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Ausgabe:

1947

Spalte:

282

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Müller-Wolfer, Th.

Titel/Untertitel:

Der Werdegang der Reformationszeit in Aarau 1947

Rezensent:

Staehelin, Ernst

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Seite 1

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281 , Theologische Literaturzeitung 1647 Nr. 5

282

wie Jeremia zu den Jahwepropheten, die gegen die tyrannische Regierung
Jojakims stehen und für eine babylonische Intervention in Juda ,,ä titre de
rdtribution nklemptrice vouiue par Yahv£ lui-meme" eintreten. —

Ein kürzeres Schußkapitel trägt die Überschrift: L'oeuvre et I'homme.
Aus Hab 2, 1. 2 entnimmt Humbert: im Heiligtum empfängt der Kultprophet
Habakuk in voller Ausübung kultischer Funktionen die Revelation, welche die
Antwort Jahwes auf des Propheten voraufgehende Klage ist; er legt das göttliche
Orakel schriftlich nieder auf den Tafeln, die im Heiligtum der Niederschrift
der göttlichen Orakel dienten (wahrscheinlich wurden sie auf diesen
Tafeln irgendwie öffentlich angeschlagen). In 1, 11 sieht H. die wahrscheinliche
Andeutung, daß auch I, 5—10 eine Revelation im Tempel war. Jedenfalls
bilden diese beiden Revelationen den Kern des Buches, das im übrigen
eine durchaus einheitliche literarische Komposition darstellt. „Impossible,
nous parait-il en conclusion, de meconnaitre l'unite de composition du livret
d'Habacuc en sa forme actuelle, sa structure formelle aussi solide que subtile,
la logique, qui lie les divers morceaux entre eux, la marche ascendante des idees,
la pensee ordonnatrice qui a preside ä l'dconomie de l'ensemble, l'art avec
lequel cet edifice a ete construit.. .Meditation et art se sont exercfa sur la
matiere regue en rivelation et I'ont transmude en un opus aere perennius: la
remarquable liturgie d'Habucuc 1—3". Diese Liturgie aber ist nicht „fiction
littdraire",-sondern „realite cultuelle", bestimmt (für „une cdremonie publique
dans le temple de Jerusalem, probablement ä la veille ou mSitie au debut de la
campagne de Nebucadnezar contre Juda en 602/1"; der Kultprophet Habakuk
, authentischer Vertreter des prophetischen Jahwismus und Gegner Jojakims
, ,,a fait pdnetrer l'ideal prophetique dans le culte de Juda et conjugua
ainsi, mais dans le culte, ses efforts avec ceux que Jeremie, par exemple, diri-
geait en marge du culte contre le mäme souverain".

Alles bis hierher Ausgeführte verwertet Humbert in einem
Schlußabschnitt zu einer Darstellung der Persönlichkeit und
der Gedanken der Propheten, die in die Sätze ausklingt: „Prophete
cultuel sans doute et, par lä, plus lie que d'autres ä des
ionctious officielles et ä des formes precises, mais, dans ce
culte, authentique prophete du Dieu moral; non pas serf de la
raison d'Etat, mais servitcur de Dieu et non de I'homme, de
la foi en Yahvd, le Dieu juste, souverain et sans images. Prophete
de la foi et de sa pl'eine Süffisance, et d'une foi qu'il n'a
pas craint de proclamer contre un gouvernement tyrannique
et dans le culte officiel meme. Prophete niineur, mais prophete
digue de la Parole de Dieu et digne d'avoir fourni au christia-
nisme la formule classique de la foi, du sola fide."

Der vorstellende Bericht kann keinen vollen Eindruck von
dem sehr anregenden Buch geben; denn die Hauptsache ist die
difficile Einzeluntersuchung, zu deren Wiedergabe hier der
Raum fehlt. In der Erforschung des Habakukbuches stellt es
einen Markstein dar; wenn der Charakter des Problematischen
nicht durchaus überwunden wird, so ist das bei einem so kurzen
Text bei allem Scharfsinn unvermeidlich.

Münster (Westf.) Johannes Herrmann

Burrows, Miliar, Ph. D., Winkley Professor of Biblical Theology, Yale
Unlversity: What mean these StOties? The Significance of Archeology
for Biblical Studies. Pubiished by the American Schools of Oriental Research,
New Häven (Conn.) 1941. XVI, 306 S., Titelbild, 2 Karten, Abb. $2.50.
Seitdem die überraschenden Entdeckungen der Reste
alter Kulturen in Ägypten und Mesopotamien gemacht worden
waren, ist eine Flut von Schriften erschienen, die immer wieder
die Allgaben der Bibel durch die Funde der archäologischen
Arbeiten beweisen oder sie gegen diese Funde und ihre Deutung
verteidigen wollten. Meistens hat ein solcher Versuch
ernsthafter Prüfung nicht standgehalten, weil auf der einen
Seite die biblischen Nachrichten bis in kleinste Einzelheiten
als unfehlbar richtig betrachtet wurden, also der menschliche
Faktor in der Entstehung dieser Schriften keine Berücksichtigung
fand, andererseits die archäologischen Funde voreilig
in bestimmter Richtung gedeutet wurden, ja überhaupt die
Aufgabe der Archäologie verkannt wurde. Aus dieser Flut von
Schriften hebt sich das vorliegende Buch des früheren Direktors
der American School of Oriental Research in Jerusalem
turmhoch heraus, da es von einem Forscher verfaßt ist, der
nicht nur die Wissenschaft der Bibel, sondern ebenso die der
Archäologie vollkommen beherrscht und von seinem liberal-
protestantischen Standpunkte aus (S. XI) keine Apologie um
]eden Preis schreiben will, sondern den Leser zur richtigen
Erkenntnis dessen, was von der Archäologie für das Verständnis
der Bibel erwartet werden darf, und ebenso zu einer zutreffenden
Deutung der archäologischen Funde führen will.
So schildert er im 1. Kapitel Aufgabe, Methode, Stoff der
Archäologie und das rechte Verständnis ihrer Ergebnisse, im
2- Kapitel die wissenschaftliche Arbeit am Text der Bibel,
Sprachen, Übersetzungen, Zeit und Zweck der einzelnen
Bücher, im 3. Kapitel die Ergebnisse für Orts- und Landeskunde
, Zeitrechnung, den politischen und kulturellen Hintergrund
der Bibel, im 4. Kapitel den stofflichen und weltlichen
Hintergrund (Häuserbau, Befestigungen, Waffen, Geräte, Tonware
, Wirtschaft, Erziehung, Literatur und Wissenschaft,
Künste und Gewerbe) im 5. Kapitel den religiösen und
ethischen Hintergrund (Tempel, heilige Geräte, Gottheiten,
Mythen, Tod und Jenseits, soziale und moralische Ideale)
Alles wird sorgsam erwogen und unter steter Berücksichtigung
der Nachbar ander Palästinas 111 fesselnder, allgemeinverständlicher
Sprache dargelegt. Anmerkungen geben Hinweise auf
weiterfuhrende Literatur; für einzelne Angaben wird auf die
Quellen verwiesen. Die Abbildungen, darunter eigene Auf
nahmen des Verfs., helfen zu tieferem Verständnis Es ist ganz
unmöglich, aus diesem Reichtum, der nicht nur jeden Laien
überraschen, sondern auch dem Theologen wie dem Archäologen
manches Neue bieten wird, einzelnes herauszugreifen
Zu irgendwelchen Berichtigungen habe ich mich nicht veranlaßt
gesehen. Nur so viel sei gesagt, daß der Verf auch den
verworrensten und schwierigsten Fragen, z. B nach der Zeit
der Landnahme der Israeliten, der Eroberung Jerichos oder
der Geschichtlichkeit Jesu, nicht aus dem Wege geht sondern
sie in ruhiger Erwägung des Für und Wider zu lösen versucht
auch keineswegs davor zurückschreckt einzugestehen daß
unser Wissen hier und da zu einer befriedigenden Lösung noch
nicht ausreicht. Es ist dringend zu wünschen, daß dieses Buch
allerseits fleißig gelesen und sein Inhalt auch beherzigt werde
Obwohl es zunächst für amerikanische Leser bestimmt ist
(daher die vielen Verweise auf die Veröffentlichungen der
American School of Oriental Research), wäre doch eine deutsche
Übersetzung sehr erwünscht. Aber diesem Wunsche
stehen freilich zur Zeit noch unüberwindliche Hindernisse entgegen
.

Dresden Peter Thomsen

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMA TIONSZEIT

Müller-Wolf er, Th.: Der Werdegang der Reformation in Aarau. Aarau:

H.R.Sauerländer & Co. 1942. (109S.) 8°.

Von 1415 bis 1798 war Aarau eine Landstadt in der
machtvollen Herrschaft der Stadt Bern. So ist seine Geschichte
in diesem Zeitraum ein Ausschnitt aus der größern
Geschichte Berns. Solchermaßen ist auch die Geschichte der
Reformation Aaraus beschaffen.

Die Zeit von 1523 bis 1527 ist die Zeit der Gärung. Besonders
stark macht sich die Täuferbewegung geltend. Ihr
Führer ist Hans Meyer, der Pf ister, genannt ,,Pfistermeyer".
„Er war ohne Frage der bedeutendste Täuferlehrer in bernischen
Landen, der „Täuferprinzipal", wie er in einem
Berner Ratschreiben heißt, eine sympathische Persönlichkeit
, sympathisch durch seine edle Menschlichkeit und sein
tiefes Eindringen in den Sinn der heiligen Schrift, worin er
sich später den mit ihm disputierenden Theologen überlegen
zeigte." Der Täuferbewegung stand auch der Stadtschreiber
Hans Senger nahe. Diese seine Einstellung kostete ihm sein Amt.
An seine Stelle wurde Gabriel Meyer gewählt, „wohl der bedeutendste
Stadtschreiber, den Aarau je gehabt hat; mehr als
drei Jahrzehnte lang hatte er nun den wichtigen Posten inne;
er war hier der führende Kopf der neugläubigen Richtung."

Die Berner Disputation vom Jahre 1528 brachte auch
für Aarau den Durchbruch der Reformation. Dann folgten
die mühsamen J ahre des Aufbaus eines reformierten Kirchen-
und Volkstums. „Erst langsam sind sich weitere Kreise des
neugläubigen Volkes im 16. Jahrhundert des hohen Gehaltes
des reformierten Glaubens bewußt geworden; er verlangte
eine geistige Wiedergeburt; sie konnte sich anfangs fast nur
in einzelnen bedeutenden Menschen deutlicher zeigen; bis die
Wirkung der Reformation im Volke stärker sichtbar wurde,
brauchte es eine lange und mühsame Zeit der Klärung und
Reife." Aus dieser Zeit des Gereiftseins berichtet Müller-
Wolf er die Aufnahme von englischen Exulanten: „ächt evangelische
Gesinnung bewies Aarau 1557 mit der Aufnahme von
neunzig glaubensverwandten Engländern, darunter auch
Frauen und Kindern, die von der Königin Maria der Blutigen
von England geflohen waren; sie blieben bis zum Tode der
Königin in Aarau; im Januar 1559 reisten sie wieder in ihre
Heimat zurück, mit hohem Dank an die Aarauer für die
ihnen bewiesene brüderliche Liebe."

Die Darstellung Müller-Wolfers beruht auf einer vollständigen
Beherrschung des archivalischen Quellenmaterials
und darf als vorzüglich bezeichnet werden.

Basel Ernst Staehelin

J 0 r g e n s e n, Kai Eduard jordt: ökumenische Bestrebungen unter den
polnischen Protestanten bis zum Jahre 1645. Kopenhagen: Arnold

Busck in Komm. 1942. 410 S. gr. 8».

Die Reformatiousgeschichte von Polen hat die Eigentümlichkeit
, daß sie keinen überragenden Reformator aufweist,