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Ausgabe:

1947 Nr. 5

Spalte:

290-292

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Wifstrand, Albert

Titel/Untertitel:

Andlig Talekonst 1947

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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289

Theologische Literaturzeitung 1947 Nr. 5

290

alles gesunden religiösen Denkens und Lebens. Insonderheit
ist er bemüht, die Unentbehrlichkeit der geschichtlichen „Institution
" gegenüber einer bloß individuell-innerlichen Religiosität
, den Selbstbetrug und die geistige Enge des Spiritualismus
, die Bedeutung des leiblichen und sinnlichen Elements
als Ausdruck der Lebensganzheit aufzuzeigen. Eine Untersuchung
der uns bewegenden theologischen Fragen nach dem
Wesen der Kirche und ihres Amtes darf man bei v. Hügel, zumal
In dieser alles glättenden Analyse nicht erwarten; nicht
mit Unrecht vergleicht der Verfasser v. H. mit Erasmus, und
obschon Deutscher von Geburt, ist v. H. mit seinem Bedürfnis
nach sichtbarer Einheit des Widerspruchsvollen allem radikalen
Entweder-Oder, zu dem wir deutschen Protestanten
insonderheit neigen, gründlich abhold. Vielleicht ist es gerade
deshalb nötig, dieser uns vielfach „fremden" Art alle Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen und seine Warnungen vor den
Gefahren des Protestantismus ernsthaft zu hören.

Oldenburg i. O. (Mai 1941) Wilhelm Stählin

Thomas von Aquin: Summa Theologica. Deutsch-lateinische Ausgabe
. 20. Bd. Tugenden des Gemeinschaftslebens. München-Heidelberg:
F. H. Kerle 1943. 24 u. 539 S. gr. 8«. geb. RM 10.—.

Seit dem Jahre 1934 erscheint, früher im Verlage von
Anton Pustet in Salzburg, jetzt im Verlage F. H. Kerle in
Heidelberg, eine vollständige, ungekürzte deutsch-lateinische
Ausgabe der theologischen Summe des Thomas von Aquin.
Das überaus verdienstliehe Unternehmen ist bereits so weit gediehen
, daß von dem auf 38 Bände berechneten Unternehmen
bereits 12 Bände (Bd. 1—7, 11, 25, 27, 29 und 30) bisher vorlagen
, die jetzt durch einen 13. (Band 20) ergänzt werden.
Wie alle frühereu Bände, so zerfällt auch unser Band in drei
Teile. Zuerst erscheint die deutsch-lateinische Textausgabe in
der Weise, daß auf jeder Seite oben sich der deutsche, darunter
der lateinische Text befindet. Dann folgen (in unserem Bande
die Seiten 301—326), die Anmerkungen und endlich der Kommentar
(die Seiten 327—496). Ein ausführliches alphabetisches
Sachverzeichnis und eine gute Inhaltsübersicht schließen das
Ganze ab (die Seiten 531—539). Der Ubersetzung zugrunde
liegt der von P. G. Thery besorgte Text der französischen
Ubersetzung, der verglichen ist einmal mit der im Auftrage
des großen Dominikanerpapstes Pius V. 1570 besorgten Tho-
masausgabe und weiter mit der Ausgabe, die 1882 auf Befehl
des großen Thomaspapstes Leo XIII. erschien.

Es sind anerkannte, durch frühere wissenschaftliche Arbeit
als bestqualifiziert ausgewiesene Gelehrte, die sich in den
Dienst der Sache gestellt haben. Übersetzung, Anmerkungen
und Kommentar arbeitete für unseren Band P. Dr. Josef
Endres C. Ss. R., Bonn. Die Redaktion des lateinischen Textes
besorgte Prof. Dr. Vierneisel, Heidelberg, mit großer Akribie.
Josef Endres hat dem Ganzen eine Einleitung von 20 Seiten
vorausgeschickt, die auf die Gegenwartsbedeutung gerade des
vorliegenden Bandes hinweist und in ihrer Gediegenheit alle
Beachtung verdient.

Von einer solchen Gegenwartsbedeutung wird man hier
wirklich reden können. Es sind die „Tugenden des Gemeinschaftslebens
" (die Fragen 101—122 der Summe des Thomas),
die der Band behandelt. Hinter den Neuaufbruch unseres gesamten
gemeinschaftlichen Denkens — das weiß jeder halbwegs
damit Vertraute — hat sich unsere Fachphilosophie mit
vollem Bewußtsein gestellt. Alle ihre Fragen behandelt sie demgemäß
unter dem Aspekte der Anthropologie im philosophischgeistigen
Sinne. Von den beiden Hauptproblemen, die sich bei
der Durchforschung der Lehre des Thomas wie der Scholastik
überhaupt melden, ist es so nicht das eigentlich theologische
Problem des Verhältnisses von Verdienst und Gnade, sondern
das mehr philosophische Problem von Glauben und Wissen,
das die Aktualität einer Thomasausgabe zeigen müßte. In der
Tat ringt denn auch die katholische Philosophie heute mehr
denn je um Aufklärung des Verhältnisses von Thomas zu
Kant, wobei ganz respektable Lösungsversuche (man denke
etwa an Mercier oder Geyser) nicht fehlen, wenn man auch die
letzte Konsequenz eines klaren Einsetzens beim Subjekt, die
man doch wohl nicht scheuen darf, nicht zieht. Umgekehrt ist
aber doch dieses Problem von Glauben und Wissen nur die
Kehrseite des theologischen Problemes des Verhältnisses von
Natur und Gnade. Gerade dieses Ineinander beider Probleme
läßt die genannte Einleitung des Hauptbearbeiters unseres
Bandes schön hervorleuchten. Hier lesen wir, wie stark der
Mensch von heute „transcendiert" zu anderem Sein, zum
Wesensfremden Sein der Umwelt und insbesondere zum
Wesensgleichen Sein der Mitwelt. Sehr gut ist dabei gesagt,
wie diese Transcendeuz dann allerdings in zwei mächtigen
Richtungen der heutigen Philosophie eine durchaus verschiedene
Bewertung findet: eine pessimistische in der Existenz-
philosophie und eine optimistische in der Lebensphilosophie
Unser Autor wertet beide nicht gegeneinander ab- aber er
ruckt beide — und das ist nun die Berührung mit dem zweiten
Thomasprobleme — in eine Beleuchtung von oben in eine Beleuchtung
von seiten der übermenschlichen Transcendenz
Hier lesen wir: „Vor lauter sozialen Bindungen und Zielsetzungen
droht die Personwürde des Menschen verloren zu
gehen — und das ist eine glatte Entrechtung ,der Krone der
Schöpfung'. In dieser Meinung wird vergessen, was der Mensch
nie vergessen darf, nämlich das, daß die Person schlechthin
nicht auf einen geschaffenen Wert bezogen werden kann sondern
daß sie schlechthin und einzig bezogen ist auf den ungeschaffenen
Wert, auf den Urwert aller Werte auf Gott"
So versucht unser Autor unserem Band Gegenwartsnähe zu
verleihen. Er tut es in einer Weise, die auch bei verwandelter
geistiger Situation unserer Ausgabe nie den Stempel der
Gegenwartsferne geben könnte, also unserer doch nicht bloß
für heute berechneten Ausgabe eines Werkes wie der Theologischen
Summe eines Thomas schaden könnte. Das scheint mir
die beste Empfehlung des gesamten Unternehmens darzustellen
, die denkbar ist.

Das ganze Unternehmen betreffend darf hinzugefügt werden
, daß nach Mitteilung der Verlagsbuchhandlung wohl die
bisher erschienenen Bände vergriffen sind, daß aber Neuauflage
und Weiterführung des Unternehmens vorgesehen sind
So hofft der Verlag noch Ende dieses Jahres als nächsten Band
der Ausgabe den Band 10 herausgeben zu können.

Heidelberg Robert Jelke

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Wifstrand, Albert: Andligtalekonst. Bidrag tili den svenskapredikostilens
historia. (Geistliche Redekunst. Beitrag zur Geschichte des schwedischen
Predigtstils.) Stockholm: Svenska KyrkansDiakonistyrelses Bokförlag[1943].
183 S. 8° = Samlingar och Studier tili Svenska Kyrkans Historia ed.
Pleijel Nr. 6. Kr. 5.75.

Eine Geschichte der Predigt von der Seite des Stils her,
oder eine Geschichte des Stils von der Seite der Predigt her!
Und das Buch handelt nicht bloß von der schwedischen Predigt
, gerade die deutsche, englische, französische Predigt wird
herangezogen. Ein erster Teil bringt die Geschichte des
Predigtstils seit dem 17. Jahrhundert, ein zweiter Teil untersucht
die einzelnen Stilelemente, ein dritter Teil gibt eine
Ubersicht über die Stilgeschichte der Predigt vor dem 17. Jahrhundert
. Das Buch eines Philologen, und ein theologisch wie
philologisch verdienstliches Buch.

W. beginnt mit dem Stil der Barockpredigt des 17. Jahrhunderts, den er
so charakterisiert: bei wenig Inhalt trockenes Dogmatisleren und hitzige
Polemik, Häufung von Bibelsprüchen, spitzfindige Disposition, Überladung
mit Bildreden und Umschreibungen, gesuchte Gleichnisse, Parallelisnien, Metaphern
, Wortspiele, Üppigkeit, Schwülstigkeit, Überlastctheit, coneeptus
inexpectati (der concetto der italienischen Predigt) — kurz Effekthascherei.
Es ist dieser Stil die Fortsetzung des mittelalterlichen Predigtstils, nun aber
nach allen Seiten übertrieben. Schweden bekam diesen Stil erst am Ende des
17. Jahrhunderts, sporadisch (aber in Leichenreden und Festpredigten häufiger)

— am Anfang des 17. Jahrhunderts setzte Schweden im Predigtstil die Tradition
der späteren Reformationszeit fort: gedrängt, lehrhaft, oft polemisch,
fordernde Gesetzespredigt, Bußpredigt mit Gotteströstung, viel alttestament-
llche Exempel. Und dieser Stil starb in Schweden nicht aus (Spegel, Svedberg).

— Gegen den Stil der Barockpredigt (also die modernisierte mittelalterliche
Tradition) setzte in Frankreich (und England) die Polemik ein, welche für ein
der Renaissance und gewissen antiken Stilkritikern entnommenes Stilldeal
kämpfte, das puristisch-klassizistisch war, die Hyperbeln, Antithesen, Allegorien
, Gleichnisse, jeux d'esprit, all „die Triller einer Koloratursängerin", das
ganze sophistische Gebaren abtat und für Simplex soliditas, une noble sinipli-
cite eintrat. In England kam zur Forderung der religiösen und stilistischen
Einfachheit und Würde noch die Rolle der Vernunft, des common sense. Dieser
„neue Stil" siegte in Frankreich und England und eine Blütezeit der Predigt
war das Zeichen für diesen Sieg (Bossuet usw.; Saurin , Werenfels; Tillotson).

In Deutschland und in Schweden gind der Weg zu diesem „neuen Stil"
nicht geradlinig. Der Pietismus griff die Barockpredigt um der religiösen
Vertiefung willen an, hatte aber selbst kein Stilideal. Ein Stilideal hatte Gottsched
, auch Hallbauer, in Schweden Anander, und dieses Stilideal deckte sich
mit dem „neuen Stil" Frankreichs und Englands, besaß aber nicht die Kraft,
sich durchzusetzen. In Schweden hatte die Bekämpfung der Barockform sogar
zu einer gewissen Formlosigkeit geführt: Arndt und Scriver wurden Muster
(Konservativismus). Erst der Einfluß der Wolffschen Philosophie im 18. Jahrhundert
(„deutliche Begriffe", Definition, Demonstration), der „Vernünftigkeit
", der Naturreligion, die der Bibel zur Seite traten, führte den „neuen
Stil" in Deutschland (und etwas später auch in Schweden) in die Predigt ein.
Nun wurden aber die Pietisten um des Inhaltes willen Gegner der Leute des