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Ausgabe:

1944

Spalte:

170

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Leube, Hans

Titel/Untertitel:

Deutschlandbild und Lutherauffassung in Frankreich 1944

Rezensent:

Clemen, Otto

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Theologische LLteraturzeitung 1944 Nr. 7/8

170

Verhältnrsbestimmung der Normativität der beiden fora (forum dei
und forum poli = lex naturae) herangezogen werden (zu 225);
ist die Religiosität des Erasmus reicht doch tiefer als „optimistisch-
oherflächlkhe Wcltansiclit" (S. 250)?

Heidelberg W. Kühler

Zur Theologie Luthers. Aus der Arbeit der I.uther-Agricola Gesellschaft
in Finnland I. Helsinki : Kommissionsverlag Akademische Buchhandlung
1943. 1 15 S. gr. 8° = Schriften der Luther-Agricola Oesellschaft
in Finnland 4. RM 3—.
Von den bisher 4 Heften der Schriftenreihe, welche die
1940 begründete Luther-Agricola-Gesellschaft in Finnland herausgebracht
hat, gelten 3 der Theologie Luthers. Das vorliegende
4. Heft ist aus der 2. Jahresversammlung der Gesellschaft
am 15. Mai 1942 in Turku erwachsen. So bietet es auch
die Ansprachen, die der Vorsitzende, Professor Puukko, und
Bischof Heckel hielten, sowie den Jahresbericht von Dozent
Pinomaa, dem Sekretär der Gesellschaft. Den Hauptinhalt
bilden drei wissenschaftliche Arbeiten zur Theologie Luthers
— sie sind wohl als Vorträge auf der Tagung gehalten worden.
Leonhard Fendt handelt über „die Heiligung bei Luther"
(S. 15—42). Er stellt zunächst Luthers Anweisung zur Heiligung
dar, darauf die Stellung der Heiligung in Luthers Theologie
. Dabei ergibt sich ein „Zwiespalt zwischen der Heiligungspraxis
im Christenleben, wie Luther sie sieht, und zwischen
dem Denksystem Luthers, welches dem Gott des NT
die Ehre gibt". In Luthers System liegen alle „Hauptakzente
auf dem Handeln Gottes" und „in der Praxis kommt dann doch
auch bei Luther der Mensch als handelnd in Betracht".
Fendt gibt dann einen Überblick über die Versuche, diesen
Zwiespalt theologisch aufzulösen — sie sind nötig, aber sie
ändern an der Tatsache des Zwiespaltes nichts. — Diese These
von Fendt stimmt mit der nachfolgenden Arbeit von Ragnar
Bring nicht eben gut zusammen. Ich kann sie auch sachlich
nicht für richtig halten. Nicht von einem Zwiespalte ist zu
reden, sondern von einer Polarität zwischen Gottes Wirken
und des Menschen verantwortlicher Aktivität. Diese Polarität
ist aber keine Besonderheit Luthers. Sie findet sich ebenso
bei Paulus, in dem Verhältnis zwischen Indikativen und Imperativen
, z. T3. Rom. 6. Wenig glücklich ist auch der Abschnitt
über Luthers „simul peccator slmul justus" (S. 38 ff.). F.
spielt hier allzu einfach Paulus gegen Luther aus und würdigt
Luthers These nur als seelsorgerlich bedingt — als ob es Luther
nicht strenger theologischer Ernst gewesen wäre mit der Erkenntnis
, daß auch der Christ, jeder Christ, unentrinnbar
der Sünde vor allem gegen das erste Gebot verhaftet bleibt!
Vergl. meine Schrift: Paulus und Luther über den Menschen,
1918. Auch an dieser Stelle klafft ein tiefer Widerspruch zwischen
den Vorträgen von Fendt und Bring. — Ragnar Bring,
der Dogmatiker an der Universität Lund, gibt eine sehr
scharfsinnige und systematisch-bedeutende Studie über „Gesetz
und Evangelium und der dritte Gebrauch des Gesetzes in
der lutherischen Theologie" (S. 43—97). Die Lehre vom
dritten Gebrauch des Gesetzes — so will er zeigen — ist Luther
und einer konsequent lutherischen Anschauung fremd. Bei dem
Christen handelt es sich wie bei jedem Menschen um den
ersten und zweiten Gebrauch des Gesetzes im Sinne Luthers.
Statt vom dritten Gebrauch des Gesetzes ist davon zu sprechen
, dall gerade der wahrhaft Gläubige unter dem Gesetze
steht und von den Anfechtungen durch das Gesetz betroffen
wird, nämlich sofern er immer auch alter Mensch ist. Im
Gegensätze hierzu bedeutet Melanchthons Lehre vom dritten
Gebrauch des Gesetzes einen Übergang von Luthers Bestimmung
des Verhältnisses zwischen Gesetz und Evangelium zu
der pietistischen Lehre vom bekehrten oder wiedergeborenen
Menschen. Der neue Mensch wird mit dem Wiedergeborenen
gleichgesetzt — der doch im Sinne Luthers zu gleicher Zeit alt
und neu ist. Ein tertius usus legis für den Wiedergeborenen
gilt offenbar auch für den neuen Menschen; damit aber vermengt
man die Lage unter dem Gesetz, und die Lage unter
dem Evangelium und hebt so den Unterschied zwischen Gesetz
und Evangelium auf (S. 69 f.). In Wahrheit steht es so:
der Wiedergeborene als alter Mensch hat stets das Gesetz
nötig, nämlich in seinem ersten und zweiten Gebrauche; der
Wiedergeborene als neuer Mensch lebt gänzlich ohne Gesetz.
Die Lehre vom dritten Gebrauche im überkommenen Sinne „lebt
von einem Zusammenwerfen der beiden Gesichtspunkte"; sie
ersetzt Luthers Doppelschau des Christenmensehen durch ein
Kompromiß. (S. 91 f.). Bring sucht schließlich zu erweisen,
daß entgegen der üblichen, vor allem auch von Frank vertretenen
„pietistischen" Auslegung die Konkordienformel im
Art. 6 zwar von Melanchthons Fragestellung ausgeht, aber
eigentlich keine Lehre vom dritten Gebrauch als einem besonderen
Gebrauch für den Wiedergeborenen vertritt. Die FC

! vermeidet alle mit dieser Lehre verbundenen theologischen
Fehler. Sie unterscheidet ausdrücklich zwischen dem wiedergeborenen
und dem neuen Menschen. Brings Studie stellt die

! theologische Differenz zwischen Luther und Melanchthon, zwi-

sehen Luthertum und Pietismus überaus eindringend heraus.

t Der finnische sogen. Pietismus aber, vor allem Paavo
Ruotsalainen, kommt dabei nicht auf Seite des Pietismus,
sondern auf Seite Luthers zu stehen. — Mit Brings Beitrag
stimmt aufs Beste zusammen der schöne Aufsatz von Lennart
Pinomaa, Dozent an der Universität Helsinki, über „Die
Anfechtung als Hintergrund des Evangeliums in der Theologie
Luthers" (S. 98—113). In der Linie seines Buches „Der existen-

j tielle Charakter der Theologie Luthers" 1940 zeigt P. vor allem
an der Galatervorlesttng von 1531, wie Luthers Evangeliums-
verkündigung nur als ein Wort an den angefochtenen Menschen
recht zu verstehen ist. Die echte Heilsgewißheit kommt
immer aus Üer Anfechtung, sie kann daher nur als kämpfende
auftreten. Das Evangelium, d. h. Christus, muß immer reu
die Herrschaft des Gesetzes im Gewissen überwinden.

i Das gut ausgestattete Heft ist im Ganzen eine wertvolle
Gabe. Wir wünschen der Reihe guten Fortgang und weite Verbreitung
auch in Deutschland.

Erlangen P, Althaus

Leube, Hans: Deutschlandbild und Lutherauffassung in Frankreich
. Stuttgart: Kohlhammer 1941. (186 S.) gr. 8". kart. RM 4.50.
Im Vorwort bezeichnet der Verfasser als die Aufgabe,
die er sich bei der vorliegenden Arbeit gesteckt hatte, zu verfolgen
, wie „die Gestalt des deutschen Reformators in der
geistigen und politischen Auseinandersetzung der beiden Völker
allergrößte Bedeutung gewann". Luthers Zugehörigkeit zu dem
sächsischen Volksstamm habe für alle französischen Angriffe
auf ihn einen ungemein günstigen Ausgangspunkt gegeben. Wie
jener Volksstamm als Feind des Frankenreichs und als der
Rebell unter den germanischen Stämmen erscheint, so Luther
als Feind der universalen Kultur und der universalen Kirche,
als Zerstörer von Einheit und Ordnung. Weiter betont der
Verfasser als eine wertvolle Erkenntnis, die ihm aus der Geschichte
der französischen Lutherauffassung aufgegangen sei,
„daß die religiösen Entscheidungen, die Deutschland und Frankreich
in den vergangenen vier Jahrhunderten gefällt haben,
für das politische Verhältnis zwischen den beiden Nationen
von größter Wichtigkeit sind." Ich muß gestehen, daß der
Inhalt des Buches zu jener Zielsetzung nicht recht zu stimmen
scheint, daß auch jene Erkenntnis, die der Verfasser gewonnen
haben will, sich dem Leser nicht recht mitteilt, daß die
| behauptete Beeinflussung von verschiedenen französischen Lutherauffassungen
und -darstellungen durch die geistigen und politischen
Bewegungen und Wandlungen öfters nicht recht überzeugt
, daß die Gruppierung nicht selten geradezu gewaltsam
erscheint. Es konnte Leube auch nicht verborgen bleiben,
daß Manches, worin sich speziell der französische Volkscharakter
widerspiegelt, ebenso in anderssprachlichen, in deutschen,
besonders ultramontanen Luthermonographien zum Ausdruck
kommt. Freilich fällt es schwer, Kritik zu äußern angesichts
der bewundernswerten Leistung. Ist es schon erstaunlich,
wie Leube es fertig gebracht hat, sich diese Unmenge französischer
Lutherliteratur zu verschaffen, so noch viel mehr,
wie er die Arbeitskraft und Unermüdlichkeit aufgewandt hat,
Buch um Buch. Abhandlung um Abhandlune — bei oft weitgehender
Übereinstimmung nach Inhalt und Tendenz — durchzustudieren
, zu charakterisieren und einem System einzuordnen.
Mindestens bleibt ihm das Verdienst, ein wenig bekanntes Gebiet
durchforscht und unsern Horizont erheblich erweitert
zu haben.

Zwickau i. Sa. O. Clemen

Ficker, loh.: Das Bekenntnis zur Reformation im Straßburger
Münster. Leipzig: Leopold Klotz. Verlng-LC. Hinrichs Verlag
1941. VI, 47 S., 1 Taf. gr. 8° = Theolog. Studien und Kritiken.
Beitr. z. Theologie u. Religionswissenschaft, 109. Bd., H. t. RM 2.40.
j Die vorliegende Studie, wohl das letzte Zeugnis der un-
j mittelbaren persönlichen Beziehungen ihres Autors zu seiner
I einstigen Wirkensstätte, liefert gleichsam den forschungsmäßigen
Beleg zu der in einem früheren Vortrag (Das Straßburger
j Münster. Ein Sinnbild, Neudruck 1941) getroffenen Fest-
I Stellung, daß die Reformation den baulichen Bestand des
Münsters so gut wie gar nicht verändert habe und bei der
Beseitigung von Teilen der Innenausstattung „überaus scho-
| nend" vorgegangen sei. Erst die Gegenreformation - seit der
■ Ruckgabe des Münsters an die Katholiken durch den fran-
j zösischen König 1681 - hat z. B. den Lettner, den Hoch-
i altar, die Marienkapelle und das Maßwerk der Chorfenster