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Ausgabe:

1947

Spalte:

9-24

Autor/Hrsg.:

Schweinfurth, Philipp

Titel/Untertitel:

Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der byzantinischen Kunstgeschichte während der letzten 20 Jahre 1947

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Theologische Litcraturzeitung 1047 Nr. 1

10

deutschen Protestantismus wird darum ihre tiefste ockume- I
nische Haltung nicht zum Ausdruck bringen in einer kolossalen
Ausschüttung amerikanischer Dollars mit der der besten amerikanischen
Tradition eigenen Großzügigkeit, sondern in
der demütigen und anspruchslosen Darbringung der amerikanischen
Mittel als eines Geschenkes der im Kreuz geoffenbarten
göttlichen Gnade.

Wie sehr man auch fürchten mag, daß gewisse soziologische
Unvereinbarkeiten die herzlichen Beziehungen zwischen
dem amerikanischen und deutschen Protestantismus auch
weiterhin trüben könnten, so würde doch einer beiderseitigen
Ausrichtung auf das Gebiet der Evangelisation unbestritten
zugestimmt werden. Hier, scheint es, bewegen wir uns gemeinsam
auf dem Boden des Neuen Testamentes. Kann man sich
dem Auftrag Gottes entziehen, der an die amerikanischen religiösen
Körperschaften, Kirchen und Sekten gleicherweise ergeht
, dein deutschen Volke das Evangelium zu predigen ? Wird
aber der Zustand der geistig hilflosen, sich selbst überlassenen
Volksmassen in Deutschland durch die Verkündigung amerikanischer
Evangelisten oder die zündende Evangelisation
amerikanischer Prediger erleichtert werden ? Wir fragen uns.
Neben der deutschen Mißachtung der amerikanischen Evan-
gelisationspraxis besteht eine Empfänglichkeit dafür, daß die
schlichte Verwirklichung der christlichen Gemeinschaft und
Barmherzigkeit durch jedes gesprochene Wort und jeden dargereichten
Trunk Wassers die apostolische Haltung in ihrer
Ursprünglichkeit stärker aufleuchten läßt als der beredsamste
evangelistische Appell. Darf der amerikanische Protestantismus
annehmen, für eine evangelistische Aufgabe gewappnet
zu sein ? Vielleicht sind wir in noch höherem Maße die, die
sich unter das überzeugende Wort derer stellen müssen, die,
wie keiner von uns, das Gericht und die Verdammnis, die Liebe
und die Vergebung Gottes erfahren haben ? Der christliehe
Glaube wird in Deutschland wieder lebendig werden nicht
durch die Hilfe, die von außen kommt, sondern weil in jedem
Fall Gottes überschwängliche Gnade genügt. Hier tun wir
„Ausländer" gut daran, zu schweigen und zu hören. Wir
kommen hierher als reuige Sünder, die bekennen, daß die
Sünde der Welt unsere Sünde ist, um mit unseren Brüdern
und Schwestern in ihrer Not zu weinen, uns in ihre Leiden
ganz hineinzustellen, und uns an ihrem Glauben zu erbauen
und zu stärken.

VI.

Angesichts der Aufgabe des Wiederaufbaues in aller Welt,
muß die Kirche unterscheiden zwischen der soziologischen
und der religiösen Deutung ihrer Aufgabe. Da sich der Unterschied
dieser beiden Orientierungen in dem Verhältnis von
deutschem und amerikanischem Protestantismus zuspitzt,
werden bestimmte oekumenische Glaubensaussagen die Frage,
um die es gellt, einer Lösung entgegenführen müssen. Die soziologische
Orientierung wird von der religiösen überboten.
Die historische Kausalität beugt sich vor der Schöpferkraft
des Geistes Gottes. Nicht Kontinuität, sondern Diskontinuität
offenbart die tiefste Lebenswirklichkeit. Eine Richtung weisen
ist bedeutsamer als das bloße Erhalten eines bestehenden Zustande
«. Der Endzweck des Lebens ist wichtiger als irgend
eine Augenblickserrungeuschaft. Die Gnade Gottes ist gegenüber
der menschlichen Not von entscheidenderer Bedeutung
als die Geschicklichkeit der Fachleute und der Scharfsinn der
Staatsmänner. Es gehört zum kritischen Geschehen unserer
Tage, daß solche Fragen den amerikanischen wie den deutschen
Protestantismus aufrütteln, damit sie sich freimachen von
ihrer historischen Enge und die befreiende Kraft des Kreuzes
und der Auferstehung erfahren.

An diesem kritischen Punkt des Geschehens will der Oekumenische
Rat der Kirchen in die Welt treten. Der eigentliche
Charakter dieser Bewegung ist noch im Werden. Wird sie dem
Druck der Tendenz der Gegenwart auf Zusammenschluß
unterliegen und lediglich ein Kirchenbund oder ein Kirchenverband
mehr werden, dazu da, um ,,einen geschlossenen Einsatz
in Dingen von gemeinsamer Bedeutung" zu gewährleisten,
wie wichtig diese Dinge auch sein mögen ? Oder wird die oekumenische
Bewegung über das geschichtlich Bedingte hinaus
das Religiöse der Kirche herausstellen, wie es begründet ist in
dem Neuen Testament, und nötigenfalls unter Herausforderung
aller Regeln der historischen Kontinuität und des politischen
Einsatzes ihr Gesicht von Wittenberg, Genf oder Can-
terbury weg nach Jerusalem wenden, für die Erlösung der
Welt ?

Der amerikanische und der deutsche Protestantismus unter
dem Kreuz 'stehen heute einander gegenüber in der Ausschau
nach neuen Idealen, neuen Bindungen, neuen Hoffnungen
und Zielen. Ein neues oekumenisches Prinzip der Ergänzung,
das nicht eigentlich neu aber doch so alt ist wie das Neue
Testament mit seinen Diskontinuitäten von Liebe, Glaube,
Gnade, Buße und Vergebung hat es auf Wirklichkeiten abgesehen
, die die tiefste menschliche Einsicht und alles menschliche
Planen nicht zu begreifen vermögen. Denn die Fragen,
die uns am tiefsten bewegen und unserer Seele zu schaffen
machen, können nicht gelöst werden durch Lösungen, die auf
amerikanischem oder deutschem Boden gewachsen sind. Wenn
nun die christliche Kirche an ihre Naehkricgsaufgaben herantritt
, muß der Blick sich über die horizontalen Ebenen erheben,
um die oekumenische Realität des Geistes Gottes ins Auge zu
fassen. Im Rahmen einer solchen Auffassung und unter der
Aegide eines so verstandenen Oekumenischen Rates der
Kirchen nimmt der amerikanische Protestantismus erwartungsvoll
Anteil an dem Nachkriegs-Wiederaufbau und rüstet
sich in diesem Geist voller Hoffnung für die Mitarbeit an der
religiösen Erneuerung der evangelischeu Kirche in Deutschland.

Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der byzantinischen Kunstgeschichte während der letzten 20 |ahre

Von Philipp Schweinfurth, Berlin

Kongreßberichte, Handbücher, Schriftenreihen,
Bibliographie, Ausstellungen
Für das wachsende Interesse an den Fragen des im Aufbau
befindlichen Fachgebiets der byzantinischen Kunstgeschichte
und für das sich fortsetzende Ansteigen der dieses
Gebiet betreffenden Arbeiten während der letzten 20 Jahre
ist es bezeichnend, daß auf den fünf internationalen Kongressen
für byzantinische Forschung, die zwischen den Jahren
1924—1936 stattfanden (Bukarest 1924, Belgrad 1927, Athen
1930, Sofia 1934, Rom 1936), die archäologisch-kunstgeschicht-
liche Sektion fast jedesmal die größte Zahl der Referate aufzuweisen
hatte. Von den Berichtbänden dieser Kongresse sind
der von A Orlandos herausgegebene des Athener Kongresses
(Athen, 1932) und besonders die von B. D. Filov (in den
Izvestija des bulgarischen archaeologischen Instituts, Bd. 9
und 10, Sofia 1935 l()3b) un(1 von S' G Mercatl (,n den
Stftdl bizantini e neoellenici, Bd. 5 u. 6, Rom 1939 194°)
veröffentlichten beiden letzten hervorzuheben. Inzwischen
waren von Werken, in denen das Gesamtgebiet der byzantinischen
Kunstgeschichte zur Darstellung gebracht wird, die
zweibändige Neuauflage des grundlegenden Manuel d'art by-
zantin von Charles Diehl (Paris 1925/26), die sehr gründliche
konspektive Übersicht „East Christian Art" von O. M.
Dalton (Oxford 1925) und ein Nachtrag zu O. Wulff, Altchristliche
und byzantinische Kunst (1936) erschienen, außerdem
zwei Sammelwerke, die Melanges Diehl (Paris 1930)

und der Recueil Uspenski („Orient et Byzauce", 4 u 5,
Paris 1930, 1932, von G. Millet herausgegeben und in der
Hauptsache die mittelalterliche Kunst der Balkanländer und
Rußlands behandelnd). Das Buch von Ph. Schweinfurth,
Die byzantinische Form, ihr Wesen und ihre Wirkung, Berlin,
Florian Kupferberg Verlag, 1943, erblickt seine Aufgabe in
der Betrachtung der formalen Werte der byzantinischen Kunst
an der Hand einer Übersicht ihrer hauptsächlichsten Denkmäler
und der Denkmäler der mittelalterlichen Kunstgeschichte
der Balkanländer und Rußlands.

1931 fand in Paris, im Pavillon de Marsan des Louvre,
eine byzantinische Ausstellung statt, die u.a. auch von Italien
beschickt worden war. Unter dem überaus wertvollen Material
dieser Schau ragte der Purpurkodex von Rossano, mit seinen
in hellen Deckfarben auf dem rötlichen Grunde ausgeführten
Miniaturen (6. Jahrhundert) besonders hervor. Es bleibt zu
bedauern, daß der von Giraudon photographierte Gesamtbestand
der Pariser Ausstellung nicht, wie ursprünglich beabsichtigt
, in einem Tafclwerk publiziert worden ist. Einen
Ersatz bietet der von den Veranstaltern der Ausstellung,
Salles-Volbach-Duthuit veröffentlichte Tafelband Art
byzantin (Paris 1933). Das Material der Pariser Ausstellung
hat auch teilweise in dem bis jetzt unvollständig gebliebenen
Werk von Peirce und Tyler, L'art byzantin (Paris 1932t.)
und in Louis Brehier, La sculpture et les arts mineurs by-
zantins, Paris 1936, Verwendung gefunden.