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Ausgabe:

1944

Spalte:

177-179

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Die Politik Maximilians I. von Bayern und seiner Verbündeten 1618 - 1651 ; 2. Teil, 3. Band: 1626

Titel/Untertitel:

1627 1944

Rezensent:

Lerche, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1944 Nr. 7/8

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Gegner Consalvis galt, ließ viele Reformen Consalvis fallen; ihm j
gaben faste alle Diplomaten die Hauptschuld au den eingetretenen
üblen Zuständen, die zur Revolution 1831 unter Gregor XVI.
führten, an der ich gerade arbeite. Es wurden in Rom viele Konferenzen
der Vertreter der fünf Signatarmächtc des Wiener Kongresses
abgehalten, um neue Reformen im Kirchenstaat zu beraten, wobei
immer wieder auf Consalvis Werk hingewiesen und in den Berichten |
dieser Diplomaten monatelang besprochen und kritisiert wurde- Die
Frucht der Konferenzen war das Memorandum vom 31. Mai 1831,
das das Edikt des Kardinall-Staatssekretärs Bcrnetti vom 5. Juni
1831 zur Folge hatte und das Edikt Consalvis weiter entwickelte,
insbesondere eine viel breitere Gemeinde- und Provinzialverfassung
darbietet. Hatte doch Oregor XVI. sich von Bunsen die preußische
Gemeindeordnung zum Studium geben lassen! Freilich, eine freie
Wahl der Oenicindcvertreter wurde auch jetzt nicht erreicht, diese
trat erst unter Pius IX. ein, als er sich dem unerbittlichen Ruf
nach Wahlen nicht mehr verschließen konnte-

Daß Verf. unter denen, die das Edikt beanstandeten, besonders
den Wiener Nuntius Scveroli herausgriff, ist verständlich. Denn keiner
von den Oegnern setzte Consalvi bis zum Ausderhautfahren so zu
wie dieser Kirchenfürst. Allerdings beruhte die Gegnerschaft der
beiden noch auf etwas ganz anderen, nämlich auf den Forderungen
des Nuntius nach den während der Verbannung des Papstes ausgebliebenen
Einkünften, womit er bis zur Ermüdung immer wieder an
Consalvi herantrat. Das ging dem so ganz anders, uneigennützig
denkenden Consalvi, der selbst mittellos in der Verbannung geschmachtet
hatte, derart auf die Nerven, daß seine sonst so milde Feder
sieh, wie er dem Nuntius schrieb, sträubte, wenn er sie nur anfaßte
zur Antwort. Es scheint, daß dem Verf. dieser Umstand gänzlich
unbekannt geblieben ist, wenigstens gibt er keine Andeutung davon.
Der Gegensatz trat im Konklave nach dem Tode Pius VII. auch
nach außen zu Tage in ihrer Gegenkandidatur zur Papstwahl, und
nur dem Veto Österreichs verdankte Consalvi, daß Severoli fallen
gelassen wurde. Freilich war Kardinal della Genga, als Leo XII.
Nachfolger Pius VII., auch nicht sein Freund. Die Zelanten hatten
den liberalen Consalvi besiegt, bis nach der Revolution von 1831
die Reformen unter Oregor XVI. sein Werk wieder aufleben ließen.
Ich möchte noch ein Wort hinzufügen von Kardinal Macchi in einer
Denkschrift vom Jahre 1831. Er meinte: ,,die nach der Rückkehr
Pius VII. gegebene Organisation, die sichtlichen Veränderungen
in der Verwaltung und in der bürgerlichen und kriminellen Rechtspflege
, die vielen and dem Himmel gefallenen Motuproprii, die Sucht
Leos XII. neues zu schaffen, die vielen von ihm erlassenen und wieder
zurückgenommenen Änderungen verdarben den guten Geist der Öffentlichkeit
und der Untertanen. Wollt Gott, Consalvi wäre, statt
dem Kirchenstaat eine neue Organisation zu gehen, die wohl für ein
großes Reich gepaßt hätte, nicht von der Gesetzgebung und der
Ordnung der Dinge, die in den ersten Jahren Pius VII. das Olück
der Bevölkerung ausmachten, abgewichen."

Alles in allem genommen müssen wir dem Verf. zu seinem
Buch aufrichtig Olürk wünschen. Wie vieles findet sich von
Consalvi zerstreut vor in den Werken der Restaurationszeit,
auf Schritt und Tritt begegnet man seinen Spuren. Wie
wertvoll, wenn einer es wagt, etwas Zusammenfassendes über
ihn darzubieten und gut und sachlich darzubieten, wie Verf.
es fertig gebracht hat.

Schäftlarn B. Bastgen

Die Politik Maximilians I. von Baiern und seiner Verbündeten
1618-1651. 2. Teil, 3. Band 1626, 1627. Hrsg. v. Walter Ooetz.
Leipzig: B. O. Tetibner in Komm. 1942. XVI, 820 S. gr. 8° = Briefe
und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. N. F. RM 25—.
Der erste Band dieser Aktenpublikation umfassend die
Jahre 1623/24 erschien im Jahre 1907, der zweite Band über
die Jahre 1624/25 wurde gegen Ende des ersten Weltkrieges
ausgegeben. Jetzt nach einem Vierteljahrhundert legt der
Bearbeiter der sich inzwischen vielen anderen Gebieten und
Stoffen der Geschichte und ihrer praktischen Anwendung
zugewendet hatte, den stattlichen Band vor, der sich über
die Zeit vom 2. Januar 1626 bis zum 25. Dezember 1627
erstreckt. Für genau zwei Jahre wird damit ein Band von
816 Seiten in Anspruch genommen. Der Rest der Regierungszeit
Maximilians würde also etwa zwölf weitere gleich umfangreiche
Bände erfordern. Wenn nun auch der Persönlichkeit
des ersten bayerischen Kurfürsten, den man nicht ohne
eine gewisse innere Berechtigung in Bayern, zumal seit den
Säkularfeiern von 1923, gern den Großen zu benennen pflegt,
eine erheblich überragende Bedeutung unter den zeitgenössischen
deutschen Fürsten nicht abzusprechen ist, so fragt
sich doch, ob man die Publikation in diesem Umfange und
in diesem Tempo wird zum Abschluß bringen können.

Der vorliegende Band ist wie die Vorgänger außerordentlich
vielseitig und interessant. Es sind 491 Aktenstücke, Briefe,

Berichte, Instruktionen, Entwürfe usw., zum allergrößten Teile
erstmalig nach dem Originale veröffentlicht. Die Dokumente
sind zum Teil in der Originalfassung, zum Teil referierend,
in wenigen Fällen auch im Regest wiedergegeben. Freilich
wendet sich der Bearbeiter in seinem Vorwort gegen den Versuch
, isolche Akten in Regestenform wiederzugeben: wo der
Wert im Persönlichen und in der Einzelformulierung liegt,
da versage das Regest. Indessen dürfte in der Praxis der
Übergang zwischen referierender Wiedergabe und Regest fließend
sein, und überdies wird der Wert, der Im Persönlichen
und In der Einzelformulierung liegt, durch die Übersetzung
ins Deutsche — von sehr verschiedenen Mitarbeitern und
Übersetzern — stark beeinträchtigt. Der Bearbeiter glaubt
den bedenklich angewachsenen Umfang des Bandes damit
entschuldigen zu dürfen, daß hier erstmalig die gesamte Korrespondenz
betr. den Würzburger Ligatag vom 26. ff. Februar
1627 (Nr. 349, S. 446-475) und betr. den Kurfürstentag
von Mühlhausen vom 18 ff. Oktober 1627 (Nr. 470, S.
623—749) vorliege. Im Übrigen sind die Korrespondenz zwischen
<dem Kurfürsten, dem Kaiser, Wallenstein, Tilly, den
Kurffirsten und den fremden Fürsten und die große Menge
der Berichte und Informationen der kurfürstlichen Räte und
Beauftragten so (reich an wertvollen Einblicken In das politische
Leben des dreißigjährigen Krieges, daß sich das Studium
dieser Akten in jeder Hinsicht lohnt. Besonders interessant
ist das Verhältnis des Kurfürsten zu den beiden
Feldherren der Liga bezw. des Kaisers zu Wallenstein und
Iilly, die sich hier in ihrer großen Gegensätzlichkeit zeigen.
Dem Kurfürsten war wie allen Mitgliedern der Liga die Art
der Kriegführung des Friedländers außerordentlich widerwärtig.
Gewiß legte Wallenstein sein Heer nach Möglichkeit In die
Länder der Feinde: wenn diese aber völlig ausgezehrt waren,
dann kam es ihm auch nicht darauf an, die wohlgepflegten
und reichen Länder der Ligagenossen mit seinen Söldner-
scharen zu belegen und hier wie in Feindesland Verpflegung
und Unterhalt zu fordern, ohne daß sich Offiziere und Soldateska
irgendwelche Beschränkungen In Haltung und Ausschreitungen
auferlegten, während Tilly auf allerstrengste Manneszucht
hielt und alle Wünsche dieser Art, die seitens des
Kurfürsten oder der Liga laut werden konnten, schon im
Voraus zu erfüllen bemüht war.

Es wird immer wieder versucht, die Bedeutung des dreißigjährigen
.Krieges als eines Religionskrieges herabzusetzen.
Wie wichtig in allen politischen Auseinandersetzungen dieser
Zeit die religiösen Fragen waren, das geht auch aus den hier
mitgeteilten Dokumenten hervor. In die Jahre 1626/27 fallen
vornehmlich auch die Versuche, den Winterkönig mit dem
Kaiser zu versöhnen, Versuche, die von England und Frankreich
immer wieder aufgegriffen und mit allen diplomatischen
Mitteln gefördert wurden. Freilich mußte es sich bei diesem
Unternehmen In erster Linie auch darum handeln, den jetzigen
Inhaber der pfälzischen Kur mit dem Winterkönig auszugleichen
. Wie sollte Maximilian veranlaßt werden, die eroberten
Länder wieder herauszugeben? wie sollte er entschädigt werden?
Das wichtigste Aktenstück diesen Gegenstand betr. ist wohl
Nr. 264 (S. 324 ff.), enthaltend die Instruktion des königlich
französischen Gesandten am bayerischen Hofe, Grafen von
I Marrheville, mit geheimen Zusatzartikeln und einem Vertragsentwurf
.

Wir greifen aus diesem Stück den Religionsparagraphen heraus:
„Die katholische Religion wird in allen Gebieten der Pfalz wieder
hergestellt, alle religiösen Häuser (NB.: schlecht übersetzt statt:
Häuser der Religiösen) und alle Geistlichen, die jetzt dort sind,
werden 'bleiben. Der Lutheranismus wird dort ,cours' haben nach den
Reichsgesetzen.1 Der Calvinisinus wird an den Orten der Residenz
des Pfalzgrafen geduldet werden, solange dieser sich dort aufhält."
So unmöglich wie dieser Religionsparagraph ist an sich der ganze
Vertragsentwurf. Maximilian, der sich wohl hütete, den Vergleichsvorschlag
a limine abzulehnen, setzte sich mit jedem einzelnen
Artikel sachlich auseinander und bemerkte zum Religionsparagraphen:
„Wiederherstellung der katholischen Religion ist sehr erwünscht. Von
den Lutheranern zu sprechen, hat keinen Zweck, da es in der Pfalz
keine gibt. Es ist nötig, den Calvinisten die Türe nicht zu öffnen,
daß (? da) sie sich öffentlich als Lutheraner ausgeben, aber in ihrem
Herzen Calvinisten bleiben. Über die Duldung des Calvinisnvus in der

j Residenz des Pfalzgrafen kann M. nicht verhandeln, denn diese
Ketzerei ist verboten durch kaiserliches Oesetz. Man muß deshaJb
diesen Punkt denen überlassen, die dazu die Macht haben und
sich an ihr Urteil halten. Es muß aber der Unterschied bedacht werden
zwischen dem Ort der Residenz und den Orlen der Residenz.

, Denn im ersten Fall darf calvinistisch gepredigt werden nur an

, einem Ort und während des Aufenthalts des Pfal/grafen; sonst
würde der Irrtum bei Residenzwechsel durch das ganze Land ge-

| tragen werden und sein ganzes Volk in Ketzerei verfallen."