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Ausgabe:

1944

Spalte:

171

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Richel, Pieter Johannes

Titel/Untertitel:

Het kerkbegrip van Calvijn 1944

Rezensent:

Weber, Otto

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171

Theologische Literaturzeitung 1944 Nr. 7/8

172

beseitigt, die französische Revolution dann in geradezu verheerender
Weise zerstörend eingegriffen. In sorgfältiger und
erschöpfender Auswertung des baugeschichtlichen Befundes und
der urkundlichen Quellen wird die grundsätzliche und die
praktische Stellungnahme des Rates zur Frage der Einrichtung
des Münsters für den neuen evangelischen Gottesdienst im einzelnen
vorgeführt. Die überaus konservative Art der Straßburger
Reformation mit ihrem Bemühen, Ärgernisse nach
beiden Seiten hin zu vermeiden, erfährt dadurch eine neue Beleuchtung
und vor allem wird das in der Kunstgeschichtsschreibung
häufig begegnende, für Straßburg z. T. sogar
von Dehio geteilte Vorurteil über das bilderstürmerische Wüten
der Reformation an einem außergewöhnlichen Beispiel entscheidend
berichtigt. Man wird die Ergebnisse der Fickerschen
Untersuchung zwar nicht generell auf analoge Fälle anwenden
dürfen, sich wohl aber durch sie vor jeglicher ungeprüften
Übernahme jenes Vorurteils nachdrücklich warnen zu lassen
haben.

z. Zt. im Heeresdienst E. Wolf

Dieckmeyer, Adolf: Mansfeld als Lutherstadt. Henstedt
(Südh.): Fr. Schnee 1935. (31 S.) 8".
Das Heftchen bringt sorgfältig ermittelte Nachrichten über
Luthers Vaterhaus in Mansfeld, den diesem gegenüberstehenden
Gasthof zum goldenen Ring, über die Kupferhütten des Vaters,
das Schulhaus, das der Knabe bis 1497 besucht hat (nicht
Lutherstr. 8, sondern Jungbuhnstr. 2), über die Veste, die
Schloß- und Stadtkirche und die darin erhaltenen Kunstwerke
.

Zwickau d. Sa. O. CUmen

Riehe), Dr. P. J.: Het Kerkbegrip van Calvijn. Franeker (Niederl.):
T. Wever 1942. (254 S.) 8".
Es war ein Wagnis, nach dem Erscheinen des großen
Werks von J. Bohatec („Calvins Lehre von Staat und Kirche"
1937) eine Darstellung der Lehre Calvins von der Kirche zu
veröffentlichen. Der Verf. ist sich dessen auch bewußt gewesen.
Er weist indessen darauf hin, daß Bohatec ja im wesentlichen
das Verhältnis von Kirche und Staat vor Augen habe, und
weicht insofern erheblich von Bohatec ab, als er die Übereinstimmung
zwischen Calvin und Luther für weit geringer
erklärt, freilich ohne für diese Behauptung einen strengen Beweis
zu führen. Die vorliegende Arbeit ist überhaupt nicht
darauf abgestellt, Calvins Gedankenwelt geschichtlich einzuordnen
— lediglich die Abhängigkeit Calvins von Augustin wird
mehrmals betont —, sondern sie versucht sie lediglich von innen
her zu begreifen. Das dabei gewonnene Bild ist im ganzen als
zutreffend zu bezeichnen. Eigentlich Neues ist dabei freilich
nicht zutage getreten. Die Calvinliteratur ist in breitestem Umfang
verwertet, das Quellenmaterial keineswegs, wie das so oft
geschieht, allein der Institutio entnommen. So bekommen
wir hier eine gute und verläßliche Darstellung wesentlicher Bestandteile
des Calvinschen Kirchenbegriffs, die dankenswert
ist. Manches ist dabei freilich beiseite gelassen; so fehlt z. B.
das Verhältnis von Kirche und Obrigkeit, auch das Kirchenrecht
ist — absichtlich — nur gestreift. Der Grundcharakter
des Buches ist dogmatisch. Daneben steht als wesentlicher Zug
die Polemik, die sich namentlich gegen die dialektische Theologie
und gegen den niederländischen Theologen K. Schilder
richtet, aber auch sonst ihre Partner findet, nicht selten so,
daß der Faden der Darstellung darüber zu schwinden droht.
Es ist aber äußerst lehrreich zu sehen, wie sich der Kirchenbegriff
Calvins inmitten der gegenwärtigen kirchlichen Verhältnisse
und Anschauungen in den Niederlanden ausnimmt,
besonders in Beziehung zu den Fragen, die die Gereformeerde
Kerk bewegen, der der Verf. mit Überzeugung angehört,
z. Zt. bei der Wehrmacht Otto Weber

Bax, W.: Het Protestantisme in het bisdom Luik en vooral
te Maastricht. Bd. I: 1505-1557. (XVI, 435 S., 20 Abb.) er. 8°.
Bd. II: 1557-1612. (XX, 686 S., 30 Abb.) er. 8°. Haag: M. Nijhoff
1937 u. 1941. Fl. 6.30, geb. 7.85; Fl. 12.60, geb. 15-.

Diese monumental sich präsentierende Geschichte des Pro- J
testantismus im Bistum Lüttich, insbesondere in Maastricht,
aus der Feder eines dort im Ruhestande lebenden reformierten j
Pfarrers verdient höchste Anerkennung und ist ein sehr wertvoller
Beitrag zur Reformationsgeschichte der Niederlande und
darüber hinaus, da die damaligen Diözesangrenzen stark in
das niederrheinische Gebiet übergriffen oder auch in das
französische. Mit bewundernswertem Fleiße hat sich der Verfasser
um das reiche, aber vielfach verstreute Quellenmaterial,
das gedruckte und namentlich ungedruckte, bemüht und breitet

es, holländischer Art entsprechend, mit einer gewissen behaglichen
, stark von Reflexion durchzogenen Breite aus, die
j schon unbeschadet des Ganzen Kürzungen vertragen hätte.
| Die Zeitgrenze 1505 bis 1612 ist auch nicht streng einge-
i halten, bei der Gemeindegeschichte von Aachen oder Sedan
] z. B. wird die Darstellung bis zur Gegenwart skizzierend fort-
I geführt. Beiden Bänden ist eine Reihe wertvoller Dokumente
| beigefügt, Personen- und Ortsregister fehlen nicht, ein Sach-
I register jedoch bietet seltsamerweise nur der zweite Band,
i Inhaltlich sind die beiden Bände, sachlich und zeitlich richtig,
j so geschieden, daß der erste Band die Anfänge reformatorischer
j Bewegungen und vor allen Dingen das Täufertum, der zweite
j wesentlich den Calvinismus, der sich unter den reichsrechtlichen
Schutz der Augustana zu stellen bemüht, und seine Organisation
in den Einzelgemeinden behandelt. Gruppiert ist nach den
Regierungen der einzelnen Bischöfe, an deren Spitze der vom
Wormser Reichstage her durch Kalkoffs Forschungen bekannte
Erhard von der Marek steht (1505—38), ihm folgt Cornelius
van Bergen (1538—44), dann Georg von Österreich, ein
natürlicher Sohn Kaiser Maximilians (1544—57), Robert van
Bergen (1557—64), Gerhard van Groesbeek (1564—80), endlich
Ernst von Bayern (1581—1612). Natürlich ist für eine
Kontinuität der Darstellung gesorgt, aber jeder der Fürstbischöfe
ist eine Persönlichkeit für sich, am schärfsten geprägt
der erste und der letzte dieser Kirchenfürsten; tolerant sind
sie allesamt nicht gewesen. Neben diesen Bischöfen steht natürlich
ein ganzer Apparat von Unterinstanzen, die geistlichen
und weltlichen Inquisitoren, die städtischen Obrigkeiten, Denunzianten
, die Mönchsorden, an deren Spitze die Jesuiten rücken,
die unter Robert van Bergen zuerst ins Land kommen. —
Jakob I.aynez predigte 1562 in Lüttlch — und dann von Ernst
von Bayern besonders begünstigt werden. Mit bestem Rechte
wird aber auch sogleich am Anfang die Bedeutung der Universität
Löwen als „grimmiger Bestreiter des Protestantismus"
herausgearbeitet. Die Rechtsgründe der Ketzerverfolgung liegen,
sehe ich recht, durchweg auf weltlichem Gebiete (Übertretung
von Mandaten der verschiedenen Obrigkeiten), nicht in der
Glaubensabweichung als solcher. Die einzelnen Fälle der größeren
oder kleineren Verfolgungen werden genau geschildert,
die Martyrien, z. T. im Anschluß an Lieder oder Flugschriften
vorgeführt, jede Person, über die irgend etwas zu sagen ist,
findet ihren Platz, sodaß in den beiden Bänden für die Familiengeschichte
sehr viel wertvolles Material steckt (insbesondere für
heute am Niederrhein oder auch in der Pfalz blühende Geschlechter
, wie etwa Molinaeus oder Fremerey). Mit lebhafter
Spannung verfolgt man im zweiten Bande die Aktionen der
Calvinisten: immer sofort Organisation, und im Gegenteil zu
dem die Verfolgung leidend tragenden Täufertum eine starke
politische Aktivität, Bewaffnung der Oemeindeglieder, Rebeliion.
Auch für das Bistum Liittich gilt die anderweitig festgestellte
Tatsache, daß die Täufer sich fast ausschließlich aus den
Kreisen der kleinen Leute, Handwerker und dergl. rekrutieren.
Natürlich geht ihre Bedeutung mit der Katastrophe von Münster
herunter, aber verschwunden sind sie auch im 17. Jahrhundert
nicht. Die Bedeutung des Handelsverkehrs für die
Fußfnssung und Ausbreitung der Reformation tritt deutlich
zutage, dann selbstverständlich die Wirksamkeit der Antwerpener
Augustiner und der verschiedenen Buchdrucker; die Erzeugnisse
der Presse, reformatorische und gegenreformatorische
Literatur, sind von Bax sorgfältig registriert und gewürdigt
worden. Der erste Ketzerprozeß in Lüttich ist 1528, reformatorische
Regungen können als secta Valdensium gestraft werden.
Begreiflicherweise ist der flämische Teil des Bistums stärker
..verketzert" gewesen als der wallonische. Da sie mit der
Ketzerei vielfach verbunden waren, hat B. auch die Geschichte
der Hexenprozesse in seine Darstellung aufgenommen.

Rei dem Reichtum des Gebotenen ist es unmöglich, den
Verlauf der Reformationsgeschichte im Bistum Lüttich an dieser
Stelle auch nur zu skizzieren. Ein paar Einzelheiten seien notiert:

I 19 wird ein Inquisitor Lambert von Büren genannt, wahrsiheinr
lich ein Verwandter von Calvins Frau. — I 43 ff. zahlreiche Nachrichten
über die Täufer Roll und Campanus — I 94 Anm. die Erklärung
des seltsamen Namens Knipperdolling — Glied der Familie
Dollink aus dem Flecken (plaatsje) Knipper — I 159 Luthers Kir-
chenpostille unter den beschlagnahmten Büchern — I 172 Charakterisierung
Melanchthons als ,,!e blanchisscur de Ia doctrinc de
Luther". — I 285 ff. unter den verbotenen Büchern auch Mar-
silitis von Padua oder Johannes Pupper von Ooch. — I 311 II 380
u. ö. tritt die Bedeutung des Sendgerichtes klar heraus. „O minsch,
bedenck das send!" kann das bekannte: ,,o Mensch, bedenk Dein
Ende!" wiedergegeben werden. ! 378 Bemerkungen über den Einfluß
des Volkscharakters auf die Reformation. — II 83 ff. die Reformation
in Eupen. — Als den Calvinisten verboten wird, außerhalb