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Ausgabe:

1944

Spalte:

161-162

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gerleman, Gillis

Titel/Untertitel:

Zephanja 1944

Rezensent:

Herrmann, Johannes

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Seite 1

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162

Ist hier noch mit philosophischer Strenge gearbeitet, so sind
die Schlußkapiiel lockerer getilgt Bei Luther wird (z.T. in Anlehnung
an R. Otto) der in der Geschichte sich offenbarende deus
Semper agens und das Menschenbild in seiner „Entwertung des natürlichen
Menschen" samt der Betonung des servum arbltrlum auf
profetische Motive zurückgeführt, während doch die „mit Hilfe
des Piatonismus formulierten Grunddogmen des Christentums (Trinität,
Menschwerdung, Zwei-Naturenlehre) festgehalten" und diese platonischen
Erbgüter im Laufe der Zeit, vor allem im Widerstreit gegen
die Schwärmer stärker betont werden. Die Theologie bedarf ja der
Philosophie, sobald sie das religiöse Erleben denkerisch bearbeiten
will. Die Darstellung der neueren katholischen Theologie
begnügt sich im wesentlichen damit, in suitenlangen Exzerpten
aus J. B. Hirseher (1823) mit offenkundiger Sympathie den Neu-
aufbruch des „Qeistes des Evangeliums" im Gegensatz gegen ein
tatellektualiftltches Olaubeneverrtändnui zu belegen und kurz Tyrells
„profetische Theologie" zu skizzieren, in welcher sich Profetie und
Theologie im Verhältnis von Erfahrung und diese Erfahrung verarbeitender
Theorie gegenüberstehen und ergänzen. Der Begriff der
„profetischen Theologie" verdeckt freilich die Tatsache, daß die
„Offenbarung" dabei in sehr viel weiterem und zugleich stärker
psychologischem Sinne gefaßt ist als dem „Profetismus" des Titels
(und des ersten Teiles) entspricht: „Die Offenbarung ist ein Zeichen
vonseiten Gottes, ein Sehen vonseiten des Empfängers. Die Profetie
ist nur die Mitteilung dieses Gesichtes an andere". Ebenso gehen
die folgenden Darlegungen über den Kampf um den Idealis-
m u s (verstanden als „Glaube an den Sinn der Welt und des
Lebens" und damit auf den „immanenten Bereich beschränkt") wie
über die dialektische Theologie (im wesentlichen an
Brunner entfaltet) über einen an sich interessanten Versuch
nicht hinaus, einerseits die Unmöglichkeit einer philosophischen
Begründung des biblischen Qottes-Menschen- und Erlösungsbildes
darzutnu, anderseits aber die Berechtigung des Idealismus in
seiner Sphäre ebenso wie den Wahrheitsgehalt des christlichen
Offcnbarungsglaubens festzuhalten. Hingegen lenkt die Darstellung
der Phänomenologie (entwickelt an Nie. Hartmann's Ethik)
und der Existenzphilosophie (im Anschluß an Heidegger
„Sein und Zeit") strenger zum eigentlichen Thema zurück, indem sie
in der Phänomenologie „säkularisierten Piatonismus" und in der Exi-
stenzphilosophie „säkularisierten Profetismus" aufzudecken sucht und
damit eine abschließende Bestätigung der Grundthe^e anstrebt, daß
„Piatonismus und Profetismus die beiden großen Möglichkeiten gedanklicher
Entscheidung gegenüber dem Seienden und seiner Seinsstruktur
darstellen". Mit einem warmen Bekenntnis zu den Ewigkeitswerten
in Piatonismus, Profetismus und ihrer Synthese klingt das Buch aus.

Wenn der zweite Teil mich weniger befriedigt als der erste,
so liegt es zum guten Teil daran, daß die herausgestellte
Unscharfe geradezu den Anschein erweckt, als habe hier von
Haus aus eine andere Problemstellung vorgelegen (antike Philosophie
und christliches Dogma), die erst sekundär in die jetzige
umgebogen sei. „Profetische" Elemente hätten sich in viel weiterem
Umfang auf Gebieten der christlichen Geistesgeschichte
aufzeigen lassen, die Hessen beiseite läßt, namentlich in der
Mystik und In der Dichtung. Es würde sich durchaus lohnen,
Meister Eckehart und Dante einmal von den Fragen des ersten
Teiles aus durchzuarbeiten, wie auch die oben erwähnte Über-
gehung des Neuen Testaments noch ausgeglichen werden sollte!
Hessens Interesse haftet zu einseitig an der spezifisch lehrhaften
Ausformung in der dogmatischen Sphäre. Profet und Mystik
— ich erinnere an Lindbloms Buch! — und Profet und Dichter
sind fruchtbare Themen auch der Kirchengeschichte, auf deren
Boden mystisches Erlebnis und dichterische Schau immer
wieder von der in den Kategorien griechischer Philosophie,
ausgeformten lehre genährt und gehemmt werden. „Profetische
" Elemente, die in der Lehre eingeschmolzen sind, der
lebendige Voluntarismus personalen Oottesglauhens auf dem
Hintergrund eines Realismus, der auch das „Böse" der Welt
ernst nimmt und ihm die göttliche Forderung entgegenstellt,
werden bei der Berührung mit mystischer oder künstlerischer
Inbrunst erst recht aktiviert oder in einem eigenartigen Gegenspiel
dort, wo das mystische Erleben aus fremden Quellen
gespeist wird, noch stärker verdeckt. Aber auch so wird niemand
, der Hessens Buch durcharbeitet, ohne Gewinn bleiben.

Im Felde J°h. Hempel

G erlern an, Gillis: Zephanja. Textkritisch u. literarisch untersucht.
Lund: C.K.W. Gleerup 1942. XI. 133 S. gr. 8°. Kr. 10-.

Wie in der klassischen Philologie hat sich auch in der alt-
testamentlichen Wissenschaft seit längerer Zeit eine im Gegensatz
zu vordem weithin geltenden textkritischen Grundsätzen
stehende Skepsis gegenüber den Möglichkeiten der Emendations
- und Konjekturalkritik bemerkbar gemacht und im Zusammenhang
damit das Bestreben, um so mehr mit allen zu

i Gebote stehenden Mitteln den überlieferten Text festzustellen
und zu deuten. In dieser Linie liegt auch die vorliegende
< Untersuchung. Wie seinen Landsleuten Nyberg und (seinem
Lehrer) Lindblom kommt es Gerleman an auf Respekt vor der
Überlieferung, größeres Vertrauen zum Masoretentext und inten-
i sive sprachliche Analyse. Damit soll nicht etwa eine Vernach-
i lässigung, sondern im Gegenteil eine möglichst gründliche und
i systematische Auswertung der Arbeit der alten Obersetzer ver-
bunden sein, so daß im Lichte einer auf diese Weise gewon-
j nenen Totalauffassung die Möglichkeit entsteht, die Übersetzung
! der einzelnen Stellen zu beurteilen. Gerleman legt eine voll-
! ständige Durchsicht und Prüfung des Zephanjatextes der
| Masoreten, der Septuaginta, der Peschitta und der Vulgata.
I vor. Alle Stellen, wo die Übersetzungen Abweichungen vom
Masoretentext aufweisen, sind gesammelt und erörtert. Außer-
| dem werden zusammenfassende Charakteristiken der Arbeit
I der alten Übersetzer gegeben. Am Schlüsse wird der Versuch
j gemacht, das Buch Zephanja in den ihm zukommenden zeit-
• und geistesgeschichtlichen Zusammenhang einzufügen. Die Er-
j gebnisse der textkritischen Arbeit und der literarischen Analyse
j werden durch eine zusammenhängende Übersetzung übersicht-
j lieh dargeboten. Die sehr sorgfältige Untersuchung bietet so-
] wohl im einzelnen, wie auch in den zusammenfassenden Charak-
i teristiken des griechischen, syrischen und lateinischen Zephanjatextes
und in dem Schlußkapitel vieles Wertvolle, auch über
den Bereich des begrenzten Gegenstandes hinaus Beachtenswerte
.

Münster (Westf.) Johannes Herr mann

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Lundström, Sven: Studien zur lateinischen Irenäusüber-
setzung. Land: A.-B. Oteeraptka Univ.-Bokh. 1943. 142 S. 8°.
Die von Einar Löfstedt angeregten Studien L.s bringen
eine große Zahl von Vorschlägen zur Wiederherstellung des
ursprünglichen Textes der lateinischen Irenäusübersetzung
durch Aufnahme solcher handschriftlicher Lesungen, die sich
als „Transkriptionen" oder „Mißdeutungen" der griechischen
Vorlage verstehen lassen und gerade deshalb dem sehr mechanisch
verfahrenden Übersetzer zuzuweisen sind, während sie in
anderen Handschriften oder in den Ausgaben verbessert —
im Effekt gelegentlich auch verschlimmbessert — wurden. Als
Transkriptionen bezeichnet der Verfasser nicht, wie jetzt meist
üblich, Übernahme von griechischen Wörtern in lateinischer
Schreibung, sondern (nach dem Vorgang von Rönsch, Kala
und Vulgata 1875 S. 451) Übernahme griechischer grammatischer
oder syntaktischer Formen und Konstruktionen ins
Lateinische anstatt der vom Lateinischen geforderten Umsetzung
der Kasus, Genera, Verbalformen usw. Beispiele für
Transkriptionen in diesem Sinn: ein Relativpronomen behält
das Genus, das es im Griechischen hat, obwohl das Hauptwort
im Lateinischen anderen Geschlechts ist frmnfjotov . . • ö wird
wiedergegeben calicem . . quod anstatt caticem . . quem); oder es
werden die Nomina im Lateinischen den Genera des Griechi-
i sehen nachgebildet (Deminutiva auf -ov mit lat. Endung
I -um anstatt -us und dergl.); oder es werden Präpositionen
j mit den Kasus der griechischen Regel gegen die lateinische
verbunden (pro mit Genitiv u. dergl.) u. a. m. Zu Mißdeutun-
i gen kommt es z. B., wenn das Substantiv eines griechischen
Gen. abs. nicht in den Ablativ gesetzt wird, sondern im Gen.
bleibt und nun als Gen. subj. oder obj. auf ein in der Nähe
I stehendes Hauptwort bezogen wird, oder wenn ein Acc. sing.
| masc. Imoeucvvoyra mit ostendentia übersetzt wird, oder
| wenn ein Medium als Passivum verstanden wird u. a. m.

Es liegt in der Natur der Dinge, daß nicht alle nach dieser
Methode gewonnenen Verbesserungsvorschläge gegen den Text
Harveys (z. T. unter Wiederaufnahme früherer Herausgeber^
I überzeugen können. In einigen Fällen ist die Möglichkeit^ nicht
auszuschließen, daß Fehler in der Überlieferung ist, was der
j Verfasser für ursprünglich hält. Im Ganzen und in den mei-
i sten Einzelfällen hat er jedoch zweifellos zutreffend beobachtet
und richtig rezensiert. Er hat für die künftige Ausgabe des
Irenäus in der Reihe der Berliner Akademie wertvolles Material
| bereitgestellt. Textkritisch ergibt sich dabei, daß der Handschrift
C (Claromontanus, jetzt in Berlin) hoch weit öfter
j die Führung gebührt, als dies schon bisher anerkannt ist und
zuletzt in Sanday-Turners Novum Testamentum S. Irenaei
i (Oxford 1Q2T) aufgezeigt wurde. Freilich wird bei dieser richtigen
Textkritik der lateinische Irenäustext an manchen Stellen
j zunächst noch unverständlicher oder mißverständlicher als er
; es ohnehin ist; der künftige Herausgeber wird solche Stellen
irgendwie mit Warnungszeichen zu versehen haben. Aber die
richtige f"extkonstitution führt doch an nicht wenigen Stellen