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Ausgabe:

1944

Spalte:

134-136

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Sacramentum Ordinis 1944

Rezensent:

Sasse, H.

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Theologische Literaturzeitung 1044 Nr. 5/6

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.zugnahmen und Hinweise, die wir ungern entbehren, und es
:geht vielfach dafür in die Länge und die Breite, wo ein Hinweis
auf eine Tatsache oder auch auf eine Monographie genügt
und gar erheblich weiter geführt hätte. Die Verhältnisse
der Lutheraner in ihrer neuen Heimat werden hier
nur in den Anfängen kurz skizziert. Um so dankbarer ist
darum die kurz vor dem Kriege noch erschienene Darstellung
von Th. Hebart zu begrüßen (Die Vereinigte Evangelisch-
Luthcrische Kirche in Australien VELKA ihr Werden, Wirken
und Wesen, eine Zentenarschrift 1838-1938. North Adelaide
: Lutheran Book Depot 1938, 479 S. mit Abb. und Plänen
). Die Velka ist eine verhältnismäßig kleine Kirche. Auf
der letzten Generalsynode, die dem Abschluß von Hebarts
Darstellung voranging, 1934 zu Horsham in Victoria, wurden
28 500 Seelen gezänlt mit 84 Pfarrern und 564 Sonntagsschullehrern
. Die Velka hat ein reges und vielseitiges kirchliches
Leben — fast 20 000 Kommunikanten —, einen bodenständigen,
auf eigenen Schulen und Hochschulen gebildeten Pfarrerstand
, geordnete Finanzverhältnisse und eine gute, übersichtliche
Verwaltung mit eigenem wohlabgerundeten Archiv, das
recht eigentlich die Hauptquelle für die Arbeit Hebarts gewesen
ist. Für die besondere Kapazität dieser kleinen Kirche
spricht geradezu die Herausgabe dieses umfangreichen, gut gedruckten
Buches, das ohne jede fremde — etwa gar reichs-
deutsche — Hilfe erscheinen konnte.

Die Geschichte der lutherischen Kirche in Australien ist
die Geschichte lutherischer Streitigkeiten, unbrüderlicher Zwiste
und fortdauernder Spaltungen. Aber sie ist ebensosehr die
Geschichte der Wiedervereinigungen, heilsamer Überwindungen
und segensreicher Läuterungen.

Die Velka geht zurück auf A. L. Kavel (f 1860) und seine
Klcmziger Pfarrkinder, die ihm 1836 ff. aus dem Züllichaucr Kreide
nach Südaustralien folgten und dort zunächst Klemzig und Langmeil
gründeten. Die Velka hat sich immer bemüht, eine grade und zielsichere
lutherische Linie zu halten. Das war ihr nicht immer ganz
leicht gemacht: sie war keine Landeskirche, und keine Staatsbehörde
hat sich um ihr Dasein gekümmert. Sie wollte keine Pastorenkirche
sein, sie stand nicht in Verbindung mit einer Universität, sie hatte
keine Lehrautorität. Immer wieder hatte sie mit dem ungehändigten
Indepcndeirtismus der Gemeindeversammlungen zu kämpfen, und der
Zentri'fugaliiStmis des lutherischen Separatismus feierte in dieser jungen
Kirche wilde Orgien. Hehart macht dem alten Vaterlande und der
lutherischen Mutterkirche nicht ganz ohne Berechtigung den
Vorwurf, daß sie die junge werdende Kirche lange Jahrzehnte
ohne jede Hilfe, ohne Pfarrernachwuchs gelassen haben. Allerdings
konnte da die stärkste, auf dem Gebiete der Auslanddiaspara
rührigste deutsche Landeskirche, nämlich die der altpreußischen
Union, gerade für diese Kirche als Pflegerin nicht gut in Frage
kommen. Aber es ist gewiß keine lächerliche Spielerei, bei dieser Gelegenheit
einmal zu fragen: wären nicht die Möglichkeiten der preußischen
Landeskirche in der weiten Welt an den verstreuten evangelischen
Brüdern viel ausgedehntere und tiefer gehende gewesen,
wenn sie — die preußische Landeskirche — an das lutherische Bekenntnis
gebunden wäre und wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte,
lutherische Pfarrer, auf lutherischen Fakultäten gebildet, hinauszu-
schicken? — Erst ganz langsam wuchsen die Beziehungen der
Velka zu deutschen lutherischen Landeskirchen. Die Namen
Harms, Hermannsburg, Löhe, Neuendettelsau, Ultncr, Erlangen sind
bezeichnend für diesen Weg.

Indessen reicht fast in die Oründungszeiten der Velka, in die
Anfänge deutschen Luthertums in Australien, in die ersten Auseinandersetzungen
innerhalb der Gemeinde zurück die ELSA, die Evan-
Retlisch-Lutherische Synode von Australien, die sich auf G. D.
Frifzsche (t 1863) stützt. Oewiß mag es persönliche Spannungen
und Eifersüchteleien zwischen Kavel und dem fünf Jahre
später in Adelaide gelandeten Fritzsche gegeben haben. Oewiß hat
auch der gemeindliche Independentismus das Seinige zu den Zerwürfnissen
beigetragen: wenn schon ernste Theologen auf der Höhe der
Wissenschaft und Bildung über die letzten F/agen der Kirchenzucht,
über Chili asm us und Prädestination zu einer abschließenden Klärung
'»icht kommen können, — wie will eine autodidakte Gemeindekörperschaft
im australischen Urwald in ganz primitiven Verhältnissen solche
Lchrfragen autoritativ entscheiden? So wurden die abgesplitterten
Oemeindcglieder eine leichte Beute des missionierenden amerikanischen
Luthertums, dann der Missourisynode, die damit den Ansatzpunkt
für ein gutes und ertragreiches Arbeitsfdd in Australien
fand. Auf der anderen Seite schloß sich die lange Jahre auf
nnionistischen Wegen in Verbindung mit Basel wandelnde Victoria-
Synode, die im Kern auch eine deutsche lutherische Gründung war,
der Velka an.

Die Hauptfrage blieb stets: Kann die evangelisch-lutherische
Kirche Südaustraliens, die unzweifelhaft eine deutsche
Wündung ist, eine deutsche Kirche bleiben und als deutsche
Kirche gelten, so daß sie auch die Bezeichnung deutsch

in ihrem Namen führen muß und darf? Lediglich die Groß-
I stadtgemeinden Sydney und Melbourne haben sich bisher
| der Deutschen Evangelischen Kirche anschließen mögen. Bei
■ Sydney und Melbourne handelt es sich um ausgesprochene
| Welt- und Handelsstädte, die bei einer stark fluktuierenden
I Bevölkerung innerhalb der deutschen Kolonie grundsätzlich über
' einen gewissen deutschen Bildungsstand verfügen, in denen
i die evangelische Gemeinde weithin ein mit der Heimat ver-
I bindender Kulturfaktor war und die ständig frisches Blut aus
j der Heimat und aus den Heimatkirchen zugeführt erhielten
j (Vgl. dazu Th. He ekel: Die deutschen evangelischen Gemeinden
in den Welt-, Haupt- und Handelsstädten — Franz Rend-
torff-Festschrift 1930 S. 137—151). Die Velka aber war eine
Volkskirche; sie lebte mit dem Lande und aus dem Lande;
i sie mußte wie Landesbrauch und -Sitte, so auch die Landes-
j gesetze und die Landessprache annehmen. Die Volkskirche
I konnte nicht mit einem fortdauernden, reichen oder gar an-
' wachsenden Zustrom aus der alten Heimat rechnen. Sie mußte
! die im Lande geborenen, dem Volke zugehörigen Anwärter des
geistlichen Amts auf eigene Bildungsanstalten schicken und sie
mußte wie die Kenntnis der Landessprache so auch den Besitz
der Staatsbürgerschaft bei ihren Geistlichen voraussetzen.
Wenn man über die Wirklichkeit hinweggegangen wäre, dann
hätte mau wohl in sturer Repristination ein deutsches Sonn-
I tagschristentum lutherischen Bekenntnisses für die Alten kon-
j serviert; die Jugend aber wäre dem Alltag und seinen säkularen
i Bindungen, im günstigsten Falle einem angelsächsischen Sekten-
i Christentum überlassen geblieben. Diese Gefahr scheint nun
| in Australien überwunden. Das Erbe der Väter ist gerettet,
soweit es gerettet werden konnte. Die lutherische Kirche,
! das Bekenntnis der Väter, die Verbindung mit der Kirche
j und mit der Theologie der deutschen Reformation sind bewahrt
! UM gegenüber angelsächsischer Verwässerung gesichert.

So stand die Sache, als Hebart 1938 seine Darstellung
abschloß. Wie sich die Dinge nach der gegenwärtigen Katastrophe
entwickeln und verändern werden, das ist freilich nicht
| abzusehen.

Hebart trägt seinen schwierigen und oft verwickelten Stoff
| pragmatisch, zunächst chronologisch, in einem für weitere
Kreise von Lesern der Gemeinde erbaulichen Tone vor, über
I den wir nicht mit ihm rechten wollen. Die vielen Einzelheiten
über die Pfarrstellen und die Pfarrer wären übersichtlicher
zu lesen und wären auch dem Fernerstellenden deutlicher geworden
, wenn der Verf. sie in Tabellen und Listen und in
einem mit biographischen Daten ausgestatteten Register zusam-
I mengefaßt hätte. Dann wäre das Buch vielleicht nur halb
! so stark geworden: doch damit wäre es in seiner Brauch«
1 barkeit für Gemeinde und Kirche nicht beeinträchtigt worden.
Berlin Otto Lerche

Sacramentum Ordinis. Geschichtliche und systematische Beiträge
hrsg. v. Erich Puzik u. Otto Kuss. Breslau: Verlag des Schles. Bonifatiusvereins
-Blattes [1942]. (VIII, 414 S.) gr. 8°. RM 11.80.

Der Titel dieses als ,.Gemeinschaftsarbeit schlesischer Welt-
! priester" entstandenen Werkes ist insofern nicht ganz glücklich
j gewählt, als er eine Behandlung des Sakraments des Ordo
| erwarten läßt. Eine solche bietet das Buch nicht, dafür aber
i eine Reihe höchst wertvoller historischer und systematischer
Aufsätze, die der Besinnung auf das Wesen und die Aufgaben
| des katholischen Pfarramts dienen.

Nach einem Geleitwort des Breslauer Weihbischofs J. F e r c h e,
der die Anregung zu diesem Sammelwerk gegeben hat, bietet Bischof
Kaller (Ermland) einen dankenswerten Überblick über die päpstlichen
Verlautbarungen zur Frage der Priesterbildung in den letzten
Jahrzehnten. Ein 70 Seiten umfassender Aufsatz von O. Kuss
j „Bemerkungen zu der religiösen Lage des Gegenwartsmenschen und
j der christlichen Verkündigung" gibt auf dem Hintergrund des aller-
: dings zu optimistisch gesehenen Mittelalters eine in die Tiefe drin-
J gende Schilderung des von Gott gelösten und darum in Einsamkeit
und in trostlosem Schicksalsglauben versinkenden modernen Menschen
und stellt der „modernen metaphysischen Qlaubenslosigkeit" die „Wclt-
I sieht" des von der göttlichen Offenbarung des A. und NT. belehrten
Menschen gegenüber. Uber „Gemeindeseelsorge im Geiste des hl.
I Paulus" schreibt K. Metzger klug und anregend, freilich ohne die
Unterschiede zwischen den älteren Paulusbriefen, den Pastoralbricfen
und der Apostelgeschichte zu beachten. Es folgen vier kirchenge-
schichtliche Beiträge: K. Kastner läßt die priesterliche Gestalt
des Chrysostomos lebendig werden, B. Altaner gibt eine anschauliche
Schilderung des großen Seelsorgers Augustin, E. Kleineidam
bietet eine theologisch sehr bedeutsame Darstellung der Gedanken
des hl. Bernhard über die Predigt, und H. J e d i n berichtet au«
seiner umfassenden Kenntnis der Quellen zur Vorgeschichte und Gc-