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Ausgabe:

1947 Nr. 5

Spalte:

285-286

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Witte, Horst

Titel/Untertitel:

Die Ansichten Jakobs I. von England über Kirche und Staat, mit besonderer Berücksichtigung der religiösen Toleranz 1947

Rezensent:

Wolf, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1947 Nr. 5

28«

miachung von religiösen und politischen Gesichtspunkten die
Spannung verstärkte. Er zieht daraus die Folgerungen für
unsere heutigen ökumenischen Bestrebungen: er weist den
ersten Platz der heiligen Schrift an, den zweiten der praktischen
Zusammenarbeit, den dritten dem christlichen Leben
gegenüber der Lehre, erst den vierten dem Bekenntnisse und
den fünften der theologischen Ausdrucksweise. Die Gegenwart
Christi im Abendmahle erscheint ihm wichtiger als die
Darlegung der Art und Weise, wie er gegenwärtig ist. Gemeinschaft
im Gottesdienst und Abendmahl müsse erreicht werden.

Diesen Folgerungen werden Lutheraner, Reformierte und
Unierte kaum ohne Einschränkung zustimmen. Die Geschichte
der Einigungsversuche hat es doch erwiesen, daß es
bei der Abendmahlsauffassung um mehr geht als um einen
Unterschied in der Ausdrucksweise. Immerhin möge das Buch
dazu beitragen, daß die Gegenwart aus den Fehlern der Vergangenheit
lerne und daß in dieser Zeit, wo es um den Fortbestand
des gesamten Christentums geht, die getrennten refor-
matorischen Kirchen sich zu gemeinsamer Verteidigung und
Arbeit zusammenfinden!

Der Verfasser hat das gedruckte Schrifttum und die Archive
eifrig durchforscht und manche Unica ans Licht gezogen.
Manches liegt wohl noch verborgen in der Zamojski-Stiftung
in Kornik und der Ossolinski-Stiftung in Lemberg.

Seite 32 Zeile 4 muß es heißen: 1542 statt 1559. Der Seite 106 erwähnte
Brief kann nicht auf den Schmalkaldischen Krieg gedeutet werden, sondern
auf das Bündnis von Schmalkalden.

Arthur Rhode

Witte, Horst, Dr.: Die Ansichten Jacobs I. von England über Kirche
und Staat, mit besonderer Berücksichtigung der religiösen Toleranz.

Berlin: Dr. Emil Ebering 1940. 167 S.gr. 8» - Hist. Studien. H.362. RM6.60.

Jakob der Sechste und Erste (1566—1625) steht als Regent
dauernd in der für ihn kennzeichnenden Spannung
zwischen seiner ihm zuweilen nur zu bewußten vornehmlich
theologischen Gelehrtheit, die ihm den Beinamen des „britischen
Salomo" eintrug, und der konkreten politisch-religiösen
Lage in Schottland und England. Daß er in dieser
Spannung seine Idee der „starken Monarchie mit einem verständig
toleranten Kurs in Religion und Politik, Frieden nach
außen, Ordnung und Ruhe im Innern" (E. Scott, Die Stuarts.
1936, S. i27)vergeblich zu verwirklichen sucht, rechtfertigt
das Urteil des französischen Staatsmannes Sully über ihn als
den „weisesten Toren der Christenheit". — Die vorliegende
Arbeit bemüht sich um eine Analyse dieser „Torheit", vor
allem auf Grund der wohl bedeutendsten Schrift Jakobs, „The
Basilicon Dorou". Die innere Struktur der Anglikanischen
Kirche, ihr Verständnis des Katholischen, sucht Jakob mehr
'lud mehr über das für England damit praktisch Angestrebte
hinaus ins Allgemeingültige zu erheben, wobei sein religiöser
Befriedungsplan sogar den Ausgleich zwischen Lutheranern
und Reformierten auf dem Festland einschließt.

Vf. zeigt auf, wie Jakobs Kirchenideal sich immer stärker
durch das Vorbild der Kirche von England umformen läßt
zusammen mit der Wahrung der Suprematsrechte der Krone
ttnd dem Anspruch des Königs auf die volle custodia utriusque
tabulae. Sie zeigt ferner, daß und wie Jakobs Toleranzidee,
die er als solche stets festgehalten hat, im wesentlichen seinen
persönlichen Erfahrungen entstammt, die sich in der wachsenden
Auseinandersetzung mit den Extremen — Puritanertum
»ud Katholizismus — verdichten. Hinzu treten gewisse rationalistische
Motive, insbesondere die Unterscheidung zwischen
lieilsnotwendigen und nichtnotwendigen Dingen, sowie die taktischen
Forderungen der konkreten Kirchenpolitik in seinem
Reich. Literarische Einflüsse hingegen — Richard Hooker
etwa — sind nur am Rande wahrnehmbar. So kann weder die
Entstehung jeuer Idee auf bestimmt greifbare Abhängigkeiten
zurückgeführt werden, noch läßt sich z. B. trotz anscheinend
großer Verwandtschaft der für Jakobs Toleranzgedanken
wichtige Brief an Kardinal Du Perron von den „ Stratagemata"
des Acontius her erklären. Für Jakobs Auffassung des Katholischen
als eines aus vielen verschiedenen Einzelheiten sich
zusammensetzenden Gebildes ist kennzeichnend, daß — abweichend
von Hooker (und Jewel) — der Papst nach Aufgabe
der politischen Ansprüche Haupt der Christenheit bleiben soll.
Von daher werden die ebenso zahlreichen wie erfolglosen Verhandlungen
mit Rom verständlich, die Jakobs Politik gegenüber
den Katholiken in dauerndem Schwanken halten, von
scharfen Maßnahmen bis hin zu der sachlich niemals zu rechtfertigenden
Hoffnung auf den übertritt des Königs. Persönlich
bleibt er der calvinistischen Erziehung seiner Jugend
durch Buchanau treu. — Daß Jakob seine Toleranzneigung
stets von persönlichen Gefühlen abhängig macht, gibt seinem
Handeln noch stärker die Signatur des Widersprüchlichen, die

bereits durch die Spannung zwischen Programm und kirchlich
politischer Lage und durch das taktisch notwendige Lavieren
zwischen den kirchlichen Parteien bedingt ist.

Die fleißige, stellenweise etwas breite Untersuchung führt gegenüber dem
Vorwurf der Intoleranz, den man Jakob gemacht hat, gewiß zu einer gerechteren
Beurteilung seines Handelns, verdeutlicht aber im großen Oanzen nur durch

Einzelheiten jenes Bild, das bereits andere — A. O. Meyer, Scott usw._ in

zutreffender Einschätzung von Jakob entworfen haben. Insbesondere gilt dies
von dem 3. Abschnitt, der Jakobs Staatsgedanken behandelt. Verdienstlich
ist hier der Nachweis der Abhängigkeit von Bodin, Blackwood u.a. Sonderliche
Überraschungen wird man ja im Bereich der Aufgabenstellung dieser Art
nicht erwarten dürfen, aber eine Fülle von Klarstellungen zu verschiedenen
Teilfragen mit Dank zur Kenntnis nehmen können. Die Zusammenfassungen,
mit denen Vf. seine drei Hauptabschnitte (I. Die Kirche, II. Toleranz, III. Der
Staat) abschließt, sind leider so vorsichtig und allgemein formuliert, daß dadurch
und durch ihr etwas unausgeglichenes Verhältnis zur Einzeluntersuchung
das Verlangen nach einer kräftigeren und sicheren Kennzeichnung der geistigen
und politischen Oestalt Jakobs eher geweckt als befriedigt wird.

Göttingen E.Wolf

Perler, Othmar, Prof.: SebastianWerro (1555—1614). Beltr. zur Geschichte
d. kath. Restauration zu Freiburg I. d. Schweiz. Freiburg I. d. Schweiz: Paulusdruckerei
(Verl. d. dt. geschichtsforschenden Vereins) I942.(XVIII 169 S.
2 Taf.) gr. 8° = Freiburger Oeschichtsblätter Bd.35. sfr. 7.—.

Daß Freiburg i. Ü. am Ende des 16. Jahrhunderts aus
einer dem Protestantismus zuneigenden Stadt eine Hochburg
des restaurierten Katholizismus wurde, ist neben dem Wirken
der von außen eingezogenen Jesuiten vor allem das Werk der
beiden Freiburger Theologen und Kirchenmänner Peter
Schneuwly und Sebastian Werro. Über Schneuwly hat Franz
Heinemann in seiner „Geschichte des Schul- und Bildungslebens
im alten Freiburg" von ca. 1895 das Wesentliche gesagt
. Über Werro legt nun Perler eine Monographie vor.

Der erste Teil stellt das Leben Werros dar. Seine akademische
Bildung holte er in Freiburg i. Br. Vertieft wurde
sie durch einen längern Aufenthalt in Rom. Dauernde Beziehungen
oder kürzere Berührungen verbinden ihn mit dem
Nuntius Bonhomini, mitCarloJBouomeo, Petrus Canisius, Jakob
Christoph Blarer von Wartensee, Franz von Sales, Baronius
und Bellarmin. Auf der Höhe seines Lebens verwaltete er die
Ämter eines Propstes von St. Nikolaus, eines Generalvikars
der Diözese Lausanne und eines Predigers von St. Nikolaus.

Im zweiten Teil wird vom literarischen Werk Werros gehandelt
. Eine Erstlingsschrift sind die „Physicoruin libri de-
cem" von 1581. Dann folgen zwei Berichte über eine Reise
nach Jerusalem. Polemischer Natur ist das „Fragstück des
Christlichen Glaubens an die neuwe sectische Predigkauten".
Als Generalvikar der Diözese Lausanne gab Werro die „Statuta
syuodalia dioecesis Lausanneiisis" heraus. Ein großes
dogmatisches Werk „De religione" blieb Handschrift.

Perler arbeitet auf Grund eines umfassenden Materials
und zuverlässig. Aber es gelingt ihm, wie uns scheint, nicht,
das Werk und die Bedeutung des Mannes wirklich plastisch
herauszuarbeiten. Ein ärgerliches Versehen zieht sich durch
die ganze Schrift: Heinrich von Navarra erscheint immer als
Heinrich von „Novarra".

Basel Ernst Staehelln

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Thielicke, Helmut, Prof. Dr.: Tod Und Leben. Studien zur christlichen
Anthropologie. 2. Aufl. Tübingen: J. C. B. Mohr 1946. 225 S. gr. 8».

RM5.80; Hlw. RM 7.80.

Das Problem des Todes spielt seit dem ersten Weltkriege
in der theologischen und in der philosophischen Literatur eine
besondere Rolle und nimmt vielleicht in noch stärkerem Maße
seit dem zweiten Weltkriege die Gedanken der Nachdenkenden
in Anspruch. Dabei wird in der theologischen Stellungnahme
die Einwirkung der biblischen Anschauungen eindrücklich.
Diese Hinwendung zur biblischen Anschauungswelt findet allerdings
ihre Vorbereitung bereits im letzten Jahrzehnt des
vorigen Jahrhunderts: im Gegensatze zu der Verbürgerlichung
der Theologie, wie sie in Albrecht Ritsehl und seiner Schule
ihren Höhepunkt erreichte, bringt in den neunziger Jahren
des vorigen Jahrhunderts die neutestamentliche Forschung
das Gewicht der eschatologischen Gedanken zur Geltung. Auf
diesem Hintergrunde wird es verständlich, daß mit dem Beginn
unseres Jahrhunderts die Gedankenwelt Luthers erneuten
Einfluß gewinnt. In der sog. „Luther-Renaissance" tritt dies
nach zwei Seiten hin zutage. Es sind einerseits die sittlichen
Ideen des Neuen Testamentes, die unter dem Einflüsse Luthers
in ihrem Abstände von der rein humanen Ethik erkannt