die Kraft der Taufe besteht darin, daß sie als „ein lebendiges ...,
sprechendes Abbild der ganzen Heilsgeschichte" und als „Element der kirchlichen
Verkündigung" in ihrer menschlichen Handlung „ein freies Wort und
Werk Jesu Christi selber" ist (S. 8f.). Solche Kraft der Taufe bleibt als Kraft
Jesu Christi immer „die Kraft seines eigenen, persönlichen und also freien
Verfügens" (S. II): Sie ist nicht — das ist gegen Zwingli zu sagen — die
Kraft, die ihr der Glaube zulegt, der sich durch sie nur selbst bekräftigt. Sie
ist aber auch nicht — das ist gegen „die römische Kirche" und in ihrer Nähe
Luther zu sagen — die Kraft der „korrekt vollzogenen Taufhandlung" (S 13).
Deshalb ist sie auch nicht an die Taufe gebunden. Denn Jesus Christus hat
sich nicht auf sie als Heilsmittel beschränkt, so sehr er der Kirche ihren Ge-

') Barth, Karl: Die kirchliche Lehre von der Taufe. 2. Aufl.

Zollikon-Zürlch: Evang. Verlag 1943. 48 S. 8« — Theol. Studien H. 14. Fr. 2.20.

brauch geboten hat. Die Taufe hat infolgedessen nicht die Notwendigkeit
„eines unumgänglichen Mittels", sondern nur die „eines unüberhörbaren Gebotes
" (S. 15). Es gibt „keine Not, die die Notwendigkeit sog. „Nottaufen"
begründen würde" (S. 16).

Ist das Wesen der Taufe dieses, „das Abbild" des Heilscreignisses in
Jesus Christus, „das Siegel, das Zeichen, die Nachahmung, das Symbol unserer
Errettung" (S. 17) zu sein, ein Abbild, dessen Kraft darin liegt, daß Jesus
Christus sie ihm nach seiner freien Verfügung gibt oder vorbehält, so kann
die Taufe nicht „kausatives oder generatives", sondern nur „kognitives"
Mittel unseres Heiles (S. 19) sein. Gewiß hat das Wort Jesu Christi auch „eine
sakramentale Dimension" (S. 18f.) und wird dem Menschen in der Taufe „von
Jesus Christus selbst ein reales Geschenk gemacht" (S. 19). Aber dieses Geschenk
besteht darin, daß uns durch die Taufe über unsere Rettung „authentisch
Bescheid gesagt wird" (S. 20). „Im Zeichen und Abbild der Taufe
redet Christus von sich selbst und seinem Tun dem Täufling zugute. In der
Taufe sagt er ihm, daß er auch für ihn, daß mit Ihm auch er gestorben und
auferstanden und ein Genosse seines Bundes ist. In der Taufe ruft und verpflichtet
er den Menschen zu sein, was er in ihm ist. In der Taufe besiegelt
Jesus Christus den Brief, den er in seiner Person und mit seinem Werk geschrieben
und den wir im Glauben an ihn schon empfangen haben. Besiegeln,
obsignare — das ist das Eigentümliche des Werkes der Taufe. So verstanden,
darf und muß man von ihr mit jenen Schriftstellen sagen: sie rettet, heiligt,
reinigt, sie vermittelt und gibt die Vergebung der Sünden und die Gnade des
Hl. Geistes, sie wirkt die Wiedergeburt, sie ist des Menschen Aufnahme in
den Bund der Gnade und in die Kirche" (S. 19f.). So Ist die Taufe auch der
Bürgerbrief, „laut" dessen wir Naturalisierte des Himmelreiches sind, aber
nicht durch den wir solche sind.

Der Sinn und das Werk der Taufe Ist letzten Endes die Selbstverherrlichung
Gottes. Denn Gott läßt seine Herrlichkeit leuchten, „indem die Taufe
Ihr kognitives Werk tut" (S. 21). Diese Selbstverherrlichung Gottes geschieht
„im Aufbau der Kirche Jesu Christi" (S. 21), die dadurch „auf Erden entsteht
, wächst und besteht", daß Gott solche hinzutut (Apg 2, 47), „die sich
durch ihre Taufe als Glaubende, als Gerettete Jesu Christi öffentlich bekannt
machen und öffentlich bekannt werden" (S. 21). Solcher Aufbau der Kirche
Jesu Christi geschieht aber, indem dem Täufling die Zusage seines Heiles und
„seine Inpflichtnahme für den von ihm geforderten Dienst der Dankbarkeit
ausgesprochen" wird (S. 22).

Von dem Wesen, der Kraft und dem Sinn der Taufe her als „einem
Element der Verkündigung der Kirche" (S. 23) ist nun auch ihre Ordnung zu
bestimmen. Zwar kann keine irgendwie geartete Ordnung das Wesen, die
Kraft und den Sinn der Taufe „objektiv, in der Sache alterieren" (S. 24), die
Taufe nicht unwirksam und ungültig machen, aber eine schlechte Ordnung
kann Wesen, Kraft und Sinn der Taufe „verdunkeln", kann auch die Wirkung
der Taufe „subjektiv In Frage stellen" (S. 24). So gilt es, sich auf die rechte
Praxis zu besinnen. Diese ist einerseits gegeben, wenn die Taufe „als Aus-

321 322

UrB.TUB.